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Ausgabe:

1985

Spalte:

37-39

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Funk, Aloys

Titel/Untertitel:

Status und Rollen in den Paulusbriefen 1985

Rezensent:

Weder, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 1

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metrisch argumentierende linguistische Textanalysc. Dennoch liegt Ein dritter Abschnitt grenzt die zu analysierenden Quellen metho-

gerade in der Spannung zwischen Hermeneutik und Litcraturwissen- disch sauber ab (S. 58-63). Eine etwas ausführlichere Darstellung zu

schaft der Reiz der neuen Wege. den erkenntnistheoretischen Problemen dessen, daß die Paulusbnele

Es ist das Verdienst des Herausgebers, trotz lizenzrechtlicher Vor- hier „unabhängig von der Absicht" ihres Autors für die „Feststellung

gaben und mannigfacher Übersetzungsaufgaben, diese Sammlung sozialgeschichtlicher Tatsachen" herangezogen werden (S. 60), wäre

vorlegen zu können. An der Auswahl wird dieser oder jener Kritiker wohl wünschbar. Dies um so mehr, als damit ein Grundproblem aller

sich festhaken: ebenso dürfte der Verzicht auf die in dieser Reihe sonst sozialgeschichtlichen Fragestellungen und Analysen angesprochen

übliche Einführung (vgl. dazu I, Seite IX) durch den Herausgeber ist: Inwiefern respektieren sie die Widerständigkeit der Texte gegen

problematisch sein. Wie wichtig jedoch dieser Überblick, der einen soziologische Erhebungen?

Durchblick gewährt, ist, wurde bereits gesagt. Die Bände sind in Den Hauptteil der Arbeit bildet die Analyse der Paulusbnele

Zukunft ein unentbehrliches Mittel, nicht zuletzt auch deshalb, weil (S. 64ff). Nach hilfreichen Auskünften über das Verfahren untersucht

sehr verstreut und entfernt erschienene Aufsätze nun greifbar sind. der Vf. die Status des Geschlechts, der Familie und der Klassen.

Dem Verlag und dem Hrsg. mit seinen Mitarbeitern kann man füglich wobei die häufigen Tabellen den Einbezug von quantitativen Analy-

zu diesem Ergebnis gratulieren. . semethoden deutlich vor Augen führen. Hier kommt der Verfasser

Leipzig Martin Pctzoldt

kaum zu Ergebnissen, die nicht auch schon von der traditionell (historisch
) arbeitenden Exegese erbracht worden wären. Wohl aber vermag
er einzelne Beobachtungen in ein größeres Ganzes einzuordnen und

' Die Gleichnisreden Jesu. Bd. I 1888; Bd. II 1899. teilweise auch Widersprüchlichkeiten besser zu erklären. Einige dem

^ Kapitel: Gleichnisse und Verwandtes.''1979, 179-222. Rezensenten interessant erscheinende Beispiele sollen herausgegriffen

• •D,c Originalität der Gleichnisse Jesu liegt nicht in ihrer Form, sondern in werden. Ideal gesehen werden bei Paulus die Geschlechtsstatus männ-

:nhalt (1,56). ijcn un(j weiblich gleich bewertet, wobei diese Bewertung dreimal

j he Parablesofthe Kingdom, London 1935. christologisch und einmal schöpfungstheologisch (in Ablehnung des

Ursprünglich indieserZcitschrifterschiencn: 79. 1954,345-348. , , , ... r . . , w ....... .

F F,,„h er u j u- ■ l. ■ ^ i. a «.s. ii herrschenden schopfungstheologischcn Musters) begründet wird

c t-uchs. Zur Frage nach dem historischen Jesus. Gesammelte Aulsatze II. . .

Tübingen JI965 S. 155. vgl. hier 1.260, wo gesagt wird, daß „die Gleichnisse <S- 77>- Auffallend ist die starke „Devianz" dieser Legitimationen

d«rch Jesu Schicksal erst den vollen Inhalt bekommen". gegenüber der jüdischen und der hellenistischen Umwelt. Diese

Devianz ermöglichte es, daß die von dieser idealen Bewertung ausgehenden
Impulse langfristig eine hohe Resistenz gegenüber dem

FnnL- i „ . „ .. . . „ , . . , r-- • , ■ sozialen Umfeld hatten. Ihre Resistenz verdanken sie ihrem „met-

1 "nK, Aiovs: Status und Rollen in den Paulusbriefen. Eine Inhalts- . . . . ... . . . „ „, , ,..JV .

anai,.i:„i, ii . u n i- ■ i iui empirischen Charakter (der Ausdruck wird S. 26 erklart), der sozia e

d|i<mtische Untersuchung zur Religionssoziologic. Innsbruck- K v

Wien-München: Tyrolia-Verlag 1981. 224 S. 8' = Innsbrucker Wandel ,st gleichsam im Gewissen des Individuums verankert und

theologische Studien 7 kann nicht durch den Druck des sozialen Umfeldes verändert werden.

Der Vf. weist immer wieder auf diese metempirische Dimension hin,

Um es gleich vorwegzunehmen: Dieses Buch zeichnet sich aus wenn es um die Legitimation idealer Bewertung geht. Deshalb mag die

durch eine hohe begriffliche und methodische Transparenz. Der Ver- folgende - nicht als Kritik gemeinte - Frage erlaubt sein: Was kann

fasser gibt stets Auskunft über seine Annahmen und ermöglicht so der (soziologische) Begriff „metempirisch" bedeuten, wenn Christus

dem Leserein kritisches Mitgehen auf diesem (zumindest für Theolo- bei Paulus nicht einfach eine jenseitige Figur, sondern der Gekreuzigte

gen) wohl ungewohnten Denkweg. ist?

Das beginnt schon damit, daß der Begriff von Religionssoziologie, Der Vf. untersucht nicht nur die eigentlichen Bedeutungen der

der hier zur Anwendung kommt, genau definiert wird (S. 1 1). In einem Statusbegriffe, sondern ebenso ihre metaphorische Anwendung in

weiteren Abschnitt (2. S. 12ff) werden begriffliche und methodische religiöser Sprache. So stellt er fest, daß die „Vaterbezeichnung für

Überlegungen angestellt: Ausführlich werden die Begriffe Status und Gott... bei Paulus sehr häufig vorkommt'" (S. 116), und er wertet

Rolle differenziert und definiert. Wichtig für die ganze Arbeit ist dies unter anderem als eine „starke metempirische Legitimation des

beispielsweise die Unterscheidung von idealer und realer Status- Status und der Rolle der irdischen Väter" (ebd). Hier ließe sich wohl

Bewertung: „Die ideale Bewertung zeigt an, wie ein Status nach den etwas dialektischer denken: daß Gott der Vater genannt wird (insbe-

geltenden Werten eines sozialen Systems bewertet werden sollte", sondere deutlich im zweimaligen Abba), hat doch gegenüber den

während die Bewertung, „die sich im tatsächlichen Verhalten zeigt" Vätern dieser Welt nicht nur eine legitimierende, sondern ebensosehr

real genannt w ird (S. 15). Der Vf. weist jedoch ausdrücklich darauf eine kritische Funktion, da es ja nicht ausgemacht sein muß, daß der

hin. daß auch die ideale Bewertung ein wirkliches Phänomen ist Vatergott bloß der himmlische Widerschein der irdischen Väter ist.

(gegen den Verdacht, es handle sich dabei um Irreales). Es finden sich Dasselbe gilt von der metaphorischen Anwendung der Begriffe wie

weiter genaue Angaben über die Reichweite einer soziologischen „Herr" und „Sklave" (vgl. S. 160-166). Ganz abgesehen davon, daß

Untersuchung an den Paulusbriefcn, über den Gemeindebegriff und für Paulus der eigentliche Schritt vom Sklaven zum Sohn verläuft (Gal

über die kommunikationstheoretischen Aspekte eines solchen Unter- 4,7), ist doch der metaphorische Sprachgebrauch nicht einfach ein

fangens. Es wird präzis unterschieden zwischen der „Kommunikation „Ausdruck der bestehenden sozialen Klassen" (S. 162). Er unterläuft

Wischen Paulus und einigen seiner Gemeinden", der „Kommunika- diese Klassenbewertung in einem gewissen Sinne auch, insbesondere

tlon zwischen Paulus und Lesern seiner Briefe" heute und der wenn man in Rechnung stellt, daß der hier verehrte „Herr" sich deut-

••Kommunikation". die in einer wissenschaftlichen Begriffssprache lieh und konkret von den Herren dieser Welt unterscheidet. Eine theo-

geführt wird über die an zweiter Stelle genannte Kommunikation logische Rezeption soziologischer Fragestellungen, wie sie in diesem

'S. 45-49). Der Vf. hat sich für die Anwendung der „Inhaltsanalyse" Buch in vorbildlicher Weise stattfindet, könnte rujiig etwas kritischer

er|tschlossen (S. 49ff), ein Verfahren, bei dem Signale oder Zeichen sein gegenüber manchen Eindimensionalitäten der soziologischen

auf ihren Inhalt hin analysiert werden, das heißt: auf ihre außer- Welt-und Menschensicht.

sPrachlichen Bedeutungen (vgl. S. 50). Dieses Verfahren erscheint Hochinteressant ist schließlich der Abschnitt mit „soziologischen

durchaus legitim, auch wenn sich hier gewichtige sprachthcorctische Erklärungen" (S. 193ff). Hier macht der Vf. aufmerksam auf die

Vorbehalte anmelden könnten. Es ist bekanntlich nicht ausgemacht, Weigerung des Paulus, Menschen letztlich nach ihrem sozialen Status

°b die entscheidende sprachliche Funktion die der Abbildung ist. einzuschätzen. „Eine der folgenreichsten gesellschaftlichen Deviatio-

'mmerhin: Auch hier werden die Annahmen offengclegt und damit nen des Paulus bestand darin, daß er die einzelnen Christen nicht nur

kritisierbar. nach ihren sozialen Positionen beurteilte, sondern als Individuen.