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Ausgabe:

1985

Spalte:

537-540

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Die Lehrentwicklung im Rahmen der Ökumenizität 1985

Rezensent:

Rogge, Joachim

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Theologische Literaturzeitung I 10. Jahrgang 1985 Nr. 7

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vor allem hinsichtlich ihrer Begrenzungen. Um so mehr verdient die
vorliegende Publikation Anerkennung. Für jedes Kloster bzw. Stift ist
eine geschichtliche Übersicht vorangestellt, die „auf der vorhandenen
Literatur fußt" (9), d. h. auf den Titeln, die dann nachfolgend in chronologischer
Ordnung aufgelistet sind. Der im Titel beschriebenen Begrenzung
korrespondiert die erstrebte Vollständigkeit, die als „bis zur
Gegenwart fortgeführt" (10) charakterisiert wird. Eine beigegebene
Karte ermöglicht die Kenntnis der geographischen Lage der Klöster
und Stifte. Ein Ortsregister und eines der Ordensgemeinschaften und
ihrer Niederlassungen schaffen die notwendigen Querverbindungen.
Die Vfn. darf der dankbaren Benutzung dieses Bandes sicher sein.

M. P.

Dogmen- und Theologiegeschichte

Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte, hrsg. von Carl
Andresen. Bd. 3: Die Lehrentwicklung im Rahmen der Ökumc-
nizität. Von G. A. Benrath, G. Hornig, W. Dantine, E. Hultsch,
R. Slenczka. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1984. IX,
673 S.gr.8geb. DM 195,-.

Mit einem programmatischen Vorwort hatte der Herausgeber sein
Handbuch 1980 auf den Weggeschickt, mit einem nicht minder engagierten
Nachwort schließt er es erstaunlicher- und erfreulicherweise
schon nach einer Publikationsfrist von vier Jahren ab. Andresen hat
nicht nur Beiträge verschiedener Autoren im Gesamtfeld christlichen
Denkens aneinandergereiht, er hat Stellung bezogen, den Ort für Dogmen
- und Thcologicgeschichte markiert, den Stand der Forschung in
einem weitergehenden Prozeß beschrieben und dabei die Gewichte in
der Forschungstradition und innerhalb gesamttheologischer Arbeit
deutlich gemacht. Bezeichnend ist, welche Rolle er mit anderen Fachgenossen
dem genialen dogmengcschichtlichen Werk Adolf von Har-
nacks weiterhin zuerkennt und wie er die Zuordnung von biblischer
Theologie und Dogmengeschichtc veranschlagt: „Hegemonialstel-
lung von Harnacks Dogmengeschichte und Prädominanz der .Biblischen
Theologie' in ihrer bei Lutheranern und Reformierten oft
recht unterschiedlichen Ausformung kennzeichnet die theologische
Situation, in der das .Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte
' entstanden ist. Sie war bereits gegeben, als man von der
Interpretation des NT als theologische Aufgabe sprach und schrieb:
„... diese Aufgabe gestattet nur immer wiederholte Lösungen oder
Lösungsversuchc in den jeweiligen geschichtlichen Situationen. Die
Kontinuität der Theologie durch die Zeiten hindurch besteht nicht im
Festhalten an einmal formulierten Sätzen, sondern in der ständigen
Lebendigkeit, mit der der Glaube von seinem Ursprung her die ständig
neue geschichtliche Situation verstehend bewältigt'." (610)

Noch einmal geht Andresen auch zurück auf seinen Generalansatz,
Dogmen- und Theologiegeschichte in der Darstellung nicht mehr
trennen zu wollen und zu können. Diese Erkenntnis wächst ihm aus
der Aufnahme bibelexegetischer Ergebnisse in zurückliegenden Jahren
zu, die er vornehmlich durch Bultmann geprägt sieht: „Heute
ermöglicht die existcntialc Hermeneutik eines Bultmann jedoch auch
die Beseitigung der von Hamack errichteten Scheidewand zwischen
altkirchlicher DG (Dogmengeschichte) und neuzeitlicher Theologiegeschichte
... Die Kontinuität theologischer Schriftexegese von den
Anfangen des Christentums an weist die Dogmenbildung als Folgeerscheinung
aus." Die Dogmenbildung erscheint als „der sekundäre
Nachweis, daß aus dem existenztheologischen Selbstverständnis der
Theologie auch Dogmcnbildung möglich wird, wenn sie zur konfessionellen
Selbstbehauptung der Kirchen notwendig ist".

Das Kontinuum des oben charakterisierten Prozesses hat seine Beispiele
, wozu Andresen u. a. die Barmer Theologische Erklärung von
1934 zählt. Dogmen sind „weithin aus Krisensituationen der Kirche
hervorgegangen". Dogmenbildungen haben eine innerkirchlichc
Ursache, sie sind „nur selten durch außerkirchliche Faktoren

bedingt" (a. a. O.). „So oder so - immer wurden Dogmen aus aktuellen
Anlässen formuliert. Ermöglicht wurden sie aber nur durch jenen
Prozeß latenter Dogmenbildung, der in der Theologie auf dem Katheder
und mit dem zeugnishaften Kerygma auf der Kanzel alltägliches
Ereignis ist: ,Praedicatio verbi dei est verbum dei'." (611) Mit diesem
Zitat des Zwinglinachfolgers in Zürich, Heinrich Bullinger, abschließend
gibt der Herausgeber kund, daß alle Dogmenbildung ihr Kriterium
auch in Zukunft an einer immer neu zu erhebenden Worttheologie
hat.

Mit den zitierten Sätzen blickt der Herausgeber zurück auf ein nun
geschlossen vorliegendes dreibändiges Werk. Es ist nach Erscheinungsweise
, Umfang und Durchführung der Darstellung respektabel!
Über die ersten beiden Bände wurde bereits berichtet (ThLZ 107,
1982 Sp. 529-533; 109, 1984 Sp. 368-370). Beide Rezensionen sollten
herangezogen werden, wenn das Folgende zur Kenntnis genommen
wird.

Zum ersten Mal in einer großangelegten Dogmen- und Kirchcn-
geschichte wird die Darstellung bis in die jüngste Vergangenheit, ja bis
in die Gegenwart geführt. Die Beschreibung evangelischer Theologie
nimmt Entwicklungen auf bis 1980 (266-287), für die Berücksichtigung
der römisch-katholischen Kirche bringt der Verfasser Textzeugnisse
bis in das gleiche Jahr, d. h. bis zu den postkonziliaren Enzykliken
Papst Johannes Pauls II. (421). Die breit und ausführlich geschilderte
ökumenische Bewegung ist sogar unter Einschluß der 6. Vollversammlung
des Ökumenischen Rates in Vancouver/Kanada 1983
(543-545) wiedergegeben.

Band 3 des hier anzuzeigenden Handbuches hat unter dem Stichwort
„Ökumenizität" vier Teile. G. A. Benrath geht den weiten
Verzweigungen in den Denkbemühungen des 15. bis 17. Jahrhunderts
nach unter der Überschrift: „Die Lehre des Humanismus und des
Antitrinitarismus" (1-70). Diejenigen Geister, die zwar nicht direkt
dogmenbildend wirkten, aber unsere moderne Welt wesentlich mit
vorgeprägt haben (Erasmus von Rotterdam, Sebastian Castellio. Hugo
Grotius, Michael Servct u. a.), werden, z. T. mit ausführlichen Quellenzitaten
, vorgestellt. Die große Kette der aus der Reformation
erwachsenen nonkonformistischen Theologen und Philosophen
erscheint in einer ausgezeichneten Übersicht, deren Einzelvotierung
sicher manche Frage auslösen, aber im ganzen wohl kaum hinterfragt
werden wird. Die Terminologie könnte allerdings hier und da proble-
matisiert werden. Erasmus und Sebastian Franck den „Häupterfn) des
Konfessionalismus (Luther, Brenz, Calvin)" (40) gegenüberzustellen,
erscheint sicherlich Tür denjenigen nicht überzeugend, der Luther gern
im vorkonfessionellen Feld reformatorischer Lehrbildung sähe. Es ist
ein hohes Verdienst von Benrath, die so verschiedenartigen Strömungen
aufgezeigt zu haben, die zwar großenteils nicht kirchen- und
gcmeindebildend wirkten, aber doch für spätere Kritik am Christentum
ihre hohe Bedeutung bekamen.

G. Hornig führt den Leser von der Frühorthodoxie bisindie evangelische
Theologie der Gegenwart (71-288). Stationen sind ihm dabei
die Aufklärungstheologic des 18. Jahrhunderts, die Hauptströmungen
im 19. Jahrhundert sowie Kontinuität und Krisen im 20. Jahrhundert
. Viele im Petitdruck eingestreute Quellenbelege illustrieren die
weit ausladende Darstellung, die den Verästelungen des Deismus
ebenso nachgeht wie den Nachwirkungen Grundtvigs. Die Schilderung
der geistesgeschichtlichcn Wirkung und Nachwirkung des Kulturprotestantismus
ist ein Kabinettstück wissenschaftlicher Berichterstattung
. Jedem Leser wird bei dem weiten Themenkatalog der
Theologiegeschichte hier und da wohl etwas fehlen, so vielleicht ein
Stück Konkretisierung zum Atheismus-Begriff (770. der irgendwo
etwa durch die Dcnklcistung von Matthias Knutzen (s. Theologische
Versuche V, Berlin 1975, 83-108) oder anderer erhellt werden
könnte. Die Geschlossenheit des Ganzen jedoch verdient einfach
Respekt.

W. Dantine hat seinen Beitrag „Lehre und Dogmenentwicklung
im Römischen Katholizismus" nicht mehr vollenden können (605).
Dankenswerterweise hat sein Schüler E. Hultsch die weitere Bear-