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Ausgabe:

1985

Spalte:

723-724

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fontaine, Carole R.

Titel/Untertitel:

Traditional sayings in the Old Testament 1985

Rezensent:

Seidel, Hans

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Seite 1

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723 Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 10 724

Fontaine, Carol R.: Traditional Sayings in the Old Testament. A Con-
textual Study. Sheffield: Almond Press 1982. 279 S. 8° = Biblc and
Literature Series, 5. Kart. £ 8.95.

Die ursprünglich als Dissertation veröffentlichte Arbeit untersucht
eine repräsentative Anzahl von 'traditional sayings' außerhalb der
Weisheitsliteratur. 'Traditional saying' kann auch mit 'folk saying,
folk proverb, populär proverb, populär saying' wiedergegeben werden
und ist im Deutschen zwischen .geprägte Wendung, volkstümlicher
Ausspruch, Sprichwort' anzusiedeln.

Im ersten Abschnitt (A survey of scholarly opinion . ..) wird die
Literatur von Eißfeldt (Maschal) bis Crenshaw und Murphy kritisch
durchgesehen. Die Mängel der bisherigen Arbeiten liegen vor allem
im weitgehend ungeklärten Verhältnis von volkstümlichen Wendungen
und Kunstformen der Weisheitsliteratur und in der fehlenden
Verdeutlichung des Weges, "in which a message of saying is manipu-
lated when it appears in a given context".

Der zweite Abschnitt (Paroemology and folklore studies on the proverb
and saying) beschäftigt sich mit den Ergebnissen der neueren
Folkloreforschung (Hallowcll, Malinowski. Bascom) und der Diskussion
um die Begriffe .Volk' und .Sprichwort' (Taylor, Holbek,
Dundes. Krappe u. a.). Wichtig ist vor allem die Kontextbezogenheit.
Sie zu erkennen ist wie ein Schlüssel "to unlock the doors to under-
standing funetion, form, strueture, meaning, and even general social
interaction" (47). In graphischen Darstellungen werden die Interpretationsmodelle
Heda Jasons (interaction between proverb formation
and funetion) und Peter Scitels (social and metaphorica! rclationship
in proverb use) vorgestellt, und mit Hilfe des letzteren wird Hiob 34
analysiert. Die Betonung,der Kontextbezogenheit führt in der folgenden
Untersuchung alttestamentlicher Texte zu den Wendungen, die in
die deutlichsten kontextuellen Informationen eingebettet sind. Sie finden
sich in den erzählenden Textkomplexcn.

Mit der Überschrift 'Proverb Performance in the Old Testament'
führt die Vfn. im vierten Abschnitt in das Zentrum ihrer Untersuchung
. Sie definiert 'proverb Performance' als "the purposelül
transmission of a saying in a social interaction" (72). Für die Auswahl
der Texte und Wendungen werden folgende Kriterien angeboten:

1. Die Wendung ist in der alttestamentlichen Forschung als solche
bekannt.

2. Die Wendung entspricht den aus der Folkloreforschung abgeleiteten
Kriterien (complete syntax, descriptive unit, logical relationship
between its terms, elevated style).

3. Kontextuelle Daten.

4. Ein Anspruch auf Vergleichbarkeit des Bildgehaltes der Wendungen
.

Diesen Kriterien entsprechen folgende Wendungen:
Ri 8,2; 8,21; lSam 16,7:24,14; I Kön 20,1 1. Die Exegese dieser T exte
ist übersichtlich gegliedert in 'introduetion, interaction Situation, proverb
Situation, context Situation, comments' und zeigt, daß diese
Wendungen im Zusammenhang des Erzähltextes zweckgerichtet zur
Unterstützung des interaktionellen Zieles eingesetzt werden.

Im letzten Abschnitt (Wisdom at work: Towards an understanding
of the contextual use of the traditional saying in the Old Testament)
verdeutlicht die Vfn. dieses Ziel als "conflicting interpretations of the
context Situation as the Stimulus for proverb Performance" (vgl. Übcr-
sichtstabelle S. 156). Die Orientierung der Textadressaten auf die
Situation und ihre Konflikte möchte zur Konfliktlösung führen.
"Traditional wisdom may be seen at work at various levels of society,
resolving conflicts, orienting its users to respond to life's ambiguitics
and paradoxes in a wholesome, integrative way, so as to maximize the
goal of 'shalom' in daily life." (170) Es schließen sich 52 Seiten Anmerkungen
, drei Appendizes, Literaturverzeichnis und Register an.

Die Untersuchung ist in mehrfacher Hinsicht interessant und
beachtenswert. Durch die Einbeziehung der Folklorcforschung, ihrer
Methoden und Ergebnisse, eröffnen sich für die Exegese einzelner
Texte und Wendungen neue Fragestellungen und Deutungsmöglichkeiten
. Es wird ein Methodeninstrumentarium zur Verfügung gestellt.

das kritisch abgesichert ist und ohne Überfrachtung mit Spezialtermini
anwendbar erscheint.

In der Betonung der Kontextbezogenheit nähert sich die Vfn.
textlinguistischer Exegese, ohne jedoch die Bedeutung des kommunikativen
Aspektes texttheoretisch zu entfalten oder auf das Textge-
füge in Richtung einer Strukturanalyse anzuwenden. Appendix B bietet
zwar-eine Strukturanalyse der geprägten Wendungen in Form des
Satzstammbaums, aber es ist zu fragen, ob eine solche Graphik im Anhang
noch viel einbringt, wenn das Verfahren der Satzsegmentierung
nicht ausführlicher im" Text dargestellt und angewendet wurde. Diese
Bemerkung mag zugleich ein Hinweis sein, daß von dieser Arbeit eine
Fülle von Impulsen für die Weiterarbeit ausgeht.

Leipzig Hans Seidel

Aletti, Jean-Noel, et Jacques Trublet: Approche Poetique et Theolo-
gique des Psaumes. Analyses et Methodes. Paris: Cerf 1983. 297 S:
B" = «Initiations». Kart, ffr 145.-.

Die Autoren wenden sich mit ihrem Buche in erster Linie an Laien,
die an Bibelarbeitcn und Rüstzeiten teilnehmen. Deshalb bedienten
sie sich einfacher Ausdrucksweise und verzichteten auf Fußnoten
sowie die Auseinandersetzung mit anderen Auffassungen. Sie wollen
zur Eigenbeschäftigung mit den Psalmen anleiten und zeigen, wie man
den Text analysiert und die kritischen Äußerungen jeweilig verwertet.
Ohne Hebräisch zu zitieren, fuhren sie wichtige Schritte des methodischen
Verfahrens vor. klammerten aber die Psalmen aus, deren Probleme
in Wortlaut und Aufbau zu groß sind.

Die VfT. betonen, sie wollten nicht bei der literarischen Struktur
und den Gattungsmcrkmalen stehenbleiben, sondern auslegen und
der Eigenart des einzelnen Psalms nachgehen. Beides sei zu verbinden
und bislang ihrer Meinung nach leider immer nur getrennt betrieben
worden. Man solle die Psalmen nicht nur als Informationsquellen
hören oder lesen, vielmehr an den in ihnen enthaltenen Erfahrungen
und Empfindungen teilnehmen.

Wer mit dem Buche von Aletti-Trublet arbeiten will, muß ergänzend
eine Einleitung ins Alte Testament heranziehen, weil die dort zu
findenden Auskünfte über Datierung, Redaktion usf. von ihnen vorausgesetzt
werden. Sie stellten überdies keine eigenen Erörterungen
über die Gattung an. Statt dessen bieten sieS. 271-274 eine Übersicht
der Psalmengattungen nach Gunkel-Begrich, Einleitung in die Psalmen
, 1933. Bedauerlicherweise wurde von ihnen nicht zur Kenntnis
genommen, daß man mittlerweile in vielen Fällen die Gattungsbestimmung
anders vornimmt. Schließlich versagten sie sich Ausführungen
, die Aufnahme der Psalmen in die christliche Botschaft und
Kirche betreffend.

Den ersten Teil («Rhctorique et Poetique») widmeten die Autoren
der Strukturanalyse, denn die eingehende Beschäftigung mit einem
Text beginne damit, daß man sich über die Prinzipien klar werde,
nach denen er aufgebaut ist. Generell hätten die Psalmen ihr Gepräge
durch Wiederholungen, was die Vff. alternierenden oder konzentrischen
Parallelismus nennen. Die Wiederholung einzelner Worte,
Verse oder Versteile (zur Rahmung oder Strophengliederung), der
Refrain, ferner die Häufung von Synonyma bzw. gleicher syntaktischer
Formulierungen, die in wohldurchdachter Beziehung zueinander
stehen, brächten dieselbe Realität, Totalität und Fülle zum Ausdruck
. Außerdem müsse man zusehen, worauf das Hauptgewicht in
einem Psalm liege, ob in einem Teile davon, der nicht die Mitte sein
muß, ob in dem eventuell formulierten Gegensatz oder ob in dem
Fortschreiten der Gedanken bzw. des glaubenden Empfindens.

Ein durchdachter poetischer Aufbau ist sicher öfter festzustellen,
aber kaum in jedem Falle. Man muß sieh auch hüten, alles struktura-
listisch erfassen zu wollen, weil mancherlei Erscheinungen auf die je
eigentümliche Thematik zurückzufuhren sind, ihre Abfolge häufig
emotional bedingt sein kann und Kennzeichen des Aufbaus von übergreifender
Bedeutung formkritisch zu erklären sind. Beobachtungen
über die Struktur müssen also immer mit denen über die Gattung