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Ausgabe:

1985

Spalte:

617-618

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Glaube und Kirchenreform 1985

Rezensent:

Lohse, Bernhard

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Seite 1

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617

Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 8

618

(89-92). Urkunde Nr. 116 bringt eine gefälschte Urkunde, in der
Papst Agapet II. im Streit zwischen den Erzbischöfen von (Passau)-
Lorch und Salzburg 948 entschieden haben soll. Die Urkunde gehört
zu den Fälschungen, die auf Bischof Pilgrim von Passau (971-991)
zurückgeführt werden. Behauptet wurde eine angebliche Verlegung
des altchristlichen Bistums Lorch nach Passau in der Völkerwande-
rungszeit, mit der die Selbständigkeit Passaus begründet werden sollte.
Urkunde 154 enthält die Errichtung des Erzbistums Magdeburg am
12. 2. 962 durch Papst Johannes XII. nach der Kaiserkrönung Ottos I.
(281-284). Das Original ist verloren, Kopien aus dem II., 12. und
15. Jahrhundert liegen vor, dazu 18 Editionen. Die Nummern 269
und 270 betreffen die Aufhebung des Bistums Merseburg im September
981 durch Papst Benedikt VII. (526-531). Die Mehrzahl der
Urkunden betrifft Vorgänge in Italien, doch gehören auch Erzbischöfe
von Hamburg und von Canterbury zum Kreis der Empfänger. Inhaltlich
geht es überwiegend um Bestätigungen von Besitzansprüchen.

Der geplante 2. Band mit den Nummern 326-630 für das halbe
Jahrhundert von 996-1046 wird wohl auch Register enthalten, die die
Benutzbarkeit des Bandes erhöhen. Man wünscht dem Editionsunternehmen
einen zügigen Fortgang bei jener hohen Qualität, die dem
vorliegenden Bande zu bescheinigen ist.

Rostock Gert Haendler

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Luther, Martin: Glaube und Kirchenreform. Bearb. von Helmar Junghans
. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1984. 272 S. 8" = Martin Luther
Taschenausgabe, 2. M 9,20; Ausland 13,50.

Mit dem Erscheinen des zweiten Bandes der Martin Luther
Taschenausgabe liegt diese Edition nunmehr abgeschlossen vor.' Der
jetzt veröffentlichte Band ist von Helmar Junghans mit großer Sorgfalt
herausgegeben worden. Er ist dem weitgespannten Thema „Glaube
und Kirchenreform" gewidmet, wobei diese Überschrift nicht den beiden
Teilen von Texten folgt, wie sie in dem Band begegnen, sondern
im Sinne Luthers den Akzent mit sachlichem Recht zunächst auf den
Glauben, sodann auf die Kirchenreform legt.

Nach einem Verzeichnis der Abkürzungen (6) folgt eine kurze Einführung
(7-21), in welcher Junghans einiges zur Theologie Luthers
und insbesondere zur Auswahl der hier gebotenen Texte sagt. Was den
Ablaß betrifft, der hier wegen des Abdrucks der 95 Thesen kurzer
Erläuterung bedarf, so schildert Junghans nicht nur die Bedeutung des
Ablasses für den spätmittelalterlichen Menschen, sondern auch die
Preisrelation zwischen Ablaßbriefen und durchschnittlichen Einkünften
. 11 ff werden die Grundzüge von Luthers Vorstellungen über eine
Kirchenreform umrissen. 19-21 folgen Hinweise zum Toleranzproblem
im 16. Jahrhundert und besonders bei Luther.

Der erste, umfangreichere Teil ist sodann Texten zur „Kirchenreform
" gewidmet (23-223). Hier werden folgende Texte in Übersetzung
oder modernisiertem Deutsch geboten: die „95 Thesen zum
Ablaß"; der Sermon „Ablaß und Gnade"; „An den christlichen Adel
deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung"; „Die Freiheit
eines Christen"; Luthers „Rede vor dem Wormser Reichstag";
die „280 Thesen zu den Gelübden"; „Die Bedeutung der humanistischen
Studien für die zukünftigen Theologen" (De non contemnen-
dis Studiis humanioribus futuro Theologo . . .); „Der Widerruf der
Lehre vom Fegefeuer"; der Sendbrief „Das Dolmetschen und die Fürbitte
der Heiligen". Der wesentlich kürzere zweite Teil (225-271)
bringt zwei Texte, nämlich einmal „Ein Glaubensbekenntnis" aus
Luthers Schrift „Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis" (1528), sodann
..DieSchmalkaldischcn Artikel".

Wie in den früheren Bänden, so sind auch hier, wie bereits aus dieser
Wiedergabe des Inhalts deutlich wird, auch die Buchtitel modernisiert
worden. Da jedoch bei jeder einzelnen Schrift in den einführenden
Erläuterungen die ursprüngliche Fassung des Titels genannt und
zudem in vielen Fällen auch die Titelblätter der Erstdrucke in Kopie
beigegeben sind, kann derjenige, der sich noch weiter informieren will,
ohne Schwierigkeiten sich zurechtfinden. In den Einführungen zu den
einzelnen Schriften ist gelegentlich auch auf eine wichtige einschlägige
Untersuchung verwiesen worden.

Die Auswahl der abzudruckenden Texte dürfte bei diesem Band
schwieriger gewesen sein als bei anderen Bänden. Es wäre unangemessen
, darauf zu verweisen, daß man auch gern diesen oder jenen
anderen Text hier gesehen hätte. Die hier abgedruckten Texte sind
mit Überlegung ausgewählt worden. Gut ist es, daß jeweils ganze
Schriften abgedruckt sind. Auf diese Weise erhält der Leser einen sehr
viel zuverlässigeren Eindruck von Luthers Argumentation, als wenn
jewei ls nur Auszüge geboten worden wären.

Was die Übersetzung oder Modernisierung der Texte betrifft, so
steht ein Herausgeber hier bekanntlich ebenfalls vor großen Schwierigkeiten
. Zur Überprüfung habe ich die Übersetzung von Luthers
Rede vor dem Wormser Reichstag sowie die Modernisierung von
Luthers Glaubensbekenntnis von 1528 Wort für Wort verglichen und
keinen Anlaß zu einer Beanstandung gefunden. Hingewiesen sei
jedoch auf eine Entscheidung des Herausgebers, die vielleicht nicht
allenthalben Zustimmung finden wird. S. 124 bei den bekannten
„Thesen" in Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen
" ersetzt Junghans das Wort „untenan" durch „verpflichtet", so
daß man hier liest: „Ein Christ ist ein freier Herr über alle Dinge und
niemandem verpflichtet. Ein Christ ist ein dienstbarer Knecht in allen
Dingen und jedermann verpflichtet." In einer Anmerkung verweist
Junghans auf Luthers Verwendung des Wortes „Untertan", sagt dann
aber, daß er dieses Wort nicht habe übernehmen wollen, da „Untertan
" häufig mit der Vorstellung Jemandes Willen völlig unterworfen
sein" verbunden werde; der Untertan gelte als „ein dem Obrigkeitsstaat
gegenüber kritikloser, devoter, untertäniger Staatsbürger", was
aber ganz und gar nicht im Sinne Luthers sei. An solchen Stellen wird
wohl jede Lösung, für die sich ein Herausgeber entscheidet, hier oder
da auf Kritik stoßen. Die Ausführungen in der Anmerkung mit dem
Hinweis auf Luthers ursprünglichen Text lassen jedoch die Entscheidung
von Junghans als voll vertretbarerscheinen.

Auf einige kleine Versehen oder Mängel sei hingewiesen. 36 Anm. 2: Nicht
glücklich erscheint es, wenn bei den knappen Erläuterungen zu Thomas dieser
schlichtweg als „Begründer des Thomismus" hingestellt wird. - 56 Anm. 16:
Bei den kurzen Bemerkungen zu Konstantin dem Großen hätte erwähnt werden
sollen, daß die Toleranz den Christen bereits durch Galcrius3II gewährt
wurde, um deutlich zu machen, daß die Wende in der römischen Religionspolitik
nicht nur die persönliche Entscheidung Konstantins war. - 64: Da früher
bereits (II (die Vita Albrechts von Mainz kurz umrissen war. hätte hierein Verweis
genügt. - 73 Anm. 31: Bei der Erläuterung der Stellung eines Primas hätte
erwähnt werden sollen, daß dieser für eine Region oder ein Land zuständig ist.

Einige Druckfehler: 52 Z. 5 v. o. I. „ganzen". - 124 Z. 6 v. u. der Erläuterungen
I.,, W. Maurer". - 136 Z. 16/15 v. u. 1. entweder „um seines eigenen Leibes
willen" oder „wegen seines eigenen Leibes". - 174 Anm. 8 1. „Sat/rae". - 205
Z. I v. u. 1. „C/".

Im ganzen ist die sorgfältige Leistung von Junghans sehr zu begrüßen
. Zugleich kann man den Kreis der Herausgeber - Horst Beintker,
Helmar Junghans und Hubert Kirchner - sowie den Verlag zu dem
erfolgreichen Abschluß dieser Taschenausgabe von ausgewählten
Schriften Luthers aufrichtig beglückwünschen. Hier liegt eine nach
klar durchdachten Gesichtspunkten ausgewählte Ausgabe von Schriften
Luthers vor, die einem breiten Kreis interessierter, fachlich nicht
vorgebildeter Leser einen zuverlässigen, knapp kommentierten Text
bietet. Die Ausgabe kann insgesamt mit Nachdruck empfohlen werden
.

Hamburg Bernhard Lohse

1 Zu den Bänden I und 3 bis 5 s. ThLZ 108. 1983, 35-37; 107, 1982,
751-753; 109,1984,524-526; 108, 1983,830f.