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Ausgabe:

1985

Spalte:

450-451

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Blank, Josef

Titel/Untertitel:

Paulus, von Jesus zum Christentum 1985

Rezensent:

Schmithals, Walter

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 6

450

mentare zu den paulinischen Gefangcnschaftsbricfcn (1974) und /um
Lukasevangelium (1977). die in der Reihe „Rcgcnsburger Neues
Testament" erschienen sind, haben Widerhall gefunden. Sein Markuskommentar
, der in der Rcgcnsburger Reihe den vor mehr als vierzig
Jahren erschienenen Kommentar von J. Schmid ersetzt hat, wird
sich neben den neueren deutschen Markuskommentaren (E. Schweizer
- NTD; R. Pesch - Herder; J. Gnilka - EKK; W. Schmithals -
OTK) erst durchsetzen müssen. Dafür hat er einige Voraussetzungen:
Er knüpft an die Erträge der Arbeit der anderen Kommentatoren an,
informiert den Leser über sie und vermeidet voreilige Schlüsse. Vielen
Predigern in der Praxis kann er das Studium anderer Kommentare
und Monographien ersparen.

Der Nachteil ist, daß bei solchem Kommentar die Kanten der alternativen
Lösungen manchmal abgeschliffen sind und offene Fragen
relativiert werden. Deutlicher ist die Position des Kommentators bei
der Auslegung der Perikopen und der Behandlung der Probleme sichtbar
, denen er bereits eigene monographische Studien gewidmet hat
(Passionsgcschichtc, vormarkinischc Bekenntnistraditionen, das
Selbstbewußtsein Jesu - S. 245ff). Die Begrenzung der bibliographischen
Angaben ist kein Nachteil, wenn das Wichtigste bearbeitet
ist, was E. zum großen Teil gelungen ist. Es fehlen nur einige neuere
Monographien (H. C. Kec. C. R. Kazmierski, H. Baarlink u. a.). Eher
fehlt eine Überlegung über die Gattung und über die Gliederung des
Markusevangeliums, die für den Kommentar über das älteste Evangelium
(vgl. S. 8) nicht unbedeutend ist und die an die Arbeiten von
R. Pesch. N. Perrin und B. Standaert anknüpfen könnte. Weiterhin ist
die Gliederung nicht ganz überzeugend. Dem besonders hervorgehobenen
Prolog (1,1-15) entspricht kein Epilog, wobei 16,1-8 offensichtlich
diese Schlüsselposition hat. Die erste Hälfte des Evangeliums
(1,16-8.26) hält E. für einen Haupttcil. der dritte und letzte Hauptteil
längt nach ihm mit dem Einzug in Jerusalem an.

E. rechnet im Unterschied z. B. zu W. Schmithals und E. Güttge-
manns mit der mündlichen Tradition, die den Stoff des Markusevangeliums
noch vorder Entstehung der einzelnen schriftlichen Vorstufen
beeinflußt hat. Mit Recht lehnt er auch die Theorie von
W. Schmithals über ein Ur-Evangclium ab. dessen Ostererscheinun-
gen Markus in das Leben Jesu situierl hätte (S. 4970- Aus den Vorstufen
ist nach ihm die Passionsgcschichtc das Bedeutendste. Er hält sie
im Unterschied zu V. Taylor. W. Schenk. E. Linnemann u. a. für eine
in der Grundstruktur einheitliche Erzählung, und mit der Mehrheit
der Forscher (im Unterschied zu R. Pesch) begrenzt er sie auf
14.1-16,8 (S. 394ff).

In der Christologie des Markusevangeliums entfaltet E. den Konsensus
über die Schlüsselstellung des Titels Sohn Gottes, und mit
Recht macht er auf die Rolle des Begriffs Evangelium als Mittel der
Verkündigung und im 16. Kapitel auf die Verbindungen zu der Pistis-
formel aus I Kor 15.3-5 aufmerksam. Das Markusevangelium als
Erzählung überJesus soll betonen, daß das Evangelium als Osterbotschaft
„von Jesus Christus, dem Sohn Gottes (Gen. obj.). eine Basis im
Evangelium Jesu (Christi) (Gen. subj.)" hat (S. 33). - Das Messiasgeheimnis
deutet er zusammen mit der Mehrheit der Biblisten als ein
Mittel zur Konzentration der Aufmerksamkeit auf das Kreuz und die
Auferstehung (S. 243). wobei er die Parabeltheorie von dem Messias-
geheimnis wieder mit Recht trennt.

In der markinischen Eschatologie lehnt E. die apokalyptische Deutung
ab. wonach Mk 16.7 auf die apokalyptische Epiphanie hinweisen
sollte (so E. Lohmcyer. W. Marxscn. N. Perrin u. a.). Den längeren
Markusschluß (16.9-20) hält er für sekundär, was bereits zum Konsensus
der Forschung gehört.

Nach E. wurde das Markusevangelium nach dem jüdischen Krieg
wahrscheinlich in Rom verfaßt, hat eine gewisse Beziehung zur
Petrustradition, und der Verfasser bleibt absichtlich anonym
(S. 20-23.368).

Bedeutsam sind die Ausführungen, in denen die Interpretation die
s stematische Theologie berührt (z. B. über die Dämonenaustreibungen
Jesu. bes. S. 67).

Der Kommentar, der mit Sach- und Bibelstellenregister ausgestattet
ist, stellt eine Zwischenbilanz, der gegenwärtigen Markusforschung
dar.

Prag Petr Pokorns

Blank, Josef: Paulus. Von Jesus zum Christentum. Aspekte der paulinischen
Lehre und Praxis. München: Köscl 1982. 216 S. 8'. Kart.
DM 29,80.

Der Untertitel, der die vorliegende Aufsatzsammlung an Blanks
Habilitationsschrift von 1967 (Paulus und Jesus) anbindet, führt in die
Irre. Blank befaßt sich nicht mit der Frage der Kontinuität und Diskontinuität
zwischen Jesus und Paulus, sondern mit der paulinischen
Theologie selbst.

Im ersten Teil sind vier Aufsätze aus den Jahren 1969-1977 zusammengestellt
, die. thematisch eng zusammengehörend, in das Zentrum
der paulinischen Theologie führen.

Der erste Beitrag (.Paulus - Jude und Völkerapostel'. 15-41) bringt
erfreulich unbefangen zur Geltung, daß Paulus, indem er mit dem
Kommen des Messias Jesus die Hcilszeit anbrechen sah. auch mit der
Erfüllung der universalen Verheißungen des Alten Testaments rechnete
. Er überschritt also als Jude mit vollem Bewußtsein die Grenze
des partikularistischen Judentums, welches ..das religiöse und das
völkisch-nationale, politische Element niemals voneinander
getrennt" hat (29). Paulus habe damit eine jüdische Möglichkeit verwirklicht
. Denn das ..Paradox des Judentums besteht ja wohl darin,
daß es in seinem Glauben einen universalistischen Gottesgedanken
vertritt und daß es zugleich diesen Glauben als eine doch sehr stark
ethnisch und politisch gebundene Größe oder Aufgabe betrachtet"
(401). Ein solcher bewußt christlich gehaltener Beitrag zum christlichjüdischen
Gespräch erscheint fruchtbarer als manche gutgemeinte Reverenz
vor dem jüdischen Gesprächspartner, die entscheidende Fragen
und Kontroversen ausklammert.

Dem paulinischen Universalismus entspricht das paulinische Gesetzesverständnis
. Blank fragt in seinem zweiten Aufsatz: .Warum sagt
Paulus: Aus Werken des Gesetzes wird niemand gerecht?' (42-68).
und er antwortet auf diese Frage: Weil das Gesetz unfähig ist. Gerechtigkeit
zu bewirken. Dabei ist die Tatsache, daß der Mensch faktisch
den Forderungen des Gesetzes nicht genügt, nur Symptom dafür, daß
der Glaube das Gesetz grundsätzlich in die Krise bringt: ..denn in der
dem Gesetz entsprechenden Gesetzlichkeit enthüllt sich ein bestimmter
menschlicher Daseinsentwurf" (60). der vom Glauben als .Sein in
der Sünde' aufgedeckt wird. „Es geht also darum. Rom 10.4: .Denn
das Ende des Gesetzes ist Christus zur Gerechtigkeit für jeden Glaubenden
' ganz ernst zu nehmen" (60). Diese .katholische' Paulus-Deutung
ist nicht nur .reformatorischer' als zum Beispiel die von Ulrich
Wilckens in seinem neuen Römerbriefkommentar vorgelegte; sie ist
auch die einzige, die Paulus gerecht wird. Sie schließt die Tora als
Hcilsweg neben dem Glauben aus.

Das dritte Stück schließt sich sachlich eng dem zweiten an. Unter
der Überschrift .Evangelium und Gesetz" (69-85) fragt Blank mit
scharfer Kritik an der landläufigen katholischen .Gesetzlichkeit', oh
Paulus denn auch für seine Ethik das Gesetz außer Kraft gesetzt habe,
und er bejaht diese Frage mit gutem Grund. Paulus habe das Ethische
nicht mehr .gesetzlich' verstanden, sondern „vielmehr positiv in den
umgreifenden Bezugsrahmen des Evangeliums von der iustificatio
impii eingeordnet" (78). in dem die Liebe, in welcher der Glaube tätig
ist, das Gesetz ablöst und die brüderliche Paränese begründet.

Auch der längste Aufsatz: .Gesetz und Geist. Zum Verhältnis von
Kapitel 7 und 8 des Römerbriefes' (86-123). bewegt sieh in demselben
Problemkreis. Blank sieht richtig, daß Paulus mit Kap. 7 zur thematischen
Erörterung der Gesetzesfrage übergeht und daß die in
Rom 7 und 8 folgenden Themen .Anthropologie'. .Sünde' und .Leben
nach dem Geist' für Paulus in unmittelbarer Beziehung zu Sinn und
Ende des (iesetzes stehen.