Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1985

Spalte:

624-625

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Ganoczy, Alexandre

Titel/Untertitel:

Einfuehrung in die Dogmatik 1985

Rezensent:

Frey, Christofer

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

623

Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 8

624

Jesu beschäftigt - an den Vater Karl Ägidius vom 13.9. 1773 zu den
seit 1783 verfaßten Briefen (Reinholds Briefwechsel aus der Zeit
zwischen der Auflösung der SJ und seiner Hinwendung zur Loge,
Reinhold an Blumauer, der ihn im April 1783 proponierte, ist nicht
erhalten). Die Aufhebung der SJ sah der Novize durch die „Sitten-
losigkeit unsrer heutigen Welt und leider auch der Lauigkeit unsrer
Novizen" mitbedingt; die Bet- und Bußtage, bei denen die Novizen
sitzend auf dem Fußboden, auf den Häuptern statt der Barette Stroh-
,kränze, aßen, sich zusätzlich zu den Geißelstreichen auf dem Rücken
noch „eine Spanische" auf dem Gesäß erteilen ließen, waren vorbei,
das Beten der Ave Marias auf dem Billardtische ausgespielt worden
(S. 1.3); im Schockerlebnis der Aufhebung tröstete sich Reinhold mit
der Prophezeiung, die SJ werde zwar der List und Gewalt der Feinde
unterliegen, „um in kurzem mit desto größrer Herrlichkeit wiederhergestellt
zu werden" (S. 4) und wurde aus seiner „Gewissensangst", ob
denn Clemens XIV. unfehlbar sein könne, durch die Distinktion des
Rektors Franz Krauslcr befreit, der Papst habe doch nicht ex cathedra,
sondern „ex curia, die eigentlich nicht der heilige Geist, sondern auch
oft irdische Staatsklugheit zu regieren pflegt", gehandelt (S. 8). Der
Barnabitenpriester, Novizenmeister und Lektor der Philosophie
Reinhold sehnte dann die „verbotenen Früchte Aufklärung und
Wahrheit" in der und durch die Loge herbei und sprach von seiner
Profeß als einem „unüberdachten Schwur" (an Blumauer, vor dem
16. 4. 1783, S. 9.1 l.)..Die folgenden Briefe zeigen Reinholds starkes
Engagement in maurerischen Fragen und seine unter Wiclands Einfluß
erfolgte Hinwendung zur Belletristik und Publizistik bei aller
Dominanz philosophischer Interessen. Born, derSarastro der Zauberflöte
, hatte ihm gleichfalls geraten, „im Nahmen des höchsten Baumeisters
nach Weimar" zu reisen (S. 180 - und Weimar wurde zunächst
Reinholds Schicksal. Schon bald empfand er die unter der Zensur
leidende österreichisch-süddeutsche katholische Welt nicht mehr
als Heimat.

Für die literarische Produktion und geistige Welt der deutschen
Spätaufklärung kann Reinholds Brief an Nicolai (26. 1. 1787) als
exemplarisch gelten (S. 179 ff). Er zeigt auch die vorbildliche herausgeberische
Leistung mit seiner fast überreichen Kommentierung gut auf.
Gottlieb Leons Brief aus Wien (6. 4. 1787) gibt sehr gut die Stimmung
in Wiens Freimaurerkreisen nach Josephs Freimaurerpatent und dem
Decken Borns (21.8. 1786) wieder: „daß unsere Brüderschaft nun so
gut als eine Nulle ist" (S. 211).

Auch wird ein weiterer für die Geistes- und Kulturgeschichte dieses
Jahrhunderts instruktiver Aspekt durch die Briefe von und an Sophie
Reinhold gut illustriert: Die Stellung der Tochter eines berühmten
Dichters und Frau eines bekannten Maurers im Freundeskreis.
Typisch ist der Alxingerbrief an Sophie Reinhold (?27. I. 1788). der
attestiert wird, daß sie „alle neun Monathe, es sey nun Messe oder
nicht ein Werk edire", und die „ihre kleine Huldgöttinn . . . dreymahl
in" Alxingers Namen küssen soll (S. 325). Auch der Brief des besorgten
Großvaters Christoph Martin Wicland (nach dem 17.5. 1788) ist
für das Leben in Deutschland im ausgehenden 18. Jahrhundert eine
interessante Quelle (S. 3680- Auf die seiner Frau übermittelte Nachricht
von der Erkrankung Karoline Reinholds habe er sich mit Geheimrat
Hufeland in Verbindung gesetzt. Auch dieser rate, „dem
Kinde einen schwachen Abguß von China, auf jede schikliche Art
(wenn es auch in Bier wäre, falls sie ihn nicht nehmen wollte) beyzu-
bringen". Die Suppen dürften keine Fettaugen enthalten. Vertrauen
aber müsse man Gott und - dem Hausarzt: „Übrigens habt nur völliges
Vertrauen auf Starken" (i. e. Johann Christian Stark) „und auf den
lieben Gott, neben her, so wirds schon gut gehen." (S. 369) Die Reihung
erfolgt nun, nach der theologischen Neuakzentuicrung der Spät-
aufklärungszeit. nicht mehr so, wie etwa zur Zeit der Hochaufklärung
(von der der Orthodoxie und des Pietismus ganz zu schweigen!) -
zuerst Vertrauen auf Gott, dann auf den Arzt, sondern umgekehrt:
„neben her", neben dem Arzt, kann man auch dem lieben Gott vertrauen
. Viele solcher Sätze machen diese gelungene Briefedition zu
einer wertvollen Quelle nicht nur für Lebensweg, Arbeitsvorhaben

und Bekanntenkreis der Reinholds, sondern für die Mentalität
Deutschlands und Österreichs im ausgehenden 18. Jahrhundert. Dem
nächsten Band dieser vorbildlichen Edition kann mit großem Interesse
entgegengesehen werden.

Wien Peter Friedrich Barton

Systematische Theologie: Dogmatik

Ganoczy, Alexandre: Einführung in die Dogmatik. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1983. XV, 214 S. 8'. = Die
Theologie. Einführung in Gegenstand, Methoden und Ergebnisse
ihrer Disziplinen und Nachbarwissenschaften.

In der offensichtlich interkonfessionell konzipierten Reihe „Die
Theologie", vom Verlag als Reihe einer „Einführungen in Gegenstand
, Methoden und Ergebnisse ihrer Disziplinen und Nachbarwissenschaften
" vorgestellt, hat der katholische Würzburger Dogmatiker
Ganoczy eine „Einführung in die Dogmatik" verfaßt. Im Grunde
sollte das Buch „Einführung in die katholische Dogmatik" heißen,
wie das auch auf S. 2 formuliert ist, in den langen Erörterungen zu
zwei Mariendogmen (S. 73 ff) oder in den Abschnitten zu Methoden
katholischer Dogmatik (S. 130ff) heraustritt. Evangelische Theologie
bzw. Dogmatik führen in diesem Buch ein Schattendasein, was sich
u. a. auch an den Verschreibungen der Namen wichtiger Gestalten der
evangelischen Theologiegeschichte zeigt (J. L. von Morheim statt
Mosheim - S. 3 Anm. 5, Callixt statt Calixt - S. 129). Das entbindet
den Rezensenten jedoch nicht davon, die Anliegen des Vf. sorgfältig
nachzuzeichnen:

Die Einführung besteht aus sehr ungleichgewichtigen Teilen. Ein
erster Teil von 10 Seiten assoziiert kritische Einwendungen gegen
Dogmatik, die sich unter dem Stichwort „Dogmatismus" zusammenfassen
lassen. Die Auswahl der Einwendungen ist subjektiv geprägt
und nicht von einer theoretischen Gesamtsicht geordnet. Besonders
hat sich der Vf. auf den immer wieder zitierten Hans_Albert fixiert
(wobei das Proprium des Fallibilismus bzw. kritischen Rationalismus
sicher nicht hervortritt). Der weitaus größte, der zweite Teil steht
unter der Überschrift „Dogma" (117 S.). Seine erste Hälfte entspricht
einer historisch vorgehenden Monographie zum Begriff des Dogma.
In der zweiten sind spezifische Hinweise auf die Dogmenbildung der
katholischen Kirche bzw. durch das katholische Lehramt gesammelt.
Ein dritter Teil von 68 S. widmet sich der Dogmatik, wobei die her-
meneutischen Ansätze des Protestantismus und die sogenannte dialektische
Dogmatik bzw. existcntiale Theologie etwas wie Alibifunktionen
im Rahmen eines sonst wenig ökumenischen Buches haben.

Das theologische Urteil im Blick auf die Dogmenentwicklung im
langen zweiten Teil wird sicherlich nicht dem protestantischen Leser
allein etwas unklar bleiben. Der Vf. muß nämlich versuchen, miteinander
widerstreitende Elemente und Entwicklungen in Verbindung zu
bringen: die antimodernistische Linie der Päpste des 19. und frühen
20. Jahrhunderts mit der Absicht, wirklichkeitsbezogene Dogmatik
zu treiben; den Anspruch des römischen Lehramtes mit einer Kirchentheologie
, die in der Gesamtheit der Kirche die Glaubensüberlieferung
sich entfalten läßt; das Eigengewicht mariologischer Frömmigkeit
, die sich in speziellen Mariendogmen äußert, und die wieder stärker
gewordene biblische Begründung im dogmatischen Gesamtzusammenhang
. Der Vf. wählt die denkbar mildeste Interpretation für
die Beschlüsse des tridentinischen Konzils, für die dogmatischen Konstitutionen
des 1. Vatikanums (u. a. Pastor aeternus) und vor allem für
den antimodernistischen Syllabus von 1864. Dem letzteren schreibt er
sogar eine positive Theorie der Dogmenentwicklung zu (S. 66f).
Allerdings sieht er keine mögliche Verbindung zwischen dem Dogma
der unbefleckten Empfängnis Mariens (S. 67) und der antimodernistischen
Polemik des Lehramtes. Offenkundig treten auch für diesen Vf.
mit so einer integrativen Tendenz allzu große Spannungen in der Dogmenentwicklung
der römischen Kirche auf. Auf S. 69ff wird dann der
sogenannte Modernismus gewürdigt. Denn der Gedanke der Entwick-