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Ausgabe:

1985

Spalte:

525-526

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Moule, C. F. D.

Titel/Untertitel:

Essays in New Testament interpretation 1985

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 7

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anderen Qumran-Texten erläutert (3-48). Die Zusammenstellung der
einschlägigen Texte erleichtert die zukünftige Arbeit am Melchize-
dek-KompIex, der K. durch den Aufweis von Anzeichen direkten Einflusses
auf neutestamentliche Vorstellungen bzw. durch Beobachtungen
zur Erhellung des gemeinsamen religionsgeschichtlichen Hintergrundes
im antiken Judentum neue Impulse gegeben hat.

Berlin Karl-Heinz Bernhardt

Mit Recht weist der Vf. auf Anknüpfungspunkte in älteren biblischen
Gedanken hin. an denen der iranische Einfluß wirksam werden konnte (83, 95.
98 u. ö).

Neues Testament

Moule, C. F. D.: Essays in New Testament Interpretation. Cambridge:
Cambridge University Press 1982. XIV, 327 S. 8 Lw. £ 18.-.

Wer als Theologe aus dem deutschsprachigen Raum die Eigenart
angelsächsischer theologischer Arbeit in seinem eigenen Interessengebiet
kennenlernen will, ist gut beraten, wenn er einen der Sammelbände
zur Hand nimmt, die einen Querschnitt durch die Lebensarbeit
eines großen Forschers darbieten. Derlei Sammlungen von Einzelstudien
sind dort seit alters seltener als hierzulande, ihr Erscheinen
stellt eine Auszeichnung besonderer Art dar. C. F. D. Moule, viele
Jahre Lady Margaret's Professor of Divinity in Cambridge, wo zuvor
G H. Dodd tätig war, ist diese Ehre zuteil geworden. Ein Sammelband
, der 21 Beiträge aus Zeitschriften und Festschriften umfaßt, die
in den Jahren 1952-1978 entstanden sind, läßt den, der sich mit ihnen
beschäftigt, die Kontinuität und Zielstrebigkeit eines großen Lebenswerkes
erkennen. Daß die deutschsprachige neutestamentliche Forschung
den hauptsächlichen Gesprächspartner darstellt (die Kenntnisnahme
dieser Arbeiten eine Ehrenpflicht für uns sein sollte), zeigt
die Reihe der Kollegen und Freunde, denen Widmungsaufsätze
gelten. Sie lassen zugleich so etwas wie geistige Nachbarschaft sichtbar
werden: O. Cullmann, B. Reicke, R. Schnackenburg, G. Stählin,
E. Stauffer; daneben B. Rigaux, D. Daube, J. Knox und
T. W. Manson. Mit ihnen verbindet die Arbeit Moules das „Merken
auf das Wort", das subtile philologische Kleinarbeit nicht verschmäht
und für das die stete Rückfrage vom Neuen Testament zum Alten
selbstverständlich ist. Es fehlt auch nicht der Mut zu einem Gesamtkonzept
, bei 'dem das Bekenntnis zu einem in der Geschichte sich
realisierenden Heil (auch das deutsche Wort „Heilsgeschichte'" taucht
mehrfach auf) nicht als überholt gilt. Das beigegebene Vorwort (Juli
1980) enthält so etwas wie eine Lageskizze der Einzelstücke. Wie sehr
es bei der Wiedervorlage älterer Beiträge um Anstöße für die aktuelle
Diskussion geht, zeigt sich daran, wie hier noch das Gespräch mit
Werken aufgenommen wird, die erst nach Abschluß des letzten der
hier publizierten Aufsätze erschienen sind: etwa mit J. M. D. Smarts,
The Past, Present and Future of Biblical Theology and R. D. Daly,
The Christian Sacrifice (vgl. Anzeige des Rez. ThLZ 107, 1982
Sp. 533-535).

So ist es wohlbedacht, daß der erste und längste Beitrag des Bandes
den "fulfilment-words" in the New Testament (3-36) gilt, der
Wiedergabe einer Presidential Address to SNTS von 1967. Sic setzt
mit einer theologischen Ortsbestimmung von promise und fulfilment
ein, bei der die Weichen gestellt werden. Den Hauptteil bildet eine
Untersuchung der Worte und Wendungen, in Bedeutungsgruppen
gegliedert (prediction/verification; promise/threal; confirmation,
realization, completion), jeweils aufgeschlüsselt nach AT, Qumran,
jüdisches Schrifttum, profane Gräzität, NT und christliche Literatur.
Ein in Sammlung und Methode aufschlußreiches Gegenstück zu den
entsprechenden Artikeln des TWNT. Das Ganze ist eingefaßt in

einem am Anfang und Ende aufscheinenden Kontext, den man als
eine die Testamente übergreifende christologische Erfüllungstheolo-
gie einordnen könnte.

Diesem weitschichtigen Artikel sind im ersten Teil der Sammlung
drei kurze Beiträge an die Seite gestellt. Jesus in the New Testament
Kerygma (37-49 = Verborum Veritas, 1970, FS G. Stählin, 15-26),
The use of Parables and sayings in early Christian catechesis (50-54 =
JThSt3, 1952, 75-79) und The Ascension (54-63 = ExpT 68,
1956/57. 205-210)- allesamt gekennzeichnet durch die angelsächsische
Zurückhaltung gegenüber komplizierten und revolutionär erscheinenden
Lösungen.

Die beiden Teile, die dem Evangelium (II) und den Briefen (III)
gelten, nehmen sich durchweg "neglected features" an (eine Formulierung
, die zweimal in den Überschriften auftaucht). Solche vernachlässigten
Züge sind die hellenistischen Seiten des Matthäus (St.
Matthew Gospel: somc neglected features, 67-74 = StudEv II, 1964,
91-99); die Linien im Bild des Menschensohns, die sich unmittelbar
auf Dan zurückführen lassen und als in Jesus personifiziertes Symbol
für das Gottesvolk und seine Berufung verstanden werden können,
abseits der transzendent-apokalyptischen (henochischen) Deutung
(Neglected features in the Problem of the Son of Man, 75-90= Neues
Testament und Kirche, 1974, FS Schnackenburg, 413-428). Nicht
jeder wird ihm folgen wollen, wenn der Vf. (ähnlich wie A. Strobel)
die Pastoralbriefe auf Lukas zurückführt (The problem of Pastoral
Epistles: A Reappraisal, 1 13-132 = BJRL 47, 1965,430-462) und bei
dem als Verfolgungsparäncse bestimmten 1 Petr für apostolische Verfasserschaft
optiert (The Nature and Purpose of I Peter, 133-146 =
NTS3,1956,1-11).

Die den letzten Teil der Sammlung ausmachende Reihe der Studies
exegetical, doctrinal and ethical wird von zwei Aufsätzen eröffnet, die
durch die parallele Formulierung des Titels ihre Zusammengehörigkeit
anzeigen. The influence of circumstances on the use of christolo-
gical terms (165-183 =JThSt 10, 1959,247-259) und The influence
of circumstances on the use of eschatological terms (184-199 =
JThSt 15, 1964, 1-14). Dererstere weist nach, wie stark der Einfluß
von Akklamationen, Doxologien und Psalmensprache auf Auswahl
und Ausgestaltung christologischer Titel war. nennt daneben freilich
auch das lehrhaft-apologetische Moment. Der andere geht den escha-
tologischen Aussagen bei Paulus nach und betont die Spannung
zwischen der apokalyptischen Eschatologie (etwa in 1 Kor) und einer
nichtapokalyptischen individuellen, die jedoch nicht von der Parusie-
verzögerung zu erklären sei, sondern durch eine vertiefte Entfaltung
des Inkarnationsgedankens bedingt ist. Daß auch bei dieser Sicht der
entscheidende Wechsel zwischen I Kor 15 und 2 Kor 5 liegt, zeigt
St Paul and 'dualism': the Pauline coneeption of resurrection
(200-221 = NTS 12, 1965/66, 106-123). Dort wird der neue Leib
hinzugefügt (superimposed), hier im Austausch für den alten gegeben
(exchanged).

Daß die hier dargebotene neutestamentliche Theologie nicht von
spekulativem Geschichtsdenken bestimmt wird, sie ihr Zentrum vielmehr
in einer entschlossen soteriologisch beantworteten Heilsfrage
hat, kann nur noch an den Titeln der den Band beschließenden Studien
gezeigt werden: Punishmcnt and retribution: an attempt to
delimit their scope in New Testament thought (235-249 = SEÄ 30,
1965, 21-36); The theology of forgiveness (250-260, zuerst 1971);
'As we forgive...': a note on the distinetion between deserts and
capacity in the understanding of forgiveness (278-286 = Donum
gentilicium, 1978, FS D. Daube, 68-74); The sacrifice of the People
of God (287-297, zuerst 1962; kritisch gegen M. Thurian). Wer diese
Beiträge auf dem Hintergrund der neuen Kontroverse über den Sinngehalt
der neutestamentlichen Soteriologie. ob Versöhnung (Stuhlmacher
) oder Sühne (Friedrich), liest, wird exemplarisch erproben
können, welche Bereicherung mit der Arbeit dieses britischen Theologen
gegeben ist.

Leipzig-Halle (Saale) Wolfgang Wiefel