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Ausgabe:

1985

Spalte:

35-37

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Gleichnisse Jesu 1985

Rezensent:

Petzoldt, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 1

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Böhl. Felix: Häresie und Vcrleumdung(FJB 10. 1982 S. 47-63).

Buber. Martin: Das dialogische Prinzip. Ich und Du, Zwiesprache, Die Frage
an den Einzelnen, Elemente des Zwischenmenschlichen, Zur Geschichte des
dialogischen Prinzips. 5. durchges. Aufl. Heidelberg: Schneider 1984. 324 S. 8'
= Lambert Schneider Taschenbücher. Kart. DM 22,-.

Cohn-Shcrbok. Dan: The Mandaeans and Heterodox Judaism (HUCA L1V,

1983 S. 147-151).

Couturier, Guy: La vision du conseil divin: ctude d'unc forme commune au
prophetismeetä l'apocalyptique (ScEs 36, 1984S. 5-43).

Duhaimc. Jean; La Regle de la Guerre de Qumran et l'apocalyptique (ScEs
36, 1984^.67-88).

Goldberg. Arnold: Der Diskurs im babylonischen Talmud. Anregungen für
eine Diskursanalyse(FJB 11,1983 S. 1-45).

Grözinger, Karl Erich: Neoplatonisches Denken in Hasidismus und Kabbala
(FJB II, 1983 S. 57-89).

Hahn, Ferdinand: Neuere Literatur zur Geschichte und Religion des Judentums
(VF29, 1984 S,85-%).

Klijn, A. Frederik J. [Hrsg.J: Der lateinische Text der Apokalypse des Esra.
Mit einem Index Grammaticus von G. Mussies. Berlin: Akademie-Verlag 1983.
108 S. gr. 8" = Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichcn
Literatur, 131. Kart. M 25,-.

Lämmvrmann, Godwin: Christliche Motivierung des modernen Antisemitismus
? Rcligionssoziologische und -pädagogische Überlegungen zu einem sozialen
Phänomen (ZEE 28, I984S. 58-84).

Muraoka, T.: A Greek-Hebrew/Aramaic Index to I Esdras. Chico, CA:
Scholars Press 1984. VII, 85 S. 8- = SBL. Septuagint and Cognate Studies Series.
I6.S8. 75.

Neusner, Jacob: Judaism in the Beginning of Christianity. Philadelphia:
Fortress Press 1984. 112 S. 8°.
Radday, Yehuda T.: Nächstenliebe nach jüdischer Auffassung (Univ. 39,

1984 S. 383-392).

Schlüter, Margarete: Zum Formular der Bcrakha (FJB 11, 1983 S. 47-56).

Neues Testament

Harnisch, Wolfgang [Hrsg.]: Gleichnisse Jesu. Positionen der Auslegung
von Adolf Jülicher bis zur Formgeschichte. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1982. XIII, 457 S. 8° = Wege der
Forschung, 366. Lw. DM 94,-.

- [Hrsg.]: Die neutestamentliche Gleichnisforschung im Horizont von
Hermeneutik und Literaturwissenschaft. Darmstadt: Wissenschaft
!. Buchgesellschaft 1982. IX, 441 S. 8° = Wege der Forschung,
575. Lw. DM 110,-.

Die Gleichnisforschung ist längst über sich hinausgewachsen. Das
ist prinzipiell nicht neu, bestätigt aber Richtungen, die es innerhalb
exegetischer Forschung zu den Gleichnissen der Evangelien immer
schon gegeben hat. Verschiedene Bemühungen, die wir heute unter
dem Begriff „Literaturwissenschaft" zusammengefaßt verstehen,
haben in der Nachfolge des bahnbrechenden Werkes von Adolf
Jülicher' immer auch eine Rolle gespielt. Ob man nun an die Arbeiten
von Paul Fiebig denkt (hier dokumentiert durch den Beitrag von
1904: Die Chronologie der jüdischen Gleichnisse und die Originalität
der Gleichnisse Jesu, 1,20-57) oder den wichtigen Titel von Axel
Olrik hernimmt (Epische Gesetze der Volksdichtung, 1,58-69), die
vergleichende Literaturwissenschaft hat für die Gleichnisforschung
entscheidendes geleistet. Besonders sind diese Ergebnisse einflußreich
für die Formgeschichte gewesen, wie man an Bultmanns „Geschichte
der synoptischen Tradition" unschwer studieren kann.2 Die Ausgangspunkte
melden sich, gleichsam in veränderter Gestalt, heute
wieder, wie die Beitragendes Bandes II zeigen. Doch dazu später.

Dennoch liegt in der literaturwissenschaftlichen Gleichnisforschung
nicht das erkennbare Kontinuum der Auslegungsgeschichte
dieser Gattung im 20. Jahrhundert. Ebenso kann auch die formgeschichtliche
Methode nicht das Moment der Kontinuität verbürgen.
Vielmehr ist die Gleichnisforschung wohl ein (wenn nicht gar das)
Beispiel für den Verlauf des theologischen Interesses an der Jesusfrage.

Damit ist nicht nur über die exegetische Bemühung geurtcilt, sondern
auch über dogmatische Bezugnahmen zu dieser vorwiegend neutesta-
mentlich-theologisch verhandelten Zentralfrage. Die Jesusfrage hat ja
frühestens durch das Negativergebnis Albert Schweitzers einerseits
und die Entdeckung der Dimension des Eschatologischen durch
Schweitzer und Johannes Weiß (vgl. dessen Rezension des Jülicher-
schen Werkes, hier 1,11-19) andererseits eine stärker an den Inhalten
orientierte Ausrichtung erhalten. Trotz einer frühen Einsicht Fiebigs'
wurde von der Forschung im ganzen noch nicht die inhaltliche Frage
thematisiert. Die „Positionen der Auslegung von Adolf Jülicher bis
zur Formgeschichte" (Untertitel von 1) bilden denn auch ziemlich
deutlich das sich mehr alternativ darstellende Ringen zwischen der
Betonung der theologisch (sprich: eschatologisch) bedeutsamen
Inhalte und des Formproblems ab. Dieses Ringen vollzieht sich oft bei
ein und demselben Forscher, wie die Beispiele Charles H. Dodd (hier
dokumentiert durch eine 1932 entstandene Vorform des Kapitels 1
seines berühmten und bisher eigentümlicherweise nie ins Deutsche
übersetzten wichtigen Buches4: 1,116-136) und Joachim Jeremias
einerseits (dargestellt durch den Abschnitt II der 1. Aufl. seines
Gleichnisbuches von 1947: 1,180-237) und Ernst Lohmeyers Aulsat/
von 1938 andererseits zeigen (Vom Sinn der Gleichnisse Jesu,
1,154-179). Eigentlich gelingt eine Verschränkung beider Anliegen
erst bei Ernst Fuchs 1954 (Bemerkungen zur Gleichnisauslegung,
1,256—261)*, der in immer neuen Variationen seit 1956 betont, „daß
Jesu Verhalten selber der eigentliche Rahmen seiner Verkündigung
war".'' Bereits das letzte Drittel der Beiträge im Band 1 zeigen, daß sich
die Diskussion zunächst einmal wieder stärker traditionsgeschichtlichen
und formgeschichtlichen Fragen zuwendet, wiewohl sich einerseits
die hermeneutische Fragestellung intensiv zu Wort meldet
(E. Jüngel, 1,281-342), gleichsam als Weiterentwicklung des
Fuchs'schen Ansatzes, andererseits aber immer mehr die sachlichen
Konsequenzen allegorischer und analogischer Rede ins Gespräch
kommen (M. Black, 1,262-280; W. Harnisch, 1,390-413).

Waren die literaturwissenschaftlichen Haftpunkte im Band I stärker
dem Vergleich vorbehalten, so ist es im Band 11 durchweg die struktu-
rale Literaturwissenschaft, die das Bild beherrscht. Auch wenn man
dem Hrsg. zustimmen wird, daß sich hier (anders als in Band I) noch
kein einheitlicher bzw. abgeschlossener Diskussionsgang feststellen
läßt, ist es interessant, zu sehen, wie sich literaturwissenschaftliche
und hermeneutische Ergebnisse berühren und wechselseitig bestätigen
(besonders deutlich bei Dan O. Via, 11,59-75). Die Linie, die sich hier
fortsetzt, scheint eher ihren Ansatzpunkt in der hermeneutischen
Fragestellung als in der alten literaturwissenschaftlichen antiallegorischen
Tendenz des Jülicherschen Programmes zu haben. Denn es
zeigt sich deutlich die Konsequenz von E. Fuchs, wonach das Gleichnis
selbst Deutung sein will und deshalb keiner Deutung bedarf
(1,256), hin zu Robert W. Funk (11,20-58), der durch die metaphorische
Eigenart der Gleichnisse selbst deren Charakter als Sprachereignisse
bedingt sieht (11,58). Derartige Tendenzen finden dann
einen dogmatikkritischen wie auch im besten Sinne dogmatischen
Niederschlag in Aussagen E. Jüngels (11,340-366): „Gegenüber dem
.dogmatischen' Anthropomorphismus und seinen fatalen gegen ihn
geltend gemachten Konsequenzen gilt vom Gleichnis als analoger
Rede von Gott, daß es die konkrete Unterschiedenheit von Gott und
Mensch (Welt) wahrt. Es wahrt diese Unterschiedenheit aber gerade,
indem es Gott (die ,Gottesherrschaft') und den Menschen in ein und
demselben Ereignis, eben im Gleichnis selber, versammelt"
(11,365).

Nicht alle Tendenzen kamen zu Wort. Rez. hat von seiner eigenen
Darstellungeherden Eindruck, vorschnell eine Harmonie errichtet zu
haben, die es so nicht gibt. Deshalb sei betont, daß der Hrsg. sehr zu
Recht die „unabgeschlossene Neuorientierung" der in Band II zusammengestellten
Beiträge betont. Doch die Orientierung ist sichtbar. Sie
verläuft auf Wegen, die einem Theologen, der stärker dogmatischem
Nachdenken und Traditionslinien verpflichtet ist, oft zu weit ausholen
und fast als Umwege erscheinen. Das betrifft vor allem die geo-