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Ausgabe:

1985

Spalte:

696-698

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Charismatische Erneuerung und Kirche 1985

Rezensent:

Eichenberg, Friedrich Carl

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695

Theologische Literaturzeitung I 10. Jahrgang 1985 Nr. 9

696

Gottesknecht (206). seinem Bewußtsein des Geistbesitzes (208), von
dem zu seiner Zeit verbreiteten Gedanken des Sühnetodes (201), einer
messianischen Bedeutung des Menschensohntitels (113) und vor
allem von der bewußten Übernahme des Sterbens durch Jesus (2470
so ohne weiteres reden? Kann man die Sprachgewohnheit Jesu, von
..meinem" oder „eurem Vater" zu reden, nennen, ohne zu sagen, wie
spärlich die Belege sind (192), und wie ist ..Vollendung der Tora"
durch Jesus zu verstehen (237)? Obwohl ich selbst sehr viel vorsichtiger
argumentierte, sehe ich Jesu irdisches Wirken und Erleben nicht
wesentlich anders. Daß Mattäus nach dem Pentateuch gegliedert sei,
ist (fragliche) Hypothese (114), und die kosmologische Christologie
der (m. E. nicht paulinischen) Briete an Kolosser und Epheser (I I9f)
steht auch sehr in Spannung zu den sicheren Paulusbriefcn. Das alles
ändert nichts daran, daß das Buch einen sehr anregenden Versuch darstellt
und abgesehen von einigen ungewohnten Formulierungen
(„Sündenlosigkcit", ..Dialekt - statt: Sprache - Kanaans", gelegentlich
„existentiell" statt: existential) in einer lebendigen und sehr gut
lesbaren Übersetzung vorliegt.

Männcdorf (Zürich) Eduard Schweizer

Systematische Theologie: Ethik

Altner, Günter: Fortschritt wohin? Der Streit um die Alternative.
Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1984. 234 S. kl. 8° =
Grenzgespräche, 10. Kart. DM 18,-.

Das Buch des bekannten Biologen und Theologen, der nicht nur zur
Wissenschaftsgeschichte des Darwinismus und seiner weltanschaulichen
und theologischen Implikationen geschrieben hat. sondern seit
vielen Jahren äußerst engagiert in der ökologischen Bewegung der
BRD steht, zertällt in zwei große Teile: „I. Der Streit um die Alternative
" (S. I 1-149) und „II. Konturen einer neuen kirchlichen Verantwortung
" (S. 151-234). Jedem Teil sind jeweils 8 Beiträge zugeordnet
, bei denen es sich um Aufsätze und Themen handelt, die teils
bereits an anderer Stelle veröffentlicht wurden, teils bisher unveröffentlicht
sind. Eine Reihe von Wiederholungen sind bei solchen
Aufsatzsammlungen ja leider unvermeidlich, aber z. T. auch nützlich
und interessant.

Leider steht der im schlechten Sinne fragwürdigste Beitrag gleich
am Anfang: die Nachschrift einer Sendung des Süddeutschen Rundfunks
, bei der es sich um eine Diskussion zwischen dem schweizerischen
Ex-Manager Hans A. Pestalozzi und Günter Altner unter der
Gesprächsleitung von Gerhard Rein handelt: „Von Gefahren und
möglicher Rettung" (S. 17-61). Eingeblendet sind zwei längere,
provokative Texte von Nicolas Born und Andre Gorz. Im Hörfunk
sind zugespitzte Formulierungen und Provokationen methodisch
bisweilen angebracht und anregend. Wenn man aber so etwas in Ruhe
nachlesen kann, wirkt es doch etwas eigenartig. Der Gesprächsanteil
von Günter Altner ist aber dabei - nimmt man den Moderator aus -
mit Abstand das Beste.

Aber auch wenn man sich an den in Ruhe am Schreibtisch entstandenen
übrigen Beiträgen von Altner orientiert, bleibt ein Problem: Sie
enthalten viele sehr wichtige und anregende und um Ausgewogenheit
bemühte grundsätzliche Gedanken zur Ökologieproblematik; aber
dann spürt man auch immer wieder, daß bezüglich der Konkretionen
teils ausgesprochen, teils unausgesprochen eine ganz bestimmte, einseitige
Sicht mehr vorausgesetzt als begründet und erörtert wird. So
steht für Altner wohl fraglos fest, daß Stromerzeugung durch Atomkraftwerke
ökologisch abzulehnen ist. Aber darüber könnte, ja müßte
man doch ernsthaft streiten, gerade wenn man ökologische Gesichtspunkte
ernst nimmt. Sind z. B. die Franzosen, die so stark auf Atomkraft
setzen, einfach ökologisch gedankenlos oder unverantwortlich?
Dazu wünschte man ein Wort von Altner zu hören, aber darüber
schweigt er sich vollständig aus. Kraftwerke auf fossiler Brennstoffbasis
sind doch ökologisch mindestens so problematisch wie Atomkraftwerke
. In einer Biographie über Otto Hahn und Lise Meitner
schreibt Prof. Werner Stolz von der Bergakademie Freiberg: „Gründliche
Analysen haben ergeben, daß die regenerativen Energiequellen
Sonne. Wind. Wasser und Erdwärme den Weltenergiebedarf nicht zu
decken vermögen. Der Menschheit bleibt nur ein einziger Weg: Nur
mit Hilfe von Kernkraftwerken kann die Energieversorgung gesichert
werden . . . Noch nie wurde in der Geschichte eine Technologie entwickelt
, die ein höheres Niveau an Betriebssicherheit aufweist als die
Kernenergetik. In nahezu 2 000 Reaktorjahren während des Betriebes
von 235 Kernkraftwerken ist es bisher zu keinem einzigen durch
ionisierende Strahlung verursachten Todesfall gekommen" (Leipzig.
1983. S. 86/87).

Altner freilich ist von der Existenz einer bevorzugenswerten Alternative
überzeugt: „Und die heißt: verbesserte Energienutzung in
Haushalt, Verkehr, Kleinverbrauch und Industrie, wesentliche Einsparungen
also bei Kohle und Ol, vorsichtiger dezentralisierter
Gebrauch der Kohle unter gekoppelter Produktion von Wärme und
Elektrizität und schließlich in steigendem Maße Einbeziehung der
erneuerbaren Energien Sonne, Wind und Biomasse in die Energieproduktion
" (S. 189). Aber was heißt z. B. „verbesserte Energienutzung
im Haushalt"? Auch die technisch vollkommensten
Waschmaschinen und Elektroherde kommen nicht an dem physikalischen
Gesetz vorbei, daß zur Erwärmung einer bestimmten Menge
Wasser auf eine bestimmte Temperatur eine ganz bestimmte Energiemenge
notwendig ist, die durch keinen technischen Fortschritt unterschritten
werden kann. Da hilft auch nicht die von Altner geforderte
alternative Wissenschaft mit ihreralternativen Sicht der Naturgesetze,
die wir einer alternativen Erkenntnismethodik verdanken sollen, die
den Weg von Descartes, Galilei und Newton überwindet und die
Natur nicht mehr im Experiment über die Klinge springen läßt. Und
wenn das so ist, wird die ständige und ja doch wohl wünschenswerte
Zunahme solcher Geräte trotz, aller möglichen technischen Verbesserungen
nicht zu einem reduzierten, sondern einem erhöhten Energiebedarf
führen usw. Ahnliches wäre zu der bei Altner mehrfach spürbaren
Aversion gegenüber der Gentechnologic auszuführen.

Aber solche m. E. notwendigen kritischen Anmerkungen sollen
und dürfen nicht übersehen lassen, daß uns Altner einen durchaus
wichtigen und notwendigen Dienst tut, wenn er immer wieder neu
unser Nachdenken über die allseitigen, vielfach vernetzten, multikausalen
Auswirkungen des technischen Fortschritts fordert, den er -
wie er immer und immer wieder versichert - nicht ablehnt, sondern
für unabdingbar hält, wenn auch über die zu wählenden, möglichst
„weichen" Technologien immer neu nachzudenken ist.

„Die Heiligung der Schöpfung bedeutet nicht Rückschritt und Fortschrittsfeindlichkeit
. Nein, der Weg führt nach vorn. Aber an der Art
unseres Denkens und an der Wahl unserer technischen Mittel und an
der Verfolgung unserer Produktionsziele entscheidet sich, ob wir
unser Hineingenommensein in den Wcltwerdeprozeß als Teilhabe an
der Vollendung, als Wandlung im Blick auf eine größere Einheit
begreifen oder in der Einstellung der traditionellen abendländischen
Schöpfungsignoranz verharren und so an der Entheiligung der Natur
durch Zerstörung weiterhin teilnehmen" (S. 209).

Berlin-Mahlsdorf Hans-Hinrich Jcnssen

Praktische Theologie: Allgemeines

Charismatische Erneuerung und Kirche. Im Auftrag der Theologischen
Studienabteilung beim Bund der Evangelischen Kirchen in
der DDR hrsg. von H. Kirchner, G. Planer-Friedrich, M. Sens u.
Ch. Ziemer. Berlin: Evang. Verlagsanstall; (zugleich Neukirchen:
Neukirchener Verlag 1984) 1983. 192 S. 8

Diese Studie ist entstanden aufGrund eines Auftrages, deraufeinen
Synodalbeschluß der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz