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Ausgabe:

1985

Spalte:

549-552

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Jüngel, Eberhard

Titel/Untertitel:

Barth-Studien 1985

Rezensent:

Fischer, Hermann

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Theologische Literaturzeilung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 7

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und Traditionen für die Identifizierung Gottes haben. Obgleich das
Wort ..Identität" fürdie Trinitätslehre bisher kein Schlüssclbcgriff ist.
sieht der Vf. damit die Möglichkeit gegeben, das trinitarische Denken
von alttestamcntlichen Wurzeln her (33ff) über das NT (40IT), die altkirchliche
Entwicklung (57ff), die Trennung in ost- und westkirchliche
Theologie bis in die Neuzeit zu erfassen und zu bestimmen. Mit
diesem methodologischen Instrumentarium begibt sich der Vf. dann
auch in die Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Theologie.
Doch ist deutlich, daß die exegetischen und patristischen Autoren
'hm stärker Gesprächspartner sind als die der modernen systematischen
Theologie. Einzelne Linien werden kritisch verfolgt, so z. B.
Hegel - Pannenberg (133fT), Schleiermachcr (ebd.), Barth - Jüngel
(13811). Insgesamt jedoch ein Entwurf, der sicher nicht spektakulär ist.
doch durch seine Solidität beeindruckt. Der Band ist dem Andenken
Peter Brunners gewidmet.

Leipzig Martin Pct/oldt

Systematische Theologie: Dogmatik

Jüngel. Eberhard: Barth-Studien. Köln: Benziger; Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn 1982. 347 S. gr. 8° = Ökumenische
Theologie. 9. Kart. DM 58,-.

Die Theologie Karl Barths hat E. Jüngel dauerhaft fasziniert. Diese
Faszination hat sich den hier gesammelt vorliegenden Barth-Interpretationen
mitgeteilt. Sie strahlen nicht nur Jüngels Freude am Studium
von Barth-Texten aus, sondern weisen durch Umsicht und Genauigkeit
den Vf. auch überall als exzellenten Barth-Kenner und Barth-
Forscher aus. Gegenüber bestimmten Rekonstruktionen Barth'scher
Theologie, die nach Jüngel mehr auf Abstraktion als auf Interpretation
zulaufen, liegt ihm daran, die Texte Barths „beim Wort zu nehmen
" (13). Das wird denn in diesen Studien auch meisterhaft vorgeführt
. Jüngel hat sich intensiv und extensiv auf die Theologie Barths
eingelassen und stimmt ihr auch weitgehend zu. Diese Zustimmung
zu Programm. Ziel und Durchführung der Theologie Barths in der
Letztgestalt der Kirchlichen Dogmatik (= KD) - mit all ihren Wendungen
und Selbstkorrekturen! - durchzieht wie ein cantus firmus
seine Barth-Studien.

Der Band enthält überwiegend Arbeiten, die bereits publiziert sind.
Er wird eingeleitet mit einer Vorlesung über „Karl Barth" (15-21),
aus Anlaß seines Todes einen Tag später, am 11. 12. 1968. in Zürich
gehalten. Ihr folgt die erweiterte Fassung des großen Barth-Artikels
aus der TRE (22-60: vgl. dazu TRE V, 1981, 251-268). Von den
übrigen Aufsätzen hat derjenige über „Die Möglichkeit theologischer
Anthropologie auf dem Grunde der Analogie. Eine Untersuchung
zum Analogieverständnis Karl Barths" (210-232) schon eine gewisse
Wirkungsgeschichte gezeitigt. Weitere Arbeiten: „Der königliche
Mensch. Eine christologische Reflexion auf die Würde des Menschen

in der Theologie Karl Barths" (233-245) und.....keine Menschen-

losigkeit Gottes... Zur Theologie Karl Barths zwischen Theismus
und Atheismus" (332-347). Einen eigenen Komplex stellen die Interpretationen
dar, die - kritisch - um Barths Sakraments- und Taufverständnis
kreisen: „Karl Barths Lehre von der Taufe" (246-290).
„Thesen zu Karl Barths Lehre von der Taufe" (291 -294), „Zur Kritik
des sakramentalen Verständnisses der Taufe" (295-314). Das ursprüngliche
Vorwort zu dem von E. Jüngel (zusammen mit
H.-A. Drewes) herausgegebenen Nachlaßband der KD im Rahmen
der Karl Barth-Gesamtausgabe (Das christliche Leben. Die Kirchliche
Dogmatik IV. 4 [1976] 21979) bildet die Keimzelle des ebenfalls
schon veröffentlichten Beitrags „Anrufung Gottes als Grundethos
christlichen Handelns. Einführende Bemerkungen zu den nachgelassenen
Fragmenten der Ethik der Versöhnungsichre Karl Barths"
(315-331). Noch nicht publiziert sind drei umfangreichere Studien.

von denen zwei die Ausbildung, Entwicklung und Umformung der
sogen, dialektischen Theologie K. Barths verfolgen (Die theologischen
Anfänge. Beobachtungen [61-126]: Von der Dialektik zur
Analogie. Die Schule Kierkegaards und der Einspruch Petersons
[127-179]). während der dritte Beitrag ..Evangelium und Gesetz. Zugleich
zum Verhältnis von Dogmatik und Ethik" (180-209) dem
zentralen Thema der Ethik Barths gewidmet ist. Da ein Großteil der
Barth-Analysen Jüngels schon bekannt und diskutiert ist, kann sich
die Vorstellung und Besprechung des Bandes vornehmlich an den
noch nicht erschienenen Studien orientieren.

Methodisch geht Jüngel so vor, daß er den theologischen Denkweg
Barths nicht entwicklungsgeschichtlich rekonstruiert, da man den
Ausgang ja kenne und deshalb Gefahr laufe, die Entwicklung immer
schon auf das gewußte Ziel hin zusteuern zu lassen. Dieses Wissen um
den Ausgang sofort zuzugestehen und dementsprechend „diesen Ausgang
aus der vorangegangenen Geschichte mit ihren Geschichten verständlich
(zu) machen", hält er „für systematisch angemessener und
für historisch hygienischer" (64). Als Ausgangspunkt für die Interpretation
der dialektischen Anfänge Barths wählt Jüngel dessen Anknüpfung
an Franz Overbeck. Es sind eigene Erfahrungen und Einsichten,
die Barth zur Auseinandersetzung mit der Theologie seiner Väter und
Vorväter drängen, aber Overbeck liefert mit seiner bekannten Aussage
, „daß anders als mit Verwegenheit eine Theologie nicht wieder
zu gründen" sei (vgl. F.Overbeck: Christentum und Kultur. 1919.
16), die treffende Formulierung. Während die sogen, liberale Theologie
von dieser Notwendigkeit zur Verwegenheit nichts wahrzunehmen
scheint, treibt sie Barth selbst zunehmend zur schroffen theologischen
Aussage. Dabei notiert Jüngel zu Recht, daß Barth sich mit seiner
Rezeption des bekannten Overbeck-Satzes „ein geradezu groteskes
Mißverständnis" (63) geleistet - und wohl auch ein Leben lang daran
festgehalten - hat (Vgl. 62, 347). Denn für Overbeck besagt dieser Satz
die Unmöglichkeit jeder Theologie, er ist Ausdruck „eines argumentum
ad absurdum. Barth hat diese bittere Ironie entweder nicht erkannt
oder bewußt ignoriert" (ebd.). Er sieht in Overbeck einen Mitstreiter
gegen die kulturprotcstantisch ausgerichtete Theologie. Ihm
geht es um eine gänzlich andere Gestalt von Theologie, die aber läßt
sich nur als „unmögliche Möglichkeit" zur Sprache bringen.

In seinen Frühschriften entzündet Barth ein wahres Feuerwerk von
Paradoxien. Jüngel deutet diese Paradoxien aber nicht als gelungene
Beschreibung des Gegenstandes und des ihm entsprechenden Denkens
, sondern als Ausdruck der Aporie. „Die Theologie, die er gelernt
hatte, kannte so gut wie keine theologischen Aporien. sondern -
Auswege, bevor man überhaupt in eine Ausweglosigkeit geraten
konnte... Er suchte Wege, die den Aporien standhalten. Deshalb
wurde sein Denken, sein Wissen zunächst selber aporetisch. Und in
diesem aporetischen Wissen enden seine theologischen Anfänge."
(82) Die skizzierte Entwicklungsstufe wird also sofort einer Bewertung
unterzogen. Aus inneren Gründen kann sich die theologische
Erkenntnis nicht mit dem erreichten Wissenstand zufrieden geben,
sondern drängt darüber hinaus. ..Wir sollen als Theologen von Göll
reden. H 'ir sind aber Menschen und können als solche nicht von Göll
reden. [Vir sollen Beides, unser Sollen und unser Nicht-Können ir/'v-
scti und eben damit Gott die Ehre geben." In diesen bekannten Sätzen
Barths (vgl. Jüngel 82) sieht Jüngel den weiteren Weg der Theologie
Barths vorgezeichnet. Denn der Mensch, der mit seinem Wissen um
sein Sollen und Nicht-Können Gott die Ehre geben soll, ist damit
nach Jüngel noch einmal einerZumutungan sein Denken und Wissen
ausgesetzt, die gedanklich abgearbeitet werden will (83). Der Weggeht
also weiter - „von der Dialektik zur Analogie", wie Jüngel ihn in
Anlehnung an das Interpretalionsmodell H. U. von Balthasars beschreibt
.

Für die innere Abklärung dieses Weges wird der Kritik Erik Petersons
an Barth eine entscheidende Funktion zugewiesen. Peterson
hatte in seinem Aufsatz „Was ist Theologie" (1925) Barth bestritten,
daß es möglich sei. auf dem beschriebenen dialektischen Weg Gott die
Ehre zu geben. Dieser Aufsatz hatte Barth beeindruckt, getroffen und