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Ausgabe:

1985

Spalte:

698-700

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Jaffé, Aniela

Titel/Untertitel:

C. G. Jung - Bild und Wort 1985

Rezensent:

Kiesow, Ernst-Rüdiger

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 9

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Sachsen zurückgeht. Die Erhebungen und Erwägungen aus den
Jahren 1977-1979 sind 1983 im Druck erschienen. Das ist ein Zeitraum
, der Tür Spontanes ziemlich lang, Tür Bleibendes recht kurz ist.

Dem I.Teil ..Bericht über die charismatische Bewegung in den
evangelischen Kirchen in der DDR" liegen viele Besuche der Mitglieder
der Studiengruppe in Zentren, bei Gruppen oder Einzelpersonen
zugrunde. Man muß den Beteiligten zuerkennen, daß sie intensiv,
offen und verantwortungsbewußt diese grundlegende Erwägung und
Erhebung durchgeführt haben. Nun ist aber damit eine Grenze
markiert: Man kann etwas lediglich beobachten und erforschen oder
man kann es auch selbst praktizieren. Wirkliche Erfahrung ist letztlich
nur durch das zweite möglich. Im Grunde geht es um das Gegenüber
von Objektivem und Subjektivem, das deshalb ineinander greift,
weil wir Menschen mitten in dieser Welt sind, die jedoch weder Ausgangspunkt
noch Ziel unseres Glaubens ist. sondern nur eine Zeitlang
Stätte seiner Bewährung..Es ist aber legitim, die charismatische Bewegung
von außen zu beurteilen, zumal Selbstdarstellungen selten sind,
■ch sehe in dem Bericht der Studienabteilung auch eine Frage an die
charismatische Bewegung: Warum nämlich manches, was in den
Jahren 1977/78 besonders ins Auge fiel, heute gar nicht mehr da ist.
Man kann nicht sagen, es sei deshalb nichts gewesen, aber man muß
fragen, was daraus geworden ist.

Bei der Schilderung einzelner Symptome ist die Einzelbeichte
neben anderem erwähnt. Sie ist jedoch der zentrale Schlüssel für alles
andere und weitere. Die - teilweise verständliche - Scheu davor ist
meist das Nein zum neuen Weg. Das ins Auge fallende Spontane, etwa
die Begeisterung in großen Versammlungen, kann Anlaß oder Bestätigung
sein, der Kern aber liegt in persönlicher Befreiung und Hingabe.
Da das aber mit dem Siegel des Beichtgeheimnisses belegt ist, kann es
nicht geschildert werden. Wenn die Studie von „Konsolidierung"
spricht, so meint sie das Zurücktreten von Spektakulärem und
Enthusiastischem. Dafür gibt es aber Wachsen. Reifen. Bewähren und
Ausstrahlen. Eine Blütezeit fallt immer mehr ins Auge als eine Reifezeit
. Das wahre Ergebnis aber zeigt sich erst bei der Ernte.

Im übrigen ist es besser, wie auf Seite 12 vermerkt, statt „Charismatische
Bewegung" lieber „Charismatische Gemeinde-Erneuerung" zu
sagen. Bei den Ausführungen über „Frömmigkeit und Theologie"
kann man natürlich auch manches anders sehen. Man kann* z. B.
nicht ohne weiteres sagen, die biblische Auslegung geschähe „in der
Regel ohne ausgeprägtes wissenschaftlich-methodisches Rüstzeug."
Das ist wohl auch nicht die entscheidende Frage in einer Kirche, in
der u. a. eine Umfrage unter 40 Ältesten ergab, daß 2 regelmäßig die
Bibel lesen. Hier ist der Schwerpunkt ein anderer. Jedoch sind mir
kei ne besonderen Entstellungen aufgefallen, besonders wenn man
bedenkt, daß die Kreise und Gruppen Unterschiede aufweisen, je
nachdem wie sie geleitet werden oder welche Entwicklung sie genommen
haben. Es geht nicht so sehr darum, ob die Fcstcllungen der
Studie zu einzelnen Gebieten (u. a. spezielle Geistesgaben. Gebet und
Gottesdienst, okkulte Bindungen, Zeichen der Endzeit. Welt und
Staat) „richtig" sind - was übrigens vielfach zutrifft - sondern wie das
Anliegen der charismatischen Gemeinde-Erneuerung eigentlich
-ankommt". Hierin liegt ein guter Dienst der Studie.

Im IL Teil „Theologische Reflexion über charismatische Erneuerung
und Kirche" wird das Vorgefundene in größere Rahmen gestellt.
Es geht um Konkretion des Phänomens, vor allem auch um die Beziehung
zur Einheit der Kirche. Die einzelnen Bereiche, z. B. Heilungen
°der Glossolalie werden vielseitig und vielschichtig beleuchtet. An
diesen Stellen merkt man Bereitschaft und Mühe, mit denen die
Studie erarbeitet wurde. Es ist verständlich, daß für die Verfasser die
Theologie Maßstab ihrer Wertungen ist, so z. B. wenn man sagt, daß
-geschichtliche Bedingtheit" „Kontext des antiken Weltbildes" und
anderes „wichtig ist für einen theologisch verantwortlichen Gebrauch
dieser Gabe (Glaubensheilung) heute" (S. 126). Sicher kann man
nicht sagen. Theologie sei dafür nicht zuständig, man muß aber
beachten, daß Theologie nicht der Maßstab für die Möglichkeiten
Gottes ist, sondern eine Hilfe zu ihrem Verstehen. Wenn es weiter

heißt: „Deutlich ist eine Tendenz zum selektiven Gebrauch der
Schrift", so ist dazu zu sagen, daß die Selektion insofern durch die
Großkirchen im Laufe ihrer Geschichte erfolgt ist, als sie bestimmte
Schriftstellen als uninteressant, unwichtig und unzeitgemäß vernachlässigt
und verschwiegen haben oder ihnen verständnislos gegenüber
standen. Es gibt aber ein „Jetztwort Gottes", das er zu Seiner Zeit zur
Sprache bringt.

Die Studie zielt im Ergebnis auf „eine verheißungsvolle Möglichkeit
: .Dialogische Pluralität'". Das wird sowohl für die Kirche als
auch für die charismatische Erneuerung entfaltet als Integration, im
theologischen Gespräch, im Dialog der Erfahrungen, in Lebens- und
Versammlungsformen der Gemeinde, in der Gesamtverantwortung
für die Kirche und in der Einübung ökumenischer Verhaltensformen.
Dieser Vorschlag ist ein positiver Abschluß der Studie. Ich sehe darin
auch einen hilfreichen Hinweis für die charismatische Erneuerung,
sich einerseits nicht selbst für die einzige Möglichkeit der Erneuerung
der Kirche zu halten und andererseits ihren Auftrag nicht in der
Gründung von Sondergemeinschaften außerhalb der Kirche zu sehen.
Es ist aber die Frage, ob die Kirche insgesamt die charismatische
Erneuerung erträgt im Sinne „Die Kirche hat einen großen Magen",
oder ob man sich selbst wirklich der Erneuerung stellt. Denn in der
Erneuerung des Einzelnen, der Gemeinde und der Kirche besteht das
Grundanliegcn der charismatischen Gemeinde-Erneuerung, so wie sie
es durch den Heiligen Geist zu erkennen und zu leben meint.

Stendal Friedrich Carl Eichenberg

Jaffe, Aniela: C. G. Jung. Bild und Wort. Eine Biographie. Olten-
Freiburg/Br.: Walter 1977; Sonderausgabe 1983. 240 S. 4

C. G. .Jung. Word and Image. Transl. by K. Winston. Princeton N. J.:
Princeton University Press 1979. XVI. 238 S. m. zahlr. Abb. i. Text
u.aufTaf.z. T. färb. 4' = Bollingen SeriesXCVll: 2. Kart. $ 19.-.

Dieser große Bildband verdankt seine Entstehung einer Gedenk-
Ausstellung, die 1975 aus Anlaß des 100. Geburtstages von
C. G. Jung seitens der Stadt Zürich in Zusammenarbeit mit dem
C. G. Jung-Institut und dem Psychologischen Klub Zürich veranstaltet
worden war. Fotografische Wiedergaben der dort gezeigten Bilder
und Dokumente fanden bei weiteren Ausstellungen in über vierzig
Städten Europas und Amerikas starkes Interesse, so daß sich der
Walter-Verlag zum Druck des vorliegenden Prachtbandes entschloß
.

Die Herausgeberin. langjährige Schülerin und Mitarbeiterin des
Begründers der Komplexen Psychologie, hat den insgesamt 205, z. T.
großformatigen Abbildungen (davon 47 in Farbe), die wie das ganze
Buch auf Kunstdruckpapier in unübertrefflicher Qualität wiedergegeben
sind, einen Text hinzugefügt, der zum größten Teil aus Jung-
Zitaten besteht und zum kleineren Teil aus eigenen verbindenden
oder erläuternden Worten. Wer die ebenfalls von A. Jaffe herausgegebenen
„Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung" (deutsche
Ausg. Zürich 1962) kennt, wird hier inhaltlich und biographisch
nichts grundlegend Neues erfahren.' abgesehen von einigen Tagebuchnotizen
. Auszügen aus Briefen an seine Frau und dem Text einer
häuslichen Weihnachtsansprache, die bisher noch nicht veröffentlicht
waren. Aber durch die Fülle der Bilder von Jung, seinen Angehörigen,
seinen Manuskripten, seinen Wirkungsstätten, seinen Reisen und vor
allem von seinen kunstvollen Gestaltungen in Farbe und Stein (er
hätte wohl ein bedeutender Künstler werden können) gewinnen die
sorgfältig ausgewählten Worte des Textes eine Lebendigkeit und Ein-
drücklichkeit, die von Anfang bis Ende fasziniert. Die äußere und
innere Biographic des unermüdlichen Erforschers und „Liebhaber
der Seele" wird dem Leser und Betrachter auf einzigartige Weise
anschaulich gemacht. Wer Jung noch nicht kannte, begegnet ihm hier
sehr persönlich und erhält zugleich eine gedrängte, aber authentische
Einführung in sein Denken und seine Lebensleistung. Auch der