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Ausgabe:

1985

Spalte:

529-531

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Winden, Hans-Willi

Titel/Untertitel:

Wie kam und wie kommt es zum Osterglauben? 1985

Rezensent:

Haufe, Günter

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 7

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gung": das Problem der Häresie, d. h. der Grenzen der kirchlichen
Gemeinschaft wird nicht verhandelt (30.47). Gerade deshalb betont
er: „Die Nachfolge des gekreuzigten Christus dürfte dabei das wichtigste
Gut der reformatorischen Konfession sein, das wir als Mitgift jn
eine zukünftige Christenheit einzubringen haben, vielleicht sogar das
einzig schlechterdings Unaufgebbare" (31).

Diese Akzentuierung macht schon deutlich, wo für K. Mitte und
Maßstab aller als „Anweisung zur Praxis der Nachfolge" (242) verstandenen
Theologie liegt, nämlich im „Primat derChristologie" und
der damit gegebenen Neuaufrichtung des ersten Gebotes als Zuspruch
und Anspruch (80f. 165. 176f. 230). An dieser Mitte muß sich
namentlich alle Ekklesiologie messen lassen (48). Von dieser Mitte
her kann auf die Sühnopfertheorie verzichtet (780 und kann Herrenmahl
schlicht als „vor sein Angesicht gerufen zu werden" verstanden
werden (130). Um dieser Mitte willen wird der Begriff der „Volkskirche
" ebenso kritisiert (190 wie der umstrittene rheinländische Synodalbeschluß
zur Judenfrage (200- Noch mehr. Die Herrschaft des
Gekreuzigten als Konkretion des ersten Gebotes stellt vor letzte Alternativen
, gerade auch innerhalb verfaßter Kirche: Cäsar oder Christus,
Olymp oder Golgatha, Besessenheit oder Freiheit, Aberglaube oder
Glaube, Gott öder die Götzen. Von daher werden dann auch „tief eingreifende
kirchliche Reformen" nötig, so etwa die Aufhebung der
städtischen Bezirksparochien zugunsten kirchlicher Zentren und die
Reduzierung der bisherigen Theologiestudentenzahlen auf ein Drittel
zugunsten einer seminaristisch-diakonischen Ausbildung der übrigen
Theologen (1550-

Bibelauslegung als Aufklärung unserer eigenen Wirklichkeit (192) -
um nicht weniger als dies geht es letztlich in den hier vorgelegten
Reden. Diese Reden sind zugleich dank ihrer anschaulichen wie
geschliffenen Formulierungen ein „Sprachereignis" von hohem Rang,
in das die heranwachsende, sprachlich oft gehemmte Predigergeneration
tief eintauchen sollte. Schon dieser Sprachgestalt merkt man an,
was K. abschließend bekennt (244): „Ich habe immer am Leben und
an meiner Arbeit Spaß gehabt." Man kann nur hoffen und wünschen,
daß dem Autor die Fertigstellung eines weiteren Bandes gelingt.
Gerade für diesen Fall möchte der Rez. allerdings fragen, ob es unbedingt
bei dem Titel „Kirchliche Konflikte" bleiben muß. Er weckt
verkehrte Erwartungen und verkauft die Ware unter ihrem Wert.
Vielleicht könnte er durch eine positivere Wendung ersetzt werden,
die durch den Gesamttenor der Sammlung abgedeckt ist.

Greifswald Günter Haufe

Winden, Hans-Willi: Wie kam und wie kommt es zum Osterglauben?

Darstellung, Beurteilung und Weiterführung der durch Rudolf
Pesch ausgelösten Diskussion. Frankfurt/M.-Bem: Lang 1982.
352 S. gr. 8* = Disputationes theologicae, 12., Kart, sfr 75.-.

Am27. 6. 1972 hielt der damals in Frankfurt a. M., jetzt in Freiburg
i. B. lehrende katholische Neutestamentier Rudolf Pesch in Tübingen
eine Gastvorlesung über das Thema: „Zur Entstehung des Glaubens
an die Auferstehung Jesu. Ein Vorschlag zur Diskussion" (vgl.
ThQ 153,1973,201-228). Peschs zentrale These lautete: DcrGlaube
an die Auferstehung Jesu ist entscheidend durch Jesus selbst, durch
den von ihm gestifteten Glauben an ihn als messianischen Propheten
vermittelt. Er hat als Ausdruck des gläubigen Bekenntnisses zur escha-
tologischen Bedeutung Jesu angesichts seines Todes zu gelten. Das
leere Grab und die Erscheinungen konstituieren nicht den Osterglauben
; entsprechende Bekenntnisformeln (I Kor 15,3ff) sind nicht Auferstehungszeugnisse
, sondern Legitimationsnachweise der genannten
Apostel.

Diese teils konservativen, teils sehr kritischen Thesen holten nicht
nur unter dem Vorzeichen der „neuen Frage nach dem historischen
Jesus" katholischerseits eine im protestantischen Raum längst durchgespielte
Diskussion nach, sondern wollten zugleich einen für modernes
Denken plausiblen Zugang zum recht verstandenen Osterglauben
eröffnen. Es überrascht nicht, daß Pesch namentlich unter katholischen
Theologen, aber auch etwa bei M. Hengel und P. Stuhlmacher
, auf heftige Ablehnung stieß. Die von H.-W. Winden in Bonn
gearbeitete Dissertation hat sich die Aufgabe gestellt, die von Pesch
ausgelöste Diskussion sowohl hinsichtlich ihrer exegetischen wie ihrer
fundamentaltheologischen Aspekte kritisch zu untersuchen. Ziel der
Arbeit ist eine eigene These, nämlich eine „integrative Synthese" (33),
die zwischen Pesch und der traditionellen Auffassung vermittelt.

Einleitend vermutet W„ daß Peschs Thesen durch W. Pannenbergs
extreme Rede von der Historizität der Auferstehung Jesu im Rahmen
eines universalgeschichtlichen Konzepts angestoßen worden sind
(22). Fundamentaltheologisch geht es nämlich auch Pesch um den
Nachweis der für die Vernunft einsehbaren Glaubwürdigkeit des
Ostergeschehens, nun aber gerade so, daß er dieses ausschließlich auf
die Wirkungsgeschichte des irdischen Jesus zurückführt (30).

In einem ersten Untersuchungsgang setzt sich W. anhand der neueren
Literatur mit Peschs historisch-kritischen Hauptargumenten auseinander
(35-181). Hier kann nur das Ergebnis skizziert werden. Die
Vermittlungstendenz des Autors ist nicht zu übersehen. Die Auffindung
des leeren Grabes steht nicht am Anfang der Osterüberlieferung;
die Grabesgeschichte Mk 16,1-8 ist „aus dem Osterkerygma entwik-
kelt" worden (38). Das vieldiskutierte öphthe + Dativ 1 Kor 15,5 ff ist
weder für sich noch im paulinischen Kontext eine bloße Legitimationsformel
, sondern will ebensosehr den sachlichen Grund des
Osterkerygmas aussagen (106). Es bezieht sich auf einen qualitativ
neuen Offenbarungsakt, der die Ostererscheinungen aus der Menge
neutestamentlicher Visionen heraushebt (119). Liegt den Erscheinungen
aber ein selbständiges Widerfahrnis zugrunde, so sind sie mehr als
nur Folge und Bestätigung eines schon zuvor lebendigen Osterglaubens
. Mag auch Jesus bei seinen Jüngern Glauben an sich als messia-
nisch-prophetischen Heilbringer geweckt haben, und mag selbst
dieser Glaube die Jünger veranlaßt haben, nach Jesu Tod seine Lehre
zu predigen und seine Rechtfertigung durch Gott zu erwarten, so
erkannten die Jünger doch erst dank der Erscheinungen ihren Meister
endgültig als lebendigen absoluten Heilbringer (1780- Erst aus den
Visionserfahrungen in Galiläa und Jerusalem „kristallisiert sich die
Auferstehungsbotschaft heraus" (179). Ob die von K. Berger behauptete
jüdische Erwartung der Auferstehung von Märtyrerpropheten
(vgl. Offb 11,3-10) dabei als Deutungshorizont Pate gestanden hat,
bleibt zweifelhaft.

Ein zweiter Untersuchungsgang bedenkt die systematisch-theologischen
Implikationen der Thesen Peschs als Anfrage an Dogmafik
und Fundamentaltheologie (182-253). W. verteidigt Pesch gegen den
doppelten Vorwurf des Rückfalls in die liberale Theologie und des
Anschlusses an das protestantisch-existentialistische Auferstehungsverständnis
. Die im Gegenzug zu Dialektischer und Kerygma-Theo-
logie von Pesch betonte reale Einbindung der Auferstehung Jesu in
seine reale Geschichtlichkeit ist vielmehr eine theologische Notwendigkeit
(188). Trotzdem bleibt aber die hermeneutisch wichtige Frage,
ob es erlaubt ist, „das neutestamentlich bezeugte Moment des Neuen
nach Karfreitag ständig gegen die eigentliche biblische Intention nur
im vorösterlichen Jesus festmachen zu wollen" (203). Historische
Methode im Sinne Troeltschs stößt hier an ihre Grenze. Den
Ursprung des Osterglaubens kann sie nicht angemessen beurteilen
(211). Daß Gott im Osterereignis aktiv in die Geschichte eingegriffen
hat, bleibt „fundamentaltheologisch unverzichtbar" und „dogmatisch
geboten" (232). Peschs Rekurs auf den irdischen Jesus hat einen längst
überfalligen Perspektivenwechsel innerhalb der Fundamentaltheologie
vollzogen (252), kann aber in seiner Einseitigkeit von „einer gewissen
monistischen Tendenz" nicht freigesprochen werden (251).

Der letzte Untersuchungsgang bringt „ein Bündelargument" des
Autors als „Komplementärthese" zum Vorschlag Peschs (254-325).
W. plädiert im Blick auf die Entstehung des urchristlichen wie des
heutigen Osterglaubens für eine Vielzahl von Zugängen, modellhaft
ablesbar an der Emmausgeschichte: vermittels der ständig aufbre-