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Ausgabe:

1985

Spalte:

469-470

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Sonnemans, Heino

Titel/Untertitel:

Seele, Unsterblichkeit - Auferstehung 1985

Rezensent:

Gisbert Greshake

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Seite 1

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469

Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 6

470

Sonnemans, Heino: Seele. Unsterblichkeit - Auferstehung. Zur griechischen
und christlichen Anthropologie und Eschatologie. Freiburg
-Basel-Wien: Herder 1984. IV, 543 S. gr. 8" = Freiburger theologische
Studien 128. Kart. DM 68,-.

Die vorliegende Habilitationsarbeit (in Fundamentaltheologie,
Univ. Bonn) greift ein höchst aktuelles und ungemein wichtiges
Thema, das der Theologie der letzten Jahrzehnte weithin entschwunden
war, ja das disqualifiziert zu sein schien, wieder auf und stellt es
neu zur Debatte: das der Seele in eschatologischem Kontext (d. h. in
ihrem Verhältnis zu Unsterblichkeit und Auferstehung).

In der protestantischen Theologie hat sich die schroffe Entgegensetzung
von Unsterblichkeit (der Seele) und Auferstehung seit der
Dialektischen Theologie „in der letzten Generation bis zu einer
selbstverständlichen These verstärkt, welche jeder Theologe [= protestantischer
Theologe] zu vertreten hat" (W. Trillhaas). Dafür waren
letztlich (!) soteriologische Gründe maßgebend: Unsterblichkeit
würde die Selbstmacht des Menschen bedeuten, die „Todeslinie" seines
Daseins selbst zu überschreiten. Die katholische Theologie hat im
allgemeinen diese Motivation nicht übernommen und deswegen auch
kaum die harte Alternative „Unsterblichkeit oder Auferstehung" vertreten
. Dennoch gab und gibt es auch in der neueren katholischen
Eschatologie zahlreiche Versuche, durch die Konzeption einer „Auferstehung
im Tod" gleichfalls das Seelenproblem zu eleminieren.
Dies jedoch eher aus anthropologischen Gründen: Ziel ist es hier, die
traditionellen, nicht selten naiven Vorstellungen von einer leibfreien
seligen Seele sowie einer quasi-physizistischen „Hinzugabe" des Leibes
am Jüngsten Tag zu überwinden. Beiden Richtungen der Infragestellung
eines eschatologischen Seelenbegriffs ist jedenfalls gemeinsam
die Problematisierung des Verhältnisses von griechisch-philosophischer
Unsterblichkeitslehre zu biblischer Auferstehungsbotschaft.
„Die Nähe zur biblischen Auferstehungsbotschaft schien gleichzeitig
die Ferne zur Unsterblichkeit der Seele und deren Entfernung aus der
Theologie zu fordern. So wurde es still um die Seele, nicht nur in der
Theologie", so analysiert der Vf. die Situation (10). Und genau dies ist
das Ziel der Arbeit: das Schweigen um die Seele zu brechen und die
Seelenidee erneut zur Debatte zu stellen. Denn - und hier zeigt sich
das (im katholischen Sinn) fundamentaltheologische Anliegen der
Arbeit - „eine Eliminierung dieses Wortes aus der Theologie [führt]
selbige in eine Sprachlosigkeit.. . und damit zu einem Kommunikationsverlust
, welcher nicht nur das Verhältnis zur eigenen Geschichte
betrifft, sondern auch das zur Geschichte und Gegenwart anderer Völker
, Kulturen und Religionen, vor allem zu Indien" (120- Es gibt
nicht nur das Evangelium mit seiner Auferstehungsbotschaft, sondern
auch eine „praeparatio evangelica", die sich in der menschheitlichen,
am Seelenbegriff orientierten Unsterblichkeitshoffnung konkretisiert
.

Darum setzt der Vf. mit einer umfangreichen Beschreibung und
Analyse des Seelenverständnisses, angefangen von der altgriechisch-
homerischen bis hin zur platonischen Seelen- und Unsterblichkeitsidee
, ein (26-292) und vergleicht dieses Verständnis mit biblischer
Anthropologie und Hoffnungsbotschaft (292-354) sowie mit dem
Seelenverständnis der neuzeitlichen Alternative „Unsterblichkeit
contra Auferstehung" (355-406). Vor allem im ersten großen Teil
zieht der Vf. die Summe der neueren Platon-Interprctationen, welche
einmütig die Unsinnigkeit von eindimensionalen Klischees wie Leib-
Seele-Dualismus. Leibverachtung, Weltflucht, Verharmlosung des
Todes u. dgl. aufzeigen. Damit ist aber neu die Frage nach Identität
und Differenz philosophischer und biblischer Anthropologie und
Eschatologie gestellt und eine simple Gegenüberstellung von griechischer
Unsterblichkeitsichre und biblischer Auferstehungshoffnung
, wie sie von Cullmann bis Jüngel nicht selten anzutreffen ist,
unmöglich gemacht. An dieses Ergebnis schließt sich eine Darstellung
und Auseinandersetzung mit der neueren katholischen Diskussion
über eine „Auferstehung im Tod" an (407-465). Ein vertieftes Verständnis
dieser Konzeption macht - so der Vf. - den Seelenbegriff
nicht überflüssig, sondern setzt ihn voraus, insofern es gerade eine

„leibliche Seele" („Leib in Seele") ist, die im Tode auferweckt wird.
Schließlich formuliert ein letztes Kapitel (466ff) die Relevanz und
Unverzichtbarkeit der Seelenidee für den Dialog mit der Kultur der
Gegenwart, mit außerchristlichen Religionen, mit philosophischer
und theologischer Anthropologie.

Der Rezensent versteht diese Arbeit angesichts des jahrzehntelangen
Schweigens über die Seele als eine Art Programm und zugleich als
eine höchst wichtige quaestio disputanda, deren Absicht erreicht ist.
wenn man sich wirklich mit ihr auseinandersetzt. Dies kann im einzelnen
hier nicht geschehen. Doch sei eine inhaltliche Kritik vorgetragen
:

Das eigentliche corpus der Studie ist - wie bemerkt - die Aufarbeitung
des „griechischen" Seelenverständnisses im Vergleich mit der
biblischen Konzeption. Indem der Vf. von hier aus gleich die Auseinandersetzung
mit Problemen neuerer Eschatologie unternimmt, überschlägt
er faktisch die lange Periode christlicher Philosophie- und
Theologiegeschichte und ihrer „Arbeit" am Seelenbegriff. Dies ist
dem Vf. prinzipiell noch nicht negativ anzukreiden, da schließlich
eine Studie nicht alles bewältigen kann. Doch geschieht durch diesen
„Sprung" faktisch eine Perspektivenverengung, die einige fragwürdige
Konsequenzen hat. So glaubt der Vf. z. B„ daß im Gebrauch des Seelenbegriffs
von Seiten der christlichen Tradition immer eine „leibliche
Seele" gemeint sei, ohne daß man deswegen den Gedanken einer
„Auferstehung im Tod" formuliert habe. Deswegen sei auch die Idee
einer rein leiblosen anima eine „verzerrte Anschauung", der man zu
Recht entgegentrete (z.B. 425f, 461 u. ö.). Diese Feststellungen
bezüglich einer „leiblichen Seele" treffen aber - abgesehen von einigen
Autoren des 3. und 4. Jahrhunderts - spätestens ab Augustinus
nicht mehr zu und gehen an den tatsächlichen scholastischen Diskussionen
über die anima separata und ihre Vollzugsweisen vorbei. Auch
das Römische Lehrschreiben „Zu einigen Fragen der Eschatologie"
von 1979 läßt sich dem lateinischen Urtext (und nicht der irreführenden
deutschen Übersetzung) nach nicht so interpretieren, wie es der
Vf. tut, daß hier nämlich gleichfalls eine gewisse „Leiblichkeit" der
postmortalen Seele angenommen werde. Denn wenn es hier heißt,
daß das „Ich des Menschen in der Zwischenzeit seiner vollen Leiblichkeit
entbehre", so liegt der Ton nicht auf „voll" - davon ist im Urtext
überhaupt nicht die Rede -, sondern es geht um die Komplementarität
des Leibes überhaupt. In dem Sinne heißt es von der „anima", sie
sei das „,ego humanuni", interim tarnen complemento sui corporis
carens". Insofern ist die Idee einer „leiblichen Seele" bzw. einer Auferstehung
im Tod - gemessen am faktischen Seelenverständnis ab
Augustinus bis zur gegenwärtigen katholischen Theologie - doch
„neuer" als der Vf. dies herausarbeitet.

Doch diese (partikuläre) Kritik beeinträchtigt das Ganze der Arbeit
nicht. Der Rezensent gibt ihr den Wunsch mit aufden Weg, daß sie die
Diskussion über die Seele neu eröffnen möge.

Wien . Gisbert Greshake

Schwarz, Hans: Wir werden weiterleben. Die Botschaft der Bibel
von der Unsterblichkeit im Lichte moderner Grenzerfahrungen.
Freiburg-Basel-Wien: Herder 1984. 125 S. kl. 8' = Herderbücherei
, 1112. Kart. DM 6,90.

Das seit längerem festzustellende Interesse für das Thema Tod hat
auch die Frage nach dem „Danach" verstärkt in die Diskussion
gebracht. „Grenzerfahrungen" und paranormale Phänomene werden
vielfach in das Gespräch mit einbezogen. Dies verlangt eine Antwort
seitens der christlichen Theologie der Gegenwart. Vornehmes
Schweigen, ob aus prinzipieller Negierung dieser teilweise sensationell
aufgemachten Aussagen oder aus Verlegenheit, dient nicht der
sachlichen Klärung.

Die vorliegende Publikation aus der Sicht eines evangelischen
Theologen - der Vf. ist Ordinarius für Systematische Theologie und
theologische Gegenwartsfragen an der Universität Regensburg -