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Ausgabe:

1985

Spalte:

520-522

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Augustin, Matthias

Titel/Untertitel:

Der schöne Mensch im Alten Testament und im hellenistischen Judentum 1985

Rezensent:

Reventlow, Henning

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 7

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ham-Überlieferungen in das Konzept der „dimorphen Gesellschaft"
einzuzeichnen und ihre Besonderheiten daraus zu erklären. Die Darstellung
als ganze hat mich aber nicht überzeugt. Ihr scheint mir die
innere Stringenz zu fehlen, so daß der Eindruck ambivalent bleibt. Die
Methode des sozialgeschichtlichen Vergleichens und Kombinierens
vermag m. E. nicht, die Flächigkeit der Argumentation aufzufangen,
die sogar noch in P spezifische Erfahrungen aus dem halbnomadischen
Milieu zu entdecken glaubt (113).

Die nicht gerade ausgewogene Darstellung mit unaufgelösten
Widersprüchen und mit oft umständlichen und mühsamen Formulierungen
liest sich nicht leicht. Das Buch wimmelt so ungeheuer von
Fehlern, daß es in dieser Form besser nicht der Öffentlichkeit übergeben
worden wäre.

Marburg (Lahn) Winfried Thiel

1 Daß die Vertrags-Überlieferung Gen 21,22-34 in der Isaak-Tradition
Gen 26,26-33 wurzelt, sieht W. wohl, wertet sie aber dennoch für Abraham
aus.

2 C. Westermann, Genesis 12-50 (EdF48), Darmstadt 1975; Genesis II
(BK 1/2), Neukirchen 1981; R. Albertz, Persönliche Frömmigkeit und offizielle
Religion (CThMA 9), Stuttgart 1978.

3 Zur einschlägigen Literatur wäre hier zu ergänzen: W. Leineweber, Die
Patriarchen im Licht der archäologischen Entdeckungen (EHST 127), Frank-
furta. M./Bern/Cirencester 1980.

4 Das geschieht durch die gesamte Darstellung; eine Auseinandersetzung mit
den andersartigen Thesen von C. H. J. de Geus und N. K. Gottwald wird nicht
geführt.

Floß, Johannes P.: Kunden oder Kundschafter? Literaturwissenschaftliche
Untersuchung zu Jos 2. I. Text, Schichtung, Überlieferung
. St. Ottilien: EOS Verlag 1982. XII, 249 S. 8' = Arbeiten zu
Text und Sprache im Alten Testament, 16. Kart. DM 32,-.

Das zu besprechende Buch ist eine Münchener katholisch-theologische
Habil.-Schrift von 1981/82. F. ist Schüler Wolfgang Richters.
Und so ist diese Arbeit über Jos 2 ein Musterbeispiel Richterscher
Literaturwissenschaft. Methodisch „aufwendig" (6) und oft auch
überflüssig umständlich - der Leser muß erst einmal 2'/2 S. Abkürzungen
von textkritischen und grammatischen Termini und Siglen
lernen -, stets jedoch scharfsinnig und sprach-sensibel, kommt es Rez.
vor, als würde hier so etwas wie die Hohe Schule der Literaturwissenschaft
geritten, gewiß ein wissenschaftlich-ästhetisches Schauspiel,
das denjenigen, der sich daran zu freuen vermag, begeistern kann, das
denjenigen aber, der nüchtern nach dem Ertrag fragt, mit dem Satz
entläßt: „das Ergebnis dagegen (erscheint) eher als bescheiden." (6)

Wie sieht das Ergebnis dieser Untersuchung zu Text, Schichtung
und Überlieferung von Jos 2 aus? F. beginnt mit einer gründlichen
Textkritik, bei der er der der LXX zugrunde liegenden Texttradition
großes Vertrauen entgegenbringt. Dann folgt die literarkritische
Arbeit, die die Uneinheitlichkeit des Textes aufzeigt und im Ergebnis
drei Schichten sowie weitere Einträge in diese Schichten voneinander
abhebt. Die von der zweiten (v. 8. 9a-c. 1 la-c. 12. 13b. 14; Einträge:
v. 9d. 10. lld. 13a) und von der dritten Schicht (v. 17a. 18. 19.21;
Einträge: v. 17b. 20a.b; Zusatz: v. 24) vorausgesetzte erste Schicht ist
die umfangreichste und umfaßt v. 1-3—4c.d. 5. 6. 15. 16. 22. 23. Einträge
sind v. 4a.b. 7. Soweit kann man F. folgen, denn die Doppelungen
und Spannungen im Text sind evident und weisen auf eine vermutlich
sogar komplizierte Textgeschichte hin, auch wenn strittig
bleibt, ob man die Verse und Versteile in der von F. gebotenen Weise
einander zuordnet oder nicht.

Schwieriger wird es beim nächsten, eben dem eigentlichen Schritt
der „Formkritik" nach Richters Vorbild. F. konzentriert sich auf die
erste Schicht und setzt sich zum Ziel, zwischen literarischem und vorliterarischem
Gut zu scheiden. Das Endergebnis sieht dann so aus:

Literarisch ist der Rahmen (v. 1*. 23); außerdem gehören dieser
Bearbeitungsschicht v. 2a.b.* 3a an. Der umfangreiche Restbestand
dieser ersten Einheit stellt die verarbeitete vorliterarische Erzählung
dar. Das klingt an und für sich gut. Doch auf das Konto der literarischen
Bearbeitung kommen alle Namen (Josua, Sittim, Jericho,
Rahab, Israeliten) und auch der Eintrag des „Königs von Jericho".
Folglich bleibt die vorliterarische Erzählung ganz allgemein. Sie
behandelt das Thema „Gefährdung von Kunden einer Dirne" (217).
Erst die Bearbeitung hat aus den Kunden die auf Befehl Josuas ausgesandten
israelitischen Kundschafter der Stadt Je.richo gemacht, der
Dirne den Namen Rahab verliehen und auch noch den König von
Jericho eingeführt. Von hieraus also ist der Titel des Buches „Kunden
oder Kundschafter?" zu verstehen. Und weil dieses Resultat auf dem
Wege einer diffizilen Analyse der Textstruktur gewonnen wurde,
schließt F. noch ein kurzes Plädoyer für diese Art literaturwissenschaftlicher
Methodik an.

Hier soll nicht die prinzipielle Frage nach Recht und Grenze literaturwissenschaftlicher
Arbeitsweise erörtert werden, auch wenn die
Relation von Aufwand und Nutzen dazu verleiten könnte. Vielmehr
soll danach gefragt werden, ob das Ergebnis in sich stimmig ist und
überzeugt. Und hierbei kann Rez. manchen Zweifel nur schwer unterdrücken
. Denn die von F. gewonnene vorliterarische Erzählung mutet
wie ein hochgeistiges Substrat von Dirnenerzählungen an, denen alles
Konkrete genommen wurde. Ist eine solche mündliche Erzählung
vorstellbar, in der die Akteure namenlos sind und der Handlungsort
beliebig bleibt? Wo gibt es Parallelen zu einer solchen Erzählung mit
dem Thema „Gefährdung von Dirnenkunden"? Wäre es nicht ebensogut
denkbar, daß eine ursprüngliche Kundschaftererzählung um ein
derartiges Motiv erweitert und somit ausgebaut wurde? Ist der durch
die Herausarbeitung der Einheiten zwei und drei bereits angedeutete
Wachstumsprozeß von Jos 2 einleuchtend?

Man wird den Fortgang der Arbeit an Jos 2 durch F. verfolgen und
abwarten müssen, um endgültig beurteilen zu können, ob auf diesem
Wege tragfähigere und überzeugendere Ergebnisse erzielt werden
können, als sie die Forschungsgeschichte bisher bereitgestellt hat.
Zunächst jedenfalls überwiegt noch die Skepsis.

Greifswald Hans-Jürgen Zobel

Augustin, Matthias: Der schöne Mensch im Alten Testament und im
hellenistischen Judentum. Frankfurt/M.-Bern-New York: Lang
1983. 313 S. 8' = Beiträge zur Erforschung des Alten Testaments
und des antiken Judentums, 3. Kart, sfr 74.-.

Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine bei C. Westermann gefertigte
Dissertation. Sowohl das Thema' wie auch die Einordnung der
Gabe der Schönheit unter das segnende Handeln Gottes2 weist auf
diese Herkunft hin. Der Einfluß C. Westermanns fällt auch im
Gesamtaufbau der Dissertation in die Augen. Wenn die alttestament-
liche Auffassung von Schönheit (S. 26-181) der hellenistisch geprägten
im frühjüdischen Schrifttum (182-218) gegenübergestellt wird, ist
dabei der grundsätzliche Unterschied in der Auflassung von Schönheit
zwischen Altem Testament und Griechentum leitend, wie ihn
C. Westermann bereits 1950 formuliert hatte: während im Griechischen
die Auffassung vom Schönen „vom Sehen der Gestalt bzw. des
Gestalteten" bestimmt sei, sei sie im Hebräischen in einem „Gegenüber
von Ich und Du, im Geschehen von Person zu Person" stets
funktional eingebunden.3

Nun könnte man freilich sogleich diese Ausgangsbasis in Frage stellen
, die offensichtlich im Zusammenhang mit der durch J. Barr4 stark
in Frage gestellten Grundthese von T. Boman5 steht. Wenn man sie
jedoch nicht so grundsätzlich faßt, sondern - nun auch funktional -
mit dem Verfasser zwischen den von ihm im ersten Teil seiner Arbeit
besprochenen erzählenden Texten aus dem Alten Testament und der
Rolle, die das Motiv der Schönheit in ihnen spielt, und den anschlie-