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Ausgabe:

1985

Spalte:

636-638

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Titel/Untertitel:

Handbuch für die Konfirmandenarbeit 1985

Rezensent:

Adam, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 8

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Ausdrucksweise hinein deutlich, wenn etwa ein Leitender Angestellter
einer Firma dem Betriebsseelsorger vorwurfsvoll sagt: „Sie sind
doch nur Pfarrer für die da unten und nicht für die Leitenden."
(S. 101) Hier braucht man nicht Klassen zu konstruieren, sondern hier
gibt es sie! Im Text wird indes mehrfach von „Werkshierarchie"
(S. 102) gesprochen.

Doch zunächst zum Aufbau und Inhalt des Buches, das sich an der
Methode des Gründers der „Christlichen-Arbeiter-Jugend" (CAJ)
Joseph Cardijn orientiert. Diese besteht in einem Dreierschritt:
Sehen-urteilen-handeln. ganz ähnlich dem dreifachen „unbedingt
realistisch", „unbedingt kritisch" und „unbedingt konkret", das
Alfred Dedo Müller in vielen seiner Äußerungen vertrat.

Demzufolge bietet das 1. Kapitel (S. 19-58) vor allem ausdrückliche
Berichte aus der Arbeiterwelt, sei es, daß Arbeiter selbst über das
beschwerende Schicht- und Akkordsystem berichten oder zum
Thema Betriebsrente bzw. Arbeitslosigkeit Stellung nehmen, oder daß
Tagebuchauszüge eines Betriebsseelsorgers - in diesem Falle des
Pastoralreferenten in der Arbeitsstelle für Betriebsseelsorge in Frankfurt
-Hoechst Franz Segbers - Einblicke in Fabrikerfahrungen gewähren
.

Interessant und aufschlußreich ist sodann der Abschnitt, in dem
Betriebsrat und Gewerkschaften ihre Bemühungen um Mitbestimmung
erkennen lassen, wobei gute sachliche Informationen aus dem
Gewerkschaftsbereich und aus der katholischen Soziallehre, jeweils
graphisch vom laufenden Text abgehoben, zum vertieften Sehen,
denn darum geht es zunächst, anleiten. Auch Lesehinweise dienen der
Vertiefung in die Problemstellung.

Im 2. Kapitel geht es um das Urteilen aus der Lebenslage der Arbeiterschaft
unter Einbeziehung der Forderungen des Evangeliums
(S. 59-109). Hier wird die systematische Benachteiligung des Arbeiters
aus der Sicht eines Gewerkschafters und eines Sozialethikers
(Werner Krämer) abgehandelt. Sodann wird gezeigt, auf welche Weise
die Kirche in der Arbeiterwelt präsent ist oder sein könnte: durch die
Betriebsseelsorge, durch die KAB (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung
), durch die CAJ und nicht zuletzt durch die Kirchgemeinde
selbst. Ob die Kirche auch eine Kirche der Arbeiter wird, entscheidet
sich dabei „weniger aus ein paar raffinierten Kniffen und Methoden
als vielmehr an der inneren Einstellung all derer, die sich Christen
nennen" (S. 79). Das ist jedenfalls die Ansicht von Paul Schobel,
Industriepfarrer bei der Betriebsseelsorge Böbblingen. Ob das wohl
genügt? Immerhin findet sich in diesem Abschnitt der eigens gerahmte
„Merksatz: Wer Arbeiterpastoral betreibt, muß zur Parteinahme bereit
sein und aus Liebe kämpfen lernen." (S. 81) Von Erfahrung getragen
ist der andere „Merksatz: Wer Arbeiterpastoral betreibt, muß
zum Sprachrohr werden für die Betroffenen. Doch wer sich einsetzt,
setzt sich aus . . ." (S. 83)

Das 3. Kapitel ist dem Handeln in der Nachfolge Jesu gewidmet
(S. 111-165). Es wird von Aktionen (teilweise zusammen mit der
ev. Kirche) gegen die Betriebsstillegung bei Videocolor in Ulm berichtet
sowie von Begegnungen mit Betriebsräten. Auch ein Betriebsbesuch
wird ausführlich geschildert. Sodann berichtet ein Abschnitt
über den Versuch, katholische Soziallehre „von unten" zu sehen und
sie in der Form der Arbeiterbildung einem größeren Kreis Interessierter
nahezubringen. Auch eine Lehrlingsaktion der CAJ wird beschrieben
. Besonderes Gewicht erhält schließlich die „Arbeitslosen-Selbsthilfe
e. V." in Mönchengladbach, die sich aus dem bloßen „Arbeitslosentreff
' entwickelt hat. Für diese Aktivitäten der Betroffenen ist
der Satz charakteristisch: „Wir wollen uns mit unserer Situation nicht
abfinden!" (S. 138)

Den Abschluß dieses stark informativen Kapitels bilden Materialien
für einen ökumenischen Gottesdienst am 1. Mai und zur Kreuzwegandacht
unter dem Thema „Menschenwürde und Rationalisierung
" sowie Lieder und Gebete für die Arbeiterwelt. Auch eine Meditation
samt Predigt zu Mt 20,1-7 wird vorgestellt.

In einem kurzen 4. Kapitel wird schließlich die Dreierschritt-
Methode einer Arbeiterpastoral, nach der das gesamte Buch aufgebaut

ist, in systematischer Form dargeboten, bereichert durch eine
„Lebensbetrachtung" (im Originaltext „Revision de vie" genannt),
die Fragebogenform hat und als Hilfe für den Anfänger in der Seelsorge
an Werktätigen verstanden sein will (S. 172). Ein Bericht aus der
Praxis mit dieser Art der Lebensbetrachtung, von Franz Segbers verfaßt
, schließt dieses Buch der Arbeiterpastoral ab (S. 176-183).

Außer den beiden Herausgebern haben an dieser Publikation weitere
13 Autoren mitgearbeitet. Neben zwei Frauen sind es Männer,
die Theologie und teilweise auch Sozialwissenschaften studiert haben.
Der älteste Verfasser gehört zum Jahrgang 1919, alle übrigen haben
erst nach 1945 ihre eigentliche Ausbildung erhalten. Dadurch wird
um so mehr das Bemühen der katholischen Kirche deutlich, Kirche
und Arbeiterschaft näher zueinanderzuführen und dies mit Hilfe geschulter
und einsatzwilliger Betriebsseelsorger bzw. Industriepfarrer,
die jedoch nicht mit den nur in geringer Zahl existierenden „Arbeiterpriestern
" verwechselt werden dürfen.

Das Buch macht deutlich, daß es sinnvoll ist, zunächst eine „unbedingt
realistische" Situationskenntnis anzustreben, sodann den kritischen
Maßstab anzulegen, der im Evangelium seine Norm hat, um zur
Aktion zu finden, die immer den Ausweg als Ziel im Auge behalten
muß. So bemüht man sich redlich um eine Arbeiterpastoral unter den
gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen eines kapitalistischen Staates
. Man ist sogar erstaunlich kritisch gegenüber Einzelerscheinungen
in Kirche und Staat. Nur die Veränderung des gesamten Wirtschaftsund
Sozialsystems steht nicht zur Diskussion.

Hier liegen die Grenzen dieses Buches, und dies um so mehr, wenn
man diese Berichte und Darlegungen als Bürger eines Staates liest,
dessen Gesellschaftssystem nach 1945 a radice verändert wurde.

Leipzig Gottfried Kretzschmar

Praktische Theologie:
Katechetik/Religionspädagogik

Handbuch für die Konfirmandenarbeit. Hrsg. vom Comenius-Institut
in Verb, mit dem Verein KU-Praxis. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn 1984.448 S. gr. 8". geb. DM 32,-.

Das vorliegende Handbuch informiert über den gegenwärtigen
Stand der Diskussion um die Konfirmandenarbeit in der BRD und
will zugleich eine Orientierungs- und Fortbildungshilfe sein. Demgemäß
richtet es sich vor allem an diejenigen, die für dieses Arbeitsfeld
primär verantwortlich sind oder darauf Einfluß nehmen: die Pfarrer
und pädagogischen Mitarbeiter, Eltern und Mitglieder der gemeindlichen
und kirchenleitenden Gremien und alle ehrenamtlich und
außerberuflich im Konfirmandenunterricht engagierten Gemeindeglieder
, zudem noch Hochschullehrer und Studierende der Theologie
und Religions-/Gemeindepädagogik.

Das Handbuch ist praxisbezogen konzipiert, obwohl die Einzelbeiträge
nicht intendieren, Unterrichtshilfen im engeren Sinne zu sein,
vielmehr geht es um den Entwurf eines Orientierungsrahmens für die
Konfirmandenarbeit. In seinen 28 Beiträgen bearbeiten 22 Autoren
wichtige Fragen dieses Arbeitsfeldes. Ein einführender Artikel „Zum
Diskussionsstand des Konfirmandenunterrichts in der EKD" skizziert
die Diskussion zum Konfirmandenunterricht in den letzten
zwanzig Jahren. Dem schließen sich Artikel zu sieben Themenbereichen
an. Dabei geht es um (I) die Unterrichtenden, (2) die Konfirmanden
, (3) die Gemeinde, (4) die Konfirmandeneltern, (5) Konzeption
und Planung", (6) Methoden, Medien, Arbeitsformen und (7)
Konfirmandenarbeit in gemeindepädagogischer Verantwortung. Ein
Anhang enthält informative und präzise Literaturhinweise zur Konfirmandenarbeit
, ein Autorenverzeichnis, Schlagwortregister sowie
Informationen über den Literaturdienst zum Konfirmandenunterricht
beim Comenius-Institut, der durch die In-Dienststel!ung eines
EDV-Systems für den Bereich Religionspädagogik/kirchliche Bil-