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Ausgabe:

1985

Spalte:

548-549

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Jenson, Robert W.

Titel/Untertitel:

The triune identity 1985

Rezensent:

Petzoldt, Martin

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Theologische Litcraturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 7

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sehr in der spekulativen Ergänzung menschlichen Nichtwissens,
„vielmehr spiegelt sich in den Mythen das ungeheure Selbstbewußtsein
der früheren Kulturen, die sich selbst und ihr eigenes Maß in der
Schöpfung wiedererkannten und durch die Erzählungen vom Werk
der Götter sicherten. Bei allem neuen Kulturbewußtsein aber blieb
der allererste Anfang lokalisiert in den unpersönlichen Urbewegungen
einer ewig chaotischen Natur. Der damalige Mensch entwirft also in
der Kosmogonie ein Bild seiner einmaligen Würde innerhalb alles
Seienden, ebenso aber kennt er das - resignierende - Eingeständnis
von seiner Einbettung in das Einerlei der Natur, also in seine Belanglosigkeit
." (230

Kapitel 2 entfaltet - im Gegenüber zur griechischen Philosophie -
den „Schöpfungsgedanke(n) in der Bibel" (29-48). In recht zugespitzter
Weise wird „der einmalige Rang der biblischen Schöpfungsvorstellungen
" (45-48) herausgestellt: „Die Natur mit allen ihren
Gewalten ist entmächtigt, Jahwe schafft voraussetzungs- und mühelos
, der Mensch braucht nicht zu fürchten, im Allerletzten vom Chaos
herzukommen und in ebendieses zurückzufallen. Das Pendant zu dieser
Schöpfungsvorstellung ist die Eschatol.ogie . .., die dem Menschen
eine bleibende Zukunft eröffnet - mit der Vorstellung etwa eines Weltgerichtes
, in dem jedes Individuum .gerichtet', d. h. gerade in seiner
Einzigartigkeit und seinen persönlichen Entscheidungen ernstgenommen
wird. Im Christentum ist durch den Gedanken der Schöpfungsmittlerschaft
Jesu Christi die Humanisierung der Sinnfrage noch weiter
auf die Spitze getrieben." Demgegenüber hat sich in den universalen
Folgereligionen „das .resignative' Element ... verstärkt, die
Personalisierung der Schöpfungskräfte wird aufgegeben zugunsten
einer unpersönlichen Auffassung der Weltentstehung, und dementsprechend
hat der Mensch als Individuum auch keine .Zukunft', keine
Gültigkeit - er wird aufgehen im Brahman, der Kraft des Weltalls
(Hinduismus), oder im Nirwana (Buddhismus), oder er wird einswerden
mit dem Tao, der kosmischen Ordnungskraft (China). So stehen
die biblischen Schöpfungsvorstcllungen einzigartig da, sowohl im
Hinblick auf die hochkulturellen Traditionen, aus denen sie hervorgegangen
sind, wie auch auf die Modelle der anderen Weltreligionen."
(47)

Das 3. Kapitel verhandelt in höchst konzentrierter, aber instruktiver
Weise „Die .Schöpfung' in der weiteren Geschichte des Christentums
" (49-87), wobei der Anthropologie eine spezielle Aufmerksamkeit
gewidmet wird (67-80) und abschließend die Frage der Gottesbeweise
m. E. sehr ausgewogen und weiterführend knapp dargestellt
wird. Eine nochmals verkürzte Wiedergabc täte dem Reichtum und
vor allem dem systematischen Ertrag gerade dieses Kapitels Abbruch,
in dem übrigens der Name Marcions - merkwürdigerweise - keine
Erwähnung findet.

Kapitel 4 gibt dann eine knappe, mustergültig auf das Wesentliche
konzentrierte Darstellung: „Die Welt und ihre Entstehung in den
Naturwissenschaften" (88-110). Als Resümee ist u.a. festzuhalten:
„Die Naturwissenschaften zwingen dazu, den Schöpfungsbegriff viel
radikaler zu denken. Gott hat mit der Konstitution der kosmischen
Energie, die sich dann im Urknall entladen hat, alle Gesetzmäßigkeiten
in sie hineingelegt, die zur Entwicklung des Universums (und
später des Lebens auf der Erde) geführt haben. Kann es eine grandiosere
Schöpfungsvorstellung und einen grandioseren Gottesbegriff
geben? Sieht man die Tätigkeit des .personalen' Schöpfergottes auf
diese Weise, scheint sie sogar die einzige zu sein, die von der Eigenart
menschlichen Denkens her gefordert werden muß; denn dieses kann
sich nicht damit abfinden, einen Kosmos so einfach von selbst aus
Nichts entstanden anzunehmen. Das heißt nicht - wie schon im
Zusammenhang mit den Gottesbeweisen ausgeführt -, daß sich Gott
zwingend .beweisen' ließe . . . Aber darf man nicht auf diesen Schöpfergott
- hoffen? Ist diese Hoffnung nicht durch die naturwissenschaftliche
Kosmogonie .rationaler' geworden als jede Alternative? Ist nicht
die biblische Transzendenz Gottes die einzige Denkmöglichkeit, die
angesichts der Kosmogonie - vom Schweigen abgesehen - bleibt?"
(109f)

Kapitel 5 behandelt „Entstehung und Entwicklung des Lebens"
(112-153), wiederum mit besonderem Hinblick auf „die Entstehung
des Menschen" (139-151) und die sich daraus ergebenden „theologische
^) Perspektiven" (151-155). Trotz aller offenen, z. Z. ungelösten
Probleme der modernen Entwicklungstheorie ist sie als die
grundsätzliche Lösung des Problems voll zu akzeptieren und aller
Lücken-Apologetik konsequent zu widerstehen, zumal die moderne
Entwicklungstheorie sich - recht verstanden - durchaus einer theologischen
Sinndeutung einfügt: „Die Schöpferkraft Gottes ist nicht in
Frage gestellt, wenn man die Selbstorganisation der Materie bis hin
zum Menschen als einen Prozeß versteht, der ohne mirakelhaftes Eingreifen
Gottes an allen qualitativ entscheidenden Stellen verläuft. Die
Evolutionslehre mag sogar dazu beitragen, den Schöpfungsgedanken
von allen allzu menschlichen Vorstellungen zu reinigen, so als habe
Gott, wie ein Handwerker, immer neu eingreifen müssen. Mit der
Konstitution des Kosmos hat Gott den Anfang gesetzt: von da an
regeln die .Zweitursachen' den weiteren Verlauf. Die ursprüngliche
Schöpfung... müßte dann so umfassend gedacht werden, daß keine
weiteren Korrekturen - nach Art eines Flickschusters - mehr nötig
wären. Großartiger läßt sieh Schöpfung kaum denken, als es durch
diese Erkenntnisse erzwungen wird." (S. 152) Jedem deistischen
Determinismus ist durch die Fähigkeit der Zweitursachen zu revolutionären
Innovationen, zu echten Qualitätssprüngen, zu fulgurativen
Neuschöpfungen gewehrt.

In einer knappen Schlußbemerkung „Die bleibende Bedeutung des
Schöpfungsglaubens" (1560 wird m. E. zu Recht daraufhingewiesen,
daß die vielfach übliche „Neben- und Gegeneinandersortierung" von
Glaube, Philosophie und Naturwissenschaft „nur für kurze Zeit"
bestehen kann. „Sie war z. B. für die ersten nach-kopernikanischen
oder naeh-darwinistischen Generationen verständlich - und auch
verzeihlich, jetzt aber kann es nicht so bleiben." „Es ist von größter
Bedeutung, daß die religiöse Frage .richtig' gestellt wird. Sic muß ausgehen
von dem zur jeweiligen Zeit verfügbaren Wissen. Anders führt
sie zu falschen Alternativen und Schlußfolgerungen, die Fixierungen
und Blockierungen des Menschseins verursacht. Dann aber befreit
Religion nicht, sondern engt ein, versklavt. Der christliche Schöpfungsglaube
sollte dazu helfen, ideologisch kurzschlüssige Selbstdefinitionen
des Menschen zu verhindern: der Mensch als ein vorübergehendes
Phänomen der all-einen Wirklichkeit und damit ohne Gültigkeit
von Person und Geschichte; oder: der Mensch als .nackter
Affe'. Solche Interpretationen haben nicht nur theoretische, sondern
auch enorme praktische Bedeutung ..." (156).

Die Graphiken und Zeichnungen von Rolf Wertz sind im ganzen
recht hilfreich, wenn auch manches gegen meinen persönlichen
Geschmack geht. Insgesamt handelt es sich um ein m. E. ungewöhnlich
empfehlenswertes Buch.

Berlin Hans-Hinrich Jcnssen

Jenson, Robert W.: The Triune Identity. God According to the
Gospel. Philadelphia: Fortress Press 1982. XVI/191 S. Lw.

Der Vf. verfolgt zwei Ziele mit seinem Buch, die er als miteinander
zusammenhängend betrachtet: einmal die trinitarischc Tradition zu
erhellen und zum anderen Vorschläge zu ihrer Reform und weiteren
Erschließung zu entwickeln (XII). In einem 1. Kapitel "Father, Son.
and Holy Spirit" trägt Jenson bibelwissenschaftliche Ergebnisse
zusammen; Kapitel 2 analysiert den trinitätstheologischen Ausgangspunkt
, Redeweisen und liturgische Traditionen und würdigt die Tri-
nitätstheologie als frühe Form von Logik und Rhetorik in christlicher
Theologie: "The Trinitarian Logic and Experiencc". Die1
Kapitel 3 bis 5 wollen keine eigenthematische Fortführung sein, sondern
differenzieren einzelne sich ergebende Probleme: 3. "Of One
Being with the Father" (57-102), 4. The One and the Three
(103-159), 5. Triune Infinity (161-184). Der durchlaufende rote
Faden wird durch die Frage markiert, welche Bedeutung Argumente