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Ausgabe:

1985

Spalte:

682-683

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

L'area del ,santurio siriaco del Gianicolo'. 1985

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 9

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christlichen Kunst überhaupt nur mit einem hohen Aufwand an Propädeutik
geschrieben werden kann, will man ihrem komplizierten
Entstehungsprozeß und ihrem vielschichtigen Wesen gerecht werden.
Vieles, was über die C. A. als Wissenschaftsdisziplin zu sagen wäre,
hegt in der Geschichte des Fachs begründet, das sich seit dem 16. Jh.
m Rom als Werkzeug gegenreformatorischer katholischer Kirchengeschichtsschreibung
entwickelt hatte und erst allmählich zu einer
selbständigen altertumswissenschaftlichen Disziplin heranreifte. Die
hahnbrechenden archäologischen Forschungen des 20. Jh. in allen
einst zum Imperium Romanum gehörenden Gebieten, über die D. als
einer der wenigen Zeitgenossen heute wohl den besten Überblick besitzt
, sind im anschließenden Kommentarausführlich belegt.

Das christliche Begräbniswesen, das sich in Rom in der Entstehung
Oer ersten Gemeindefriedhöfe und in der Oikumcne in einer Vielfalt
von Begräbnisformen manifestierte, ist seinem Wesen nach als etwas
Neues nur begreifbar vor dem anschaulich dokumentierten Hintergrund
heidnischer. Begräbnistraditionen. Zweifellos sind Kalakom-
henbilder und christliche Sarkophage keine selbständigen „christlichen
" Kunstzweige, sondern integrale Bestandteile der spätantiken
Malerei und Plastik (S. 50f), aber das beweist m. E. nichts dagegen,
daß die ersten christlichen Werke innerhalb dieser beiden Gattungen
entstanden sind, werden doch in der Organisation des Begräbniswesens
unbestritten die frühesten monumentalen' Aktivitäten der
römischen Gemeinde faßbar. Unklar bleibt auch, was D. hier mit der
••allgemeinen religiösen Kunst des frühen Christentums" meint.
Offenbar schwebt ihm schon für das 3. Jh., analog zu der hier aufgerufenen
Abhängigkeit vieler Katakombenfresken des 4. Jh. von monumentalen
Apsiskompositioncn, die Existenz einer christlichen
Hausmalerei vor, die expressis verbis zu vermuten man sich angesichts
der archäologischen (Dura-Europos) und schriftlichen
(36. Kanon von Elvira, 306) Quellen über christliche Hauskirchen
Yprkonstant inischer Zeit nicht scheuen sollte. Die im Literaturanhang
'S. 51 II) gegebenen Stichworte haben zum vorausgehenden Text oft
keinen erkennbaren Bezug. Nur der Eingeweihte ahnt, daß sich z. B.
-Salona" (S. 52) auf S. 47 („Friedhöfe in der Oikumcne" bzw. „Friedhöfe
unter freiem Himmel") beziehen könnte, während Salona-
Manastirine selbst erst S. 53ff und S. 60 mit ^rneuten Nachweisen
* 65 behandelt wird.

Das Besondere des christlichen Märtyrerkultes, dersejion im 3. Jh.
seine Rolle bei der Ausbildung monumentaler christlicher Totcnkult-
anlagen zu spielen begann, erschließt sich nach D. nicht aus der Ableitung
vom heidnischen Hcroenkult, wie man lange gemeint hat, sondern
aus der genuin-christlichen Vorstellung von der bereits erlangten
Gottesgemeinschaft der Blutzeugen. Es gibt eine genügend große Zahl
früher Märtyrerstätten (Rom, Salona), die zeigen, daß in vorkonstan-
tinischer Zeit - im Gegensatz zum antiken Heroon - noch kein fester
Bautypus der Kultanlagcn existierte und die verehrten Gräber sich
nicht von den üblichen, heidnisch-christlichen Bestattungsformen unterschieden
. Dies wird zutreffend aus dem gespannten Verhältnis der
Gemeinden zum römischen Staat erklärt, das eine öffentliche Repräsentation
nicht zuließ. In der Kontinuität des Märtyrerkultcs sieht D.
das entscheidende Kriterium für die seit frühkonstantinischerZeit mit
einem Male aulblühendc kirchliche Bautätigkeit, besonders an den
römischen Märtyrerstätten. Obwohl die Märtyrerkirchen in den
Cöemetrien sich nicht wesentlich von Bischofs- und Gemeindekirchen
unterschieden, würde ich dennoch bezweifeln, daß sie darum
nicht mehr der Sepulkralarchitektur angehört hätten bzw. möchte fragen
, ob eine solche Unterscheidung dann überhaupt noch sinnvoll ist.
Vieles, was im Literaturanhang (S. 64ff) argumentativ kommentiert
wird, steht entweder schon im vorangehenden Text oder hätte besser
dort stehen sollen. Zum Stichwort „H. Dcmctrios von Thessalonikc"
findet man Literatur, obwohl der Bau bzw. das Märtyrergrab im Text
nicht erwähnt sind. Wer über das Register S. 404 unter „Konstantinopel
" erfahren will, wo die S. 62 erwähnte Studiosbasilika in diesem
Buch noch vorkommt, sucht das Stichwort dort vergebens.

Im folgenden Abschnitt wird das bereits S. 73 angedeutete Problem

der Architektursymbolik näher ausgeführt, wobei D. der Eigenentwicklung
funktional bestimmter Bautypen und ihren vielfältigen
Variationsmöglichkeiten entschieden den Primat vor jeglicher, sekundär
herangetragenen Ausdeutung gibt. Die nüchternen Schlußfolgerungen
basieren auf einer überzeugenden Kritik ..moderner" Deutungsversuche
und ihrer oft zweifelhaften hermeneutischen Grundlagen
. S. 102-108 bietet neben gezielter Auseinandersetzung ein
reiches und sorgfältig klassifiziertes Faktenmaterial, auf das allem jegliche
allegorische Auslegung von Bauformen, Bauteilen, Zahlenverhältnissen
etc. methodisch zu gründen wäre.

Daß erst dann das Kapitel über die Anfänge der christlichen Kunst
folgt (ein Kapitel, das zudem bis in das 5. Jh. reicht), nachdem schon
Wesentliches darüber in den Abschnitten IV—VII vorweggenommen
wurde, gehört zu den vielen Eigenwilligkeiten dieses Buches. Erst hier
beginnt also recht eigentlich das. was einer Einführung in die Geschichte
der christlichen Kunst am nächsten käme. In Auswahl und
Deutung der behandelten Werke dürfte D. prinzipiell die communis
opinio treffen; dort, wo er abweichende Ansichten vorträgt, wird man
ihm zumeist beipflichten müssen.

Das folgende Kapitel über die Sinndeutung der frühchristlichen
Bildkunst bietet die ebenbürtige Ergänzung des Abschnitts über die
Architektursymbolik. D.. seit jeher ein der wildwuchernden Bildexegese
äußerst kritisch gegenüberstehender Forscher, weist hier nachdrücklich
auf Grundlagen und Grenzen archäologischer Hermeneutik
hin. Auch das folgende Kapitel trägt vorwiegend methodischen Charakter
, indem Stil hier vor allem in der Vielfalt seiner konkreten Erscheinungsformen
, d. h. in der Bindung an Tradition. Auftraggeber.
Rezipienten, Material, Technik, Gattungsspezifisches oder dergleichen
dargestellt wird.

Auch im letzten, 160 Seiten umfassenden Kapitel geht es D. nicht
so sehr darum, die Entwicklung der Kunstgattungen innerhalb der
spätantiken Oikumcne aufzuzeigen, als vielmehr die Eigenart und
Differenziertheit regional begrenzter Phänomene in Architektur. Malerei
. Plastik und Kleinkunst synoptisch zu erfassen. Die Abschnitte
über die einzelnen Gattungen leiten also vom Grundsätzlichen und
Allgemeinen, wie es in den propädeutischen Kapiteln herausgestellt
worden war, zu den vielfältigen Besonderheiten hin. über die sich
Klarheit zu verschaffen oberstes Gebot sein muß, wollte man den Versuch
unternehmen, die Geschichte der spätantik-frühchristlichen
Kunst auf der Basis nur weniger und scheinbar wesentlicher „Hauptlinien
" zu schreiben. Man würdigt dieses Buch am besten durch eine
intensive Benutzung und Auseinandersetzung mit der darin enthaltenen
Summa lebenslanger, intensiver Forschertätigkeit, die stets von
dem sicheren Instinkt für das Vordringliche geleitet war. Fürdie wichtigsten
Monumente, für eine Fülle grundsätzlicher und spezieller Probleme
eröffnet D„ je nach dem thematischen Zusammenhang, den die
einzelnen Kapitel umreißen, die unterschiedlichsten Aspekte. Zu
intensiver Benutzung und zur Vertrautheit mit dem Text zwingt auch
die Mangelhaftigkeit des Registers (so vermißt man dort z. B. das
Christusrelief von Psamatia in Berlin, das S. 293 behandelt wird), wie
überhaupt ein sachkundiger und sorgfältiger Lektor viele dem Autor
zu verzeihende Versehen (z. B. S. 36. Corneliusgrab an der Via „Aure-
liä) hätte vemeiden helfen können.

Berlin ArneEflenbenjer

I.'area del .santurio siriaco del Gianicolo*. Problemi archeologici e
storico-religiosi. Prcsentazione di M. Meie. Testi di C. Macchcgiani
Carpano, R. Meneghini, J. C. Gysens. G. Piccaluga. M. Guarducci.
U. Bianchi, G. Montesi. Rom: Edizioni Quasar 1982. I17S. m.
35 Abb. gr. 8' = Ministero per i beni culturali e ambientali soprin-
tendenza archeologica di Roma.

In den Jahren 1908/10 wurde auf dem Janiculus ein Heiligtum ausgegraben
, dessen kultische Zuordnung umstritten blieb. Die 1981 /82
durchgeführten Nachgrabungen brachten kaum Neues und konnten