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Ausgabe:

1985

Spalte:

543-544

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Guiges Ier, Coutumes de Chartreuse 1985

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 7

544

Schrift des Alten Testaments gebraucht, denn sie glaubten, daß die
Pluralform Hinweis auf die Offenbarung sei (Bd. II, S. 66-67). Der
Text, der dieser Beweisführung die meisten Schwierigkeiten verursachte
, war ohne Zweifel der Prolog des Johannes-Evangeliums
(1,1-14), den Faustus nach dem Veständnis von F. Sozin zitiert und
kommentiert hatte (Bd. II, S. 78-81).

Viele Kontroversen hat das Problem der Papstherrschaft hervorgerufen
. Alle Disputanten, mit Ausnahme Adrians, haben auf die
Notwendigkeit hingewiesen, zur Leitungsform der Urkirche zurückzukehren
(Bd. II, S. 186). In der Angelegenheit des Heiligenanrufens
erklärten sich Adrian und Kyrill für den Kult ihrer Bilder. Dem
widersprachen die anderen Parteien. Es ist wert hinzuzufügen, daß
sich Faustus bei dieser Gelegenheit zum Glauben an die Jungfräulichkeit
Mariens vor, während und nach der Geburt Christi bekannte. Als
Lästerung hat er die Anschauung mancher Sozinianer mit Budny an
der Spitze betrachtet, daß Christus Sohn Josefs war (Bd. II, S. 212).
Nach dem stürmischen Gespräch zum Thema Zölibat (Bd. II,
S. 301-320) räumte man viel Platz der Sache des Praktizierens einer
christlichen Liebe ein. Es ist eine charakteristische Sache, daß alle
Mitredenden sich einig darin waren, daß die Teilungen unter den
Christusgläubigen verschwinden sollten, doch das von Georg angeführte
Glaubensbekenntnis (Bd. II, S. 352-357), das im Unitariergeist
gehalten war, traf auf den Widerspruch der Vertreter anderer Konfessionen
. Das grundsätzliche Hindernis auf dem Wege zur vollen Einheit
sah Faustus im Glauben an die Heilige Dreieinigkeit (Bd. II,
S. 418). Er war der Ansicht, daß ein Fundament der „christianischen"
Religion in Worten Christi (Joh 17,3) über den „wahren Gott" und
den von ihm gesandten Jesus Christus enthalten ist (Bd. II, S. 494).

Das von Jorgensen bearbeitete Namensregister (Bd. I, S. 85-211)
sowie die Anmerkungen (Bd. I, S. 213-222) erleichtern den Umgang
mit dieser Ausgabe.

Lublin Jerzy Misiurck

Guiges Ier: Coutumes de Chartreuse. Introduction, Texte critique,
Traduction et Notes par un Chartreux. Paris: Cerf 1984. 342 S. 8* =
Sources Chretiennes, 313. Kart, ffr 151.-.

Vor 900 Jahren wurde 1084 der Karthäuser-Orden gegründet. Ein
Sammelband über die Karthäuser von M. Zadnikar war in ThLZ 109,
1984 Sp. 608 besprochen worden. Der Ordensgründer Bruno hatte
nur zwei Briefe hinterlassen. Literarisch weitaus wirksamer war der
5. Prior des Ordens Guigo. Die Reihe Sources Chretiennes brachte
1983 als Band 308 Guigos Meditationes heraus. Jetzt erscheinen
Guigos „Consuetudines Cartusiae". Text und Ubersetzung machen
nur knapp die Hälfte des Bandes aus (147-295). Vorangestellt ist eine
umfangreiche Einführung, 2 Indices beschließen den Band. Guigo war
etwa 40 Jahre alt, der Orden hatte sich rasch ausgebreitet. Guigos
Consuetudines wurden 1128 angenommen. Der Text war erstmals
1510 in Basel gedruckt worden. Heute liegen noch 17 Manuskripte
vor (145). Allgemein zugänglich ist der Text in der Reihe von Migne,
Patrologia Latina 153, 635-758. Die jetzt erarbeitete Textausgabe
geht auf die überlieferten Manuskripte zurück und stellt eine gründliche
Neu-Edition dar, die mit großem Respekt zu würdigen ist. Es
steckt viel Kleinarbeit in diesem Band. Als Beispiel sei auf den
Abschnitt 17 hingewiesen über die Quellen der Consuetudines (Les
Sources des Coutumes de Chartreux, 65-88). Der Abschnitt führt zu
einer summarischen Zusammenfassung der anklingenden Quellen:
Beginnend mit der Vita Antonii bis zu den Quellen seiner Zeit um
I 100 werden die von Guigo verwendeten Quellen aufgelistet und in
eng gedruckten Anmerkungen in den Einzelheiten belegt (77-84). Auf
diese Weise zeigt sich indirekt auch, wie klein der Index der Bibelstellen
im Vergleich dazu bleibt (3370, - zumal mit 23 Bibclzitaten
fast ein Drittel aller Bibelstellen im 80. Kapitel stehen, das die Consuetudines
beschließt mit dem Thema „De commendatione solitariae
vitae" (286-295).

Weitere Arbeiten über die Anfänge der Karthäuser dürfen an
diesem ausgezeichneten Band nicht vorübergehen.

G.H.

Herms, Eitert, und Joachim Ringleben [Hrsg.]: Vergessene Theologen
des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Studien zur Theologiegeschichte
. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1984 180 S. gr. 8' =
Göttinger Theologische Arbeiten, 32. Kart. DM 36,-.

4 der 8 Aufsätze betreffen die Systematische Theologie. Am
Anfang steht die Arbeit von Günter Meckenstock: Johann Christoph
Wedeke. Ein kritischer Pietist (11 -36). Schleiermacher hatte Tür
Wedeke Sympathie, Teller war ein Gegenspieler. Eilert Herms
bringt unter dem Thema „Erfahrung und Metaphysik" eine Erinnerung
an August Dorners spekulative Theologie und einige ihrer
Grundprobleme (37-76). Joachim Ringleben berichtet „Über die
Anfänge von Friedrich Brunstäd". Das Werk des später in Rostock
wirkenden Systematikers wird bis 1922 voll erfaßt (77-103). Manfred
Marquard nennt seinen Beitrag: Karl Bornhausen (1882-1940). In
dessen Theologie werden „verdienstvolle Einsichten" gesehen, die
durch „fragwürdige Abzweigungen" in eine bedauerliche Perspektive
geraten seien (114). Diesen unbeirrbaren „Deutschen Christen" hätte
man wohl am wenigsten der Vergessenheit entreißen sollen. Als einziger
Exeget kommt der Alttestamentler Wilhelm Vatke in den Blick.
Michael Brömse untersucht „W. Vatkes philosophische Theologie
im Streit der Polemik und Apologie" (129-145). Zwei Beiträge
betreffen Kirchenhistoriker. Bernd Jaeger geht auf Karl von Hases
Jugenderinnerungen ein; die „Ideale und Irrtümer" wurden im Alter
von 71 Jahren geschrieben und erschienen bis 1917 in 7 Auflagen.
Ulrich Köpf bringt den Aufsatz: Johannes von Walter und die
Konzeption einer Religionsgeschichte des Christentums (155-164);
ungenannt bleibt die Dissertation von Helmut Opitz „Kirchengeschichteais
Theologie - Von Leben und Werk des Rostocker Ki rchen-
historikers J. v. Walter" (Rostock 1970), über die ThLZ 96, 1971
Sp. 382-385, informiert. Das einzige praktisch-theologische Thema
lautet: „Richard Kabisch. Die These von der Lehrbarkeit der christlichen
Religion" (167-180). Die Wandlungen dieser Theorie sowie
auch mögliche Mißverständnisse werden umrissen.

Der Band bietet viele interessante Details. Eine Begründung für die
Auswahl, z. B. für das systematische Übergewicht und das Fehlen des
Neuen Testaments, wird nicht gegeben. Im Prinzip ist der Gedanke
reizvoll, „vergessene Theologen" wieder in Erinnerung zu bringen.

G. H.

Systematische Theologie: Allgemeines

Corres, Albert, u. Karl Rahner: Das Böse. Wege zu seiner Bewältigung
in Psychotherapie und Christentum. Freiburg-Basel-Wien:
Herder 1982.254 S. 8 Geb. DM 29,80.

Zwei wahrhaft ungleiche Brüder sind hier aneinandergeraten: Nicht
nur der Theologe und der eher an den praktischen Lebensvollzügen
interessierte Psychologe und Therapeut, sondern auch der meditativ
abwägende Denker und der in Bonmots sich gefallende Essayist. Zu
Recht gibt A. Görres im Vorwort bekannt, sein Beitrag sei nicht systematisch
; er wolle vielmehr „zu Gedankensprüngen anregen" (S. 13).
Die dem ganzen übergeworfene Gliederung gibt denn auch kaum
mehr als eine vage Orientierung; die Zwischenüberschriften sollen
wohl eher als intellektuelle Appetitshappen fungieren.

Immer wiedersieht sich Görres genötigt, das Böse zu bestimmen. So
erfährt man, das Böse sei „die eigentlichste Fehlleistung, deren der
Mensch fähig ist" (S. 17), „das Freiheitswidrige" (S. 26), „das Rücksichtslose
" (S. 27), „das Glückswidrige schlechthin" (S. 43), „gleich