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Ausgabe:

1985

Spalte:

515-517

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Lanczkowski, Günter

Titel/Untertitel:

Einfuehrung in die Religionsgeschichte 1985

Rezensent:

King, Ursula

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515 Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 7 516

staltung der Geschichtswissenschaft interessiert (164), berücksichtigt
aber auch die Konsequenzen für die Bibelwissenschaft (S. 180f zu
Michaelis, 187 zu Semler). Ähnliche Berührungspunkte ergeben sich
in dem Beitrag „Philologie zwischen Humanismus und Neuhumanismus
" (Ulrich Muhlack).

Bei der Behandlung der „Rechtswissenschaft" (Christoph Link)
sind die emanzipatorischen Tendenzen von Interesse, die z. B. das
Verhältnis Naturrecht - Theologie betreffen (122) sowie folgende
Aufgabenstellung: „Die Religionsspaltung hatte im konfessionellen
Zeitalter unausweichlich zu einer Rechtsspaltung geführt, die es nun
zu überwinden galt." (123) Auch kirchenrechtliche Fragen kommen
zur Sprache (S. 137). Das Problem „Emanzipation von der Theologie
" findet sich erwartungsgemäß ebenfalls in dem Beitrag „Das
staatswissenschaftliche Fächersystem im 18. Jahrhundert" (Hans
Erich Bödeker), hier zum Verhältnis Politik - Theologie (145). Die
Verbindung zu anderen Teilen dieser Festschrift wird u. a. hergestellt
durch den Nachweis der „Historisierung" vieler behandelter Fragen
zur Staatswissenschaft (147) sowie durch die mehrfache Beziehung auf
Göttingen (155). Letzteres gilt auch für die sehr informative Untersuchung
„Im Mittelpunkt der Bücherwelt - Über Gelehrsamkeit und
gelehrtes Schrifttum um 1750" (Bernhard Fabian). Hier findet sich
reiches Material zur Entwicklung von Buchproduktion, Buchhandel,
wissenschaftlichem Schrifttum, Zeitschriftenwesen sowie Hochschul-
und Akademieschriften. Verallgemeinernd wird der „Übergang vom
gelehrten Schrifttum zur fachwissenschaftlichen Veröffentlichung"
seit Ende des 17. Jahrhunderts konstatiert (270). Zum Anlaß dieser
Festschrift fügt sich besonders passend die Erörterung des Zusammenspiels
von Universität und Verlag im 18. Jahrhundert (273).

Über „Medizin in der Mitte des 18. Jahrhunderts" schreibt Richard
Toellner, über „Mathematik und anorganische Naturwissenschaften"
Andreas Kleinert. In beiden Beiträgen wird der Zusammenhang
zwischen Medizin bzw. Naturwissenschaft und „Epochenbewußtsein
" (199) herausgearbeitet; besonders Kleinert stellt sein Thema
sehr eingehend historisch entfaltet dar!

Theologisch Relevantes findet sich nur an einer Stelle: bei dem
Hinweis auf die kirchlichen Auseinandersetzungen um den Blitzableiter
(234). Bei Toellner hingegen lesen wir die zwar nicht neue, aber
heute doch oft übersehene These: „Naturforschung als der wahre
Gottesdienst war eine Haupttriebfeder und das Naturbild von der
vollkommenen Ordnung des Schöpfers die wichtigste Voraussetzung
für die empirische Naturforschung - auch in der Medizin" (209).

Diese Festschrift, so läßt sich zusammenfassend sagen, ist in mehrfacher
Hinsicht ausdrücklich zu begrüßen: Sie würdigt die Leistung
eines traditionsreichen und vielfältig engagierten Verlages; sie
„besichtigt ein Zeitalter", indem sie seine Wissenschaften vorstellt in
der Sicht heutiger Fachgelehrter; sie dokumentiert eine Einheit in der
Vielfalt, die nun Geschichte ist, deren „Erben" (dieser Terminus
findet sich S. 57) sicher vor der Aufgabe stehen, das Bewahrenswerte
zu erhalten und das Neue zu entdecken. Daß sich auch der Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht dieser Aufgabe verpflichtet weiß, zeigt sein
Programm.

Leipzig Ernst-Heinz Amberg

Religionswissenschaft

Lanczkowski, Günter: Einführung in die Religionsgeschichte. Darmstadt
: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1983. V, 113 S. 8* = Die
Theologie. Einführungen in Gegenstand, Methoden und Ergebnisse
ihrer Disziplinen und Nachbarwissenschaften. Kart. DM 29,-.

Dieses Bändchen beschäftigt sich nicht mit den Einzelheiten verschiedener
Religionen, sondern will nur Grundzüge vermitteln, die
hier in knappster und sehr überschaubarer Form vorgelegt werden. Es

ist in der Reihe „Die Theologie" erschienen, die dem Leser „Einführungen
in Gegenstand, Methoden und Ergebnisse ihrer Disziplinen
und Nachbarwissenschaften" bieten soll. Dementsprechend ist sowohl
ein theologisches wie historisches Interesse berücksichtigt worden
, und die kurze, fast minimale Besprechung der verschiedenen
Religionen ist jeweils durch hilfreiche Literaturhinweise abgerundet
.

Zweifellos wird mancher Leser, vor allem Studenten und ein allgemein
interessiertes Publikum, eine Reihe Anregungen von dieser Einführung
gewinnen. Doch besteht sie leider vorwiegend aus aneinandergereihten
, deskriptiven Fakten, die nur ein unvollkommenes
Skelett der Religionsgeschichte vermitteln. Man muß sich beim Lesen
wiederholt fragen, warum manche am Rande liegenden Ereignisse
oder Namen erwähnt sind, während wichtigeres Material ganz übergangen
wird.

Der Autor hat bewußt unterstrichen, daß sein Werk nicht chronologisch
nach dem historischen Werden der einzelnen Religionen,
sondern dem theologischen Interesse entsprechend nach ihrer jeweiligen
Begegnung mit dem Alten Testament und der christlichen
Kirchengeschichte geordnet ist. So haben wir hier nicht eine allgemeine
Religionsgeschichte im Rahmen einer universalen Weltgeschichte
, sondern ehereine recht eurozentrische Darstellung, nach der
die einzelnen Religionen entweder im Sinne des antiken Erbes oder
aus der Perspektive europäisch-westlicher Entdeckung gesehen werden
.

Im ersten Teil werden „Die Religionen in der Umwelt des Alten
Testamentes" behandelt und danach „Die Religionen in der Umwelt
des Neuen Testaments und der Alten Kirche" und „Vorchristliche
Religionen des transalpinen Europa", während in der zweiten Hälfte
des Buches die außereuropäischen Religionen unter dem Titel „Auf
dem Weg zum religiösen Pluralismus der Gegenwart" vorgestellt
werden. Zwei abschließende Kapitel behandeln „Die aktuelle Situation
" und „Religion und Geschichte".

Die Ausführungen über die einzelnen Religionen sind qualitätsmäßig
unterschiedlich. In dem Abschnitt über „Indische Religionen"
ist man zum Beispiel überrascht, Schopenhauers und Wagners
Interesse behandelt zu sehen, während der zentrale Begriff moksha
oder das Kastenwesen nicht einmal erwähnt werden. Diese Religionsgeschichte
scheint nicht nur von westlicher, sondern vor allem von
deutscher Perspektive geschrieben worden zu sein. Zum Beispiel ist
der ß/!a#ava</#;7ä-Übersetzung Schlegels (1823) und ihrer Bedeutung
für die Indologie ein kurzer Abschnitt gewidmet, ohne daß gesagt
wird, daß die erste, bahnbrechende Übersetzung dieser Schrift aus
dem Sanskrit ins Englische schon fast 40 Jahre früher von Charles
Wilkins (1785) unternommen worden war.

Man vermißt ebenfalls die Definition und sachliche Klärung gewisser
grundlegender Begriffe. Zum Beispiel wird das Faktum des religiösen
Pluralismus, das durch die historische Entdeckung anderer, vor
allem östlicher, Religionen gegeben ist, gar nicht vom Pluralismus als
einem Moment unseres gegenwärtigen Bewußtseins und Weltverständnisses
unterschieden, das auf einer ganz anderen Ebene liegt.
„Die aktuelle Situation" ist kein Titel für die heutige Situation der
Weltreligionen im allgemeinen, sondern geht von dem recht interessanten
Gedanken der „Gegenmission" vor allem östlicher Religionen
im Westen aus. Doch wird hier keine systematische Übersicht
geboten, sondern es finden nur gewisse hinduistische, buddhistische
und fernöstliche Strömungen Erwähnung.

Die Neuen Religionen werden auch ganz kurz und unterschiedlich
behandelt. Leider werden keine statistischen Daten für Mitglieder
angegeben, so daß man den falschen Eindruck gewinnen kann, alle
besprochenen Gruppen - ob es sich um die Bhagwan-Bewegung,
Bahai, Hare Krishna oder Vereinigungskirche handelt - seien von
gleicherGröße und Bedeutung.

Es wäre wünschenswert gewesen, daß dieses Buch trotz aller Kürze,
die für eine „Einführung" notwendig ist, eine differenziertere Begriffsanalyse
und Gesamtperspektive in die Diskussion miteinbezogen