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Ausgabe:

1985

Spalte:

686-688

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Jelich, Georg

Titel/Untertitel:

Kirchliches Ordensverständnis im Wandel 1985

Rezensent:

Haufe, Christoph Michael

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685

Theologische Litcraturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 9

686

Thon einen kurzen Abriß zur Einordnung der Texte. Verständlicherweise
können hier nur grobe Linien gezogen werden, die zugleich zeigen
wollen, daß sich trotz betonten Festhaltens am altkirchlichen
Erbe in den orthodoxen Kirchen eine dynamische Entwicklung ergab.
Richtig wird daraufhingewiesen, daß die Orthodoxie keine „symbolischen
Bücher*' im Sinne etwa der Confessio Augustana, sondern als
verbindliches Symbol nur das Nicäno-Konstantinopolitanum kennt,
das er seinem Buch auf Griechisch und Deutsch voranstellt. Beim
Hinweis auf das „in der Orthodoxen Kirche durchaus geschätzte
Athanasianum" (S. 52) sollte jedoch das Auslassen des Passus über
das filioque in derorthodoxen Fassung nicht verschwiegen werden!

Der Hauptteil mit den Quellcntexten (S. 95-568) gliedert sich in elf
Abschnitte:

A: „Die Kirche im christlichen Römerreich bis Joustinianos"
(gemeint ist: vor Justinian), (Quellen 1-9) vom Mailänder Edikt 313
bis zum Chalkedonenx von 451.

B: „Die Orthodoxe Kirche im Rhomäcrreich" (Q 10-38) setzt ein
mit dem V. Ökumen. Konzil, bietet Quellen zum Bilderstreit, zu Auseinandersetzungen
mit Rom zur Zeit des Patriarchen Photios bis zum
Schisma von 1054, zur Geschichte und Frömmigkeit des orthodoxen
Mönchtums, z. B. des Hesychasmus, zu Entartungserscheinungen und
zum Fall von Konstantinopel 1453. dazu eine Bewertung der Kirche
'm Rhomäcrreich von J. G. Herder.

C: „Die Orthodoxe Kirche im Osmanischen Reich" (Q 39-41) mit
dem Glaubensbekenntnis Gennadios' II., einer Klage über die Phana-
rioten und Äußerungen Dostojewskis über Rußlands Rolle bei der
Befreiung.

D: „Der Bruch der Kircheneinheit zwischen dem Römischen Patriarchat
und der Orthodoxen Kirche" (Q 42-56) vom 3. Kanon von
Konstantinopel 381 bis ins 12. Jh. (hierher gehörten einige der
vbschnitt B zugeordneten Texte). Der außerdem gebotene Text aus
dem Chronicon Maius stammt nach heutigen Erkenntnissen wohl von
Makarios Melissenos und nicht von Georgios Sphrantz.es.

E: „Das Orthodoxe Christentum bei den West- und Südslaven"
<Q 57 bis 62) handelt von Kyrill und Mcthod, der Verteidigung des
Kirchenslavischen sowie der Frühzeit der bulgarischen und serbischen
Kirche.

F: „Die Orthodoxe Kirche im Kiewer Großfürstcntum und im Russischen
Zarenreich" (Q 63-86) spannt den weiten Bogen vom legendären
Bericht über die Reise des Apostels Andreas nach Kiew bis zu
Strafbestimmungen für die Abwendung von der Orthodoxie aus dem
Jahre 1846 und bezieht auch das Altgläubigentum mit ein.

G: „Die Orthodoxe Kirche und die totalitären Staaten des 20. Jahrhunderts
" (Q 87-103). Trotz der wenig glücklichen Überschrift bemüht
sich Vf. um eine sachgerechte Darstellung von Stellung und
Haltung der Russischen Orthodoxen Kirche ab 1917 bis zu den 70er
Jahren, der Zerstörung orthodoxer Gotteshäuser in Polen 1938 und
der das Verhältnis zum Katholizismus bis in die Gegenwart hinein
belastenden Zwangsbekehrungen und Verfolgungen orthodoxer Serben
im 2. Weltkrieg. Hervorgehoben seien die Stellungnahmen griechischer
und bulgarischer Hierarchen zur Judenverfolgung, über die
Thon mit Recht schreibt: „Nur wenige andere im deutschen Machtbereich
befindliche Kirchenführer haben es gewagt, eine annähernd
klare Sprache zu sprechen und ein ähnliches persönliches Engagement
zu zeigen!" (S. 81).

H: „Das Problem der Unionen" (Q 104-1 19) umfaßt Texte vom
Konzil von Lyon 1274 bis zum Briefwechsel zwischen Patriarch
pimen und Papst Johannes Paul II. 1980/81.

I: „Die Begegnung und Auseinandersetzung mit dem Protestantismus
" (Q 120-128) bietet nach Texten von der Leipziger Disputation
'519 bis Anfang des 18. Jh. lediglich noch Äußerungen Adolf von
Harnacks.

J: „Die Orthodoxe Kirche und die Ökumenische Bewegung des
20. Jahrhunderts" (Q 129-148) widmet sich unterschiedlichen Pro-
blemkrciscn: grundsätzliche Äußerungen und Erklärungen seit dem
Sendschreiben der vier Patriarchen an die Kirche von England 1723.

Dokumente über, die Gültigkeit der anglikanischen Weihen
(1922-1948), zu Fragen der Interkommunion, über die Tilgung der
Bannflüche von 1054, einzelne Stellungnahmen zum Dialog mit
Anglikanern, der orientalischen Orthodoxie und den Altkatholiken
sowie Teile aus dem Bericht der Orthodoxie-Ausschüsse der EKD von
1980.

K: „Die Orthodoxe Kirche in Deutschland" (Q 149-158) mit
Texten seit der Zeit Friedrichs II. und Quellen wie dem Gestapo-
Bericht von 1935 bis hin zurGriechisch-Orthodoxen Metropolie.

Als nützlich erweist sich ferner der Anhang (S. 569-616) mit statistischen
Angaben, Tabellen der Ersthierarchen der einzelnen orthodoxen
Kirchen incl. der diesen unterstehenden Bischöfe im deutschen
Bereich, der unierten Patriarchen von Alexandrien und Antiochien
sowie der Ostkirchengremien des Vatikans. Vf. weist selbst auf die
nicht immer gewährleistete Zuverlässigkeit der von ihm benutzten
Vorlagen hin. Von der orientalischen Orthodoxie wurden die Kopten
mit aufgenommen, weshalb dann nicht z. B. auch die Armenier?

Außer dem bereits Angedeuteten ließen sich noch viele kritische
Anmerkungen machen, so zu manchen historischen Aussagen des
Einführungsteils, dessen Gliederung und Überschriften nicht immer
mit dem Textteil übereinstimmen. Zu sagen wäre einiges zur Transliteration
, der z. T. unterschiedlichen Namenswiedergabe und zu
Mängeln bei den bibliographischen Angaben. Der Leser sollte erfahren
können, welchen Schriften Dostojewskis oder v. Harnacks die
gebotenen Zitate entstammen und nicht nur, welchen Sammelwerken
sie entnommen wurden. Die Auswahl für einen Quellenband erfolgt
natürlicherweise unter subjektiven Gesichtspunkten. Gewünscht
hätte man sich jedoch ein ausführlicheres Eingehen auf die heutigen
Beziehungen zu den evangelischen Kirchen, auch wenigstens eine
Erwähnung der vom Bund der Evang. Kirchen in der DDR geführten
Dialoge. Und völlig vermißt man Aussagen über die heutige Gemeinschaft
der Orth. Kirchen, die Problemlage bei der Vorbereitung der
panorthodoxen Großen und Heiligen Synode. Die Gesamtorthodoxie
wird nur im ökumenischen Bezug gesehen.

Aber dies soll mehr als Hinweis auf eine Weiterarbeit dienen.
Zumal das Werk nicht den Anspruch wissenschaftlicher Vollkommenheit
erhebt. Vielmehr will Thon für einen breiten Leserkreis „den
ihm möglichen bescheidenen Beitrag dazu liefern, daß die Kenntnis
über die Orthodoxe Kirche" zunehme, einerseits für das Selbstverständnis
der sich ausbildenden deutschsprachigen Orthodoxie,
„sodann aber auch im Sinne der Aussöhnung und Einheit aller Christen
" (S. 33). Hierfür bietet dieser mutige Versuch eine nicht zu unterschätzende
Grundlage, und so darf man dem Buch, wie es auch im
Vorwort des Bischofs Longin von Düsseldorf gesagt wird, eine weite
Verbreitung wünschen.

Berlin Hans-Dieter Döpmann

Jelich. Georg: Kirchliches Ordensverständnis im Wandel. Untersuchungen
zum Ordensverständnis des Zweiten Vatikanischen
Konzils in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche
„Lumen Gentium" und im Dekret über die zeitgemäße Erneuerung
des Ordenslcbens „Perfectae Caritatis". Leipzig: St. Benno Verlag
1983. XVI, 289 S. gr. 8* = Erfurter theologische Studien, 49.

Die Untersuchung hat sich zum Ziel gesetzt, „die Lehre des Zweiten
Vatikanischen Konzils über das Ordensleben darzustellen und die
-Stufen ihrer Entwicklung nachzuzeichnen" (V). Sie dokumentiert
„den mühevollen, aber so lebendigen und hoffnungsvollen Weg der
theologischen Auseinandersetzung in den Konzilsjahren 1962-65"
(a. a. O.).

Entsprechend gliedert sich die Arbeit in 2 Hauptteile. Sie verfolgt
erstens die Konzilstexte Lumen gentium und Perfectae caritatis in
ihrer historischen Entwicklung und entfaltet zweitens die Theologie
des Ordenslebens systematisch. Beiden Teilen vorgeschaltet ist ein
Rückblick auf das Ordensverständnis vor dem Zweiten Vat. Konzil.
Eine Zusammenfassung bündelt die Ergebnisse am Schluß.