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1985

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Bibelwissenschaft

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651

Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 9

652

Auffassung als der Erschlossenheit alles Seienden schlechthin ab. weil die Frage
nach der dXljöeia bei Joh an der Frage nach dem Leben als dem eigentlichen
Sein des um sein Sein besorgten Menschen orientiert sei. Geschieht nun diese
Interpretation trotz der genannten Absetzung nach Bultmanns Auffassung auch
auf der Grundlage der existenzialen Analyse H.s. so ist doch zu fragen, ob sein
Verständnis der johanneischen dhjdeia nicht schon näher bei bestimmten
Gedanken aus H.s „Vom Wesen der Wahrheit" (zu dieser Schrift - 1943 in
1. Aufl. gedruckt, erstmals 1930 als Vortrag gehalten - als Dokument der
„Kehre" s. Tugendhat, E., Der Wahrheitsbegriff bei Husscrl und Heidegger.
Berlin 1970, 3770 steht als bei der existenzialen Interpretation der Wahrheit in
SuZ §44. Da hier nicht der Ort ist, dies näher zu begründen, werde ich das in
einer späteren Veröffentlichung tun.

" Vgl. auch Gethmann-Siefert, Annemarie: Das Verhältnis von Philosophie
undTheol. im Denken Martin Heideggers(Sym. 47), Freiburg-Münchcn 1974.
146: „Zugleich wird Bultmanns Verwendung dieses Begriffs (sc. Geschichtlichkeit
) aber entscheidend durch die theol. Intention der Frage modifiziert. Bultmann
untersucht nämlich die ontisch-existenziellen Texte der Offenbarung auf

den in ihnen vorausgesetzten Begriff der Geschichtlichkeit."; ib. 147: Bultmann
arbeitet „zunächst immer die ontologischen S,trukturbegrifle der (Paulinischen
und Johanneischen) Theologie" heraus, „um dann ihre ontischen Konsequenzen
abzuleiten".

Die Neuherausgabc von B.s „Theologie des Neuen Testaments" durch
Otto Merk in 9. Aull, ist auch ein sehr begrüßenswerter Beitrag zum Bultmann
-Jahr. Merk hat die von Bultmann den einzelnen Paragraphen ursprünglich
vorangestellte Literatur durch neuere, heute relevante Lit. ersetzt und somit
den Wert des Buches erheblich gesteigert. Bultmanns eigene Literaturangaben
bilden nun den [. Anhang; im II. Anhang sind (wie schon entsprechend in der 7.
und 8. Aufl.) zusammengestellt: I. Rezensionen von Bultmann, Theol. des NT:
II. Exegetische Werke Bultmanns (1965-1976); III. Neuere Gesamtdarstellungen
der Theol. des NT (1965-1983/84); IV. Ausführlichste Literaturangaben
zu S. I -600 für die Jahre 1965-1983/84 (in chronologischer Anordnung).

" Hübner, H.: Politische Theologie und existentialc Interpretation, Zur Auseinandersetzung
Dorothee Sölles mit Rudolf Bultmann. Witten 1973.

14 Ib. 40-42.

Bibelwissenschaft

Gunn, Giles [Ed.]: The Bible and American Arts and Ix'tters. Philadelphia
, Pa.: Fortress Press: Chico. CA: Scholars Press 1983. XII,
244 S. gr. 8" = SBL. The Bible in American Culture, 3. Lw.
$ 15.95.

In diesem Bd. behandelt Herbert Schneidau Grundzüge der Stellung
der US-Dichtung zur Bibel, Edwin Cady und Rowland A. Sherrill den
US-Roman des 19. und 20. Jh. William H. Shurr das US-Drama am
Beispiel von Eugene O'Neills „Lazarus Laughed", Clifford E. Clark
die US-Architektur, Edwin M. Good die US-Musik, John W. Dixon
die US-Malerei und Daniel W. Patterson die Volkskunst in den USA,
immer bezogen auf deren Verhältnis zur Bibel. Am Schluß steht der
Essay von Sacvan Bercovitch über „Die biblische Basis des amerikanischen
Mythos", der wie die anderen Beiträge verdeutlicht, wie zentral
das fromme Erwählungsbewußtsein der in die nordamerikanischen
Kolonien ausgewanderten Puritaner, auf ihre neue Heimat angewandt
, so daß das neue Israel sich an das vorgeblich neue Kanaan
gewiesen sah, an der Wiege der Geschichte der USA steht. Bercovitch
arbeitet gut heraus, daß dieses Selbstbewußtsein seit dem 19. Jh.
gründlich säkularisiert wurde, sich aber in dieser Transponierung
weithin durchhielt und - etwa in Reden des Präsidenten Reagan -
äußerst problematische Formen annahm.

Der biblische Bezug, der in allen Beiträgen immer wieder aufgewiesen
werden soll, begegnet also seit langem ganz vorrangig in einer fundamentalen
Umdeutung, die entsprechend dem heutigen geistigen
Pluralismus sehr vielgestaltige Formen annehmen konnte. Meine kritische
Grundfrage an die an sich so informativen und reichhaltigen
Aussagen ist, ob man bei einem solchen Ausmaß an Umdeutung wirklich
noch von einerechten Beziehung auf unsere grundlegende Glaubensurkunde
sprechen kann. Da ich der Civic Religion sehr distanziert
gegenüberstehe, werte ich hier im einzelnen ganz anders als die
Autoren dieses Bdes. Immerhin bleibt es natürlich trotzdem sehr
interessant, in welchem Ausmaß auch US-Künstler des 20. Jh. sich -
wenn auch oft in sehr willkürlich erscheinender Art - von biblischen
Themen und Stoffen inspirieren lassen. Und daß sich darin - zumindest
unterschwellig - biblisch-christliche Tradition weiterhin zu
Wort meldet, leugne auch ich nicht. Im übrigen zeigen viele der VIT.,
daß gerade auch das kritische Element der Bibel sich vernehmbar zu
artikulieren weiß und zumal im 20. Jh. intensiv zu Kultur- und oft
auch Gesellschaftskritik genutzt wird. Ob sich dies wirklich bis in die
Architektur und Teile der abstrakten Malerei der Gegenwart hinein
auswirkt, vermag ich nicht zu beurteilen, und ich kann naturgemäß
erst recht auf dem mir zur Verfügung stehenden Raum dem Leser keinen
Eindruck vom geistigen Reichtum dieses Buches vermitteln, das
ich geradezu mit Spannung gelesen habe, da er mir viele willkommene

Einblicke in die Entwicklung der Kunst in allen ihren Erscheinungsformen
in den USA (und z. T. auch in Kanada) vermittelt hat.

Mein größtes Interesse galt den 4 Beiträgen über die US-Belletristik
mit sehr erhellenden Aussagen z. B. über Whitman, Emily Dickinson.
Hawthorne, Harriet Beecher Stowe, Mark Twain, Stephen Crane,
aber auch Robert Frost, O'Neill, T. S. Eliot, K. A. Porter, Hemingway
, Carson McCullers, Joseph Heller, John Updike, Mailer, Capote,
Vonnegut, Arthur Miller, Tennessce Williams und Edward Albec -
Autoren, die auch bei uns einem gebildeten Menschen wohl vertraut
sind, während er im allgemeinen von Musik und Malerei in den USA.
die keine Weltgeltung erlangt haben, nur wenig wissen wird. Da ist
nun doch der das landläufige Bild erheblich in Frage stellende Nachweis
sehr aufschlußreich, daß die großen Schriftsteller des 19. Jh. -
mit einer gewissen Ausnahme von Frau Stowe - der puritanischen
Tradition bereits sehr entfremdet waren, während viele Schriftsteller
des 20. Jh. gerade im Zeichen eines individualistisch-subjektivistisch
geprägten und die alten moralischen Leitwerte gründlich verneinenden
„Antinomismus" biblische Themen und StolTc - neben solchen,
die der griechisch-römischen Antike entlehnt sind - nutzen, um
inmitten eines rapiden Wertverfalls wenigstens partikuläre und vorläufige
Antworten auf die Sinnfrage des Lebens zu geben. Wie wenig
freilich solche Antworten in der Regel als christlich gelten können,
mag man sich an O'Neills Lazarus-Drama verdeutlichen, wo auf der
Grundlage alter Legenden das ntl. Lazarus-Bild und die biblische
Sicht von Welt und Mensch fundamental revidiert wird, wie dies in
ganz anderer Weise auch etwa in T. Williams' Drama „Orpheus steigt
herab" einschließlich seiner Vorstufen geschieht.

Sehr aufschlußreich ist auch für den Kirehenhistorikcr der Aufsatz
über die höchst unterschiedlichen Ausprägungen religiöser Volkskunst
in den USA seit der Kolonialzeit. Dabei kommen nacheinander
zur Erörterung: die Bemalung von Ostereiern, die sehr vielgestaltige
und beständige spanische kath. Volkskunst in Neu-Mexiko einschließlich
der Kunst der franziskanisch inspirierten Laienbewegung
der Penitentes, die Kunst der deutschen Einwanderer in Pennsylvania
, Spirituals und Volkspredigten in englischsprachigcr Tradition
unter dem Einfluß von Erweckungen, bei den Shakers und in den
afroamerikanischen Gemeinden.

Rostock Gert Wendelborn

Hagemann. Ludwig: Propheten - Zeugen des Glaubens. Koranischc und
biblische Deutungen. Graz-Wien-Köln: Styria 1985. 207 S. 8' = Islam und
westliche Welt, 7.

Im l ande der Verkündigung. Texte und Bilder zum Neuen Testament. Unter
Zugrundelegung des Textes von D. Alexander übertr. u. bearb. von K. Matthiac
u. H. Reum. Berlin: Evang. Vcrlagsanstalt 1984. 155 S. m. zahlr. färb. Abb. u.
Taf. gr. 8'. geb. M 16.80.