Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1985

Spalte:

448

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Sayler, Gwendolyn B.

Titel/Untertitel:

Have the promises failed? 1985

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

447

Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 6

448

Verfahren klare Vorteile: eine relativ sichere Ausgangsbasis, die Möglichkeit
eines konsequenten und durchsichtigen Aufbaus, wie ihn das
Inhaltsverzeichnis (7f) erkennen läßt. Es ist nicht undenkbar, daß dieses
Verfahren in einer Periode, da man sich wieder auf die Bedeutung
der Literarkritik besinnt, zur Regel in der Einleitungswissenschall
werden wird. Vielleicht wäre es gut, in weiteren Auflagen die Gattung
des vorliegenden Werks durch die traditionelle Bezeichnung ,,Einleitung
" auch auf dem Titelblatt kenntlich zu machen.

Basel Klaus Seybokl

Judaica

Buber, Martin: Der Glaube der Propheten. 2., verb. und um Register
erg. Aufl. Heidelberg: Schneider 1984. 312 S. gr. 8°. Lw. DM 48,-.

Wer das Buch gelesen hat, legt es mit Staunen und Verwunderung
aus der Hand, und mit Dankbarkeit, die schon beim Vorwort einsetzt.
Dieses ist unterzeichnet ,,Jerusalem, im Sommer 1950". Das muß
man nochmals lesen. So schön ist das. Daß es das noch gibt, einen
Sommer - nach der bleischweren Kälte der Finsternis, die zwölf Jahre
lang ganz Europa zur Winterwüste aus Tod und Eis gemacht hat.
Johannes Bobrowski hat einmal gedichtet: ..Und alle Winter fluten ins
Licht." Hier ist es wahr geworden. Über den Mord und das Sterben
hinaus. Hier steht Jerusalem. Hier steht der Sommer. So wird man
dieses Buch nicht falsch lesen, wenn man es über die Bibel hinaus
auch als Glaubensgeschichtc Israels in grauenvoller Zeit liest, angesichts
von Majdanek und Auschwitz. Allerdings heißt über die Bibel
hinaus hier mitten in sie hinein. Denn für alle Zeiten gilt, was Moses
in seinem Geschichtssegen kündet: ..Keiner gleicht dem Gott, o
Jcschurun. / Der die Himmel befährt zu Hilfe dir. ' In seiner Hoheit
die Lüfte." (Dtn 33.26) Dieser Gott ist nicht zu trennen von seinem
Volk. Bubcr fahrt daher fort: ,.,Zu Hilfe dir', heißt es hier, .ihm zu
Hilfe' im Deboralied." (S. 32)

So werden die Bürger der Stadt Moros verflucht, weil sie Israel nicht
geholfen haben - und wer Israel im Stich läßt, verrät Gott (Ri 5,23).
Erinnert das nicht an die eindringliche Mahnung Karl Barths aus der
Zeit des Kirchenkampfes, nicht zu vergessen, was geschrieben steht:
..Das Heil kommt von den Juden."? Auf den letzten Seiten dieses
Buches, das vom Mysterium des leidenden Gottes und des leidenden
Volkes handelt, schreibt Buber voller Hoffnung: „Was JHWH mit
Israel gemeint hat. ist hier, in diesen ohnmächtigen Streitern, Leib
geworden." (S. 278) Buber spricht hier von dem Kern Israels, der
durch die Zeitläufte hindurch die Erwählung nicht verrät. Könnte es
nicht auch ein Nachruf für die Verbrannten von Buchenwald sein?
Auch in dieser Ambivalenz behauptet sich Bubers These von der Religion
: Wir haben sie nur als Gegenwart. Darum schreibt Buber auch
keine Glaubensgeschichte und schon gar keine religionsgeschichtliche
Untersuchung, auch keine Geschichte des Glaubens, sondern er
zeigt den Glauben der Propheten in der Geschichte (und in der Gegenwart
) auf. Dieser Glaube der Propheten ist letztlich identisch mildem
Glauben Israels, der sich von einer doppelten Gotteserfahrung des
Volkes her zu erkennen gibt. Die erste Erfahrung ist diejenige, die das
Volk als wanderndes macht: Unser Gott ist der Gott unseres Weges.
Er geht voran, wir folgen nur. Dieses nur ist durch den Glauben qualifiziert
. Denn genau daraufkommt es an: IHM zu folgen. Gott ist ein
wegweisender und wegfordernder Gott. Dies gilt für den Weg, den
einer geht, und für den Weg. den einer nimmt. Für die Geographie
und für die Geschichte: das Volk wird Gottes in der Nachfolge. Die
zweite Erfahrung macht das Volk in den Propheten, in seinen Einzelnen
- herausgehoben stellvertretend für alle -. in den Kündern. Denn
der Künder spricht die Wegweisung. Nicht Zukunft kündet er. sondern
deren Ermöglichung. Er kündet, was ist. nicht was sein wird. Der
Prophet steht immer im Schnittpunkt der Zeit. „Mit seinem Sprechen
des Wortes stellt er sie vor die Entscheidung zwischen dem Weg und
den Wegen." (S. 12) Den Weg zu zeigen, ist der Künder berufen. So

verdeutscht Bubcr Ez 33.20 auch entsprechend: „Jedermann nach
seinen Wegen / richten werde ich euch, i Haus Jisrael!" Was gegenüber
dieser Botschaft bleibt, ist das Hören und die Umkehr von Menschen
- zu Gotteswegen. Darin liegt Hoffnung.

Dieser Weg Gottes ist allerdings ein ausschließlicher, was besonders
der Landtag zu Sichern beweist. Wer sich zu JHWH bekennt, kann
nicht andere Mächte neben ihm anerkennen, weder im Haus noch in
der Geschichte, auch nicht in der Politik. Politik ist immer „Theopolitik
", und Religion und Politik sind nicht zu trennen. Wir besitzen
nur den Alltag, aus dem wir nie genommen werden. Die ganze Welt -
die sog. heilige und sog. profane - ist Gottes, in der ER da ist. Gottes
Sein ist immer ein Fürsein - und das ist immer so gewesen. Noch einmal
beschreibt Bubcr seine These, daß Mose den Gottesnamen deutbarer
und faßbarer mache, nicht etwa neu einführe in die Geschichte
Israels. Der Name erschließt sich nur in jenem „Ich werde dasein",
was schon immer vom Volk und vom Künder erfahren worden ist.
Sein Name ist nicht mit der philosophischen Kategorie des „esse" /u
umschreiben, sondern nur mit der wirkenden Kategorie des „adesse".
Daß ER da ist, das ist wichtig, das zählt, das öffnet Zukunft - Seine
Gegenwart. Von hier aus (und nur so) kann Jcsaja das Stillhalten des
Volkes fordern und das Stillesein Gottes künden, als Heiligkeil und als
politische Haltung (S. 173). Nur der daseiende Gott kann helfen. In
der Zeit, im Exil, über die Zerstörung von Staat und Tempel hinweg.
Diese Gewißheit läßt den Propheten auch das Leiden, an Gott und
den Menschen, als Mysterium künden. Denn der „leidende Prophet
ist die Vorgestalt des handelnden Messias" (S. 277). Zu deuten ist hier
nichts, nur zu hoffen, daß der Ebed Israel und der Ebed Mensch eins
werden und durch die „Leidenstode zum wahren Leben" wandern.
Mit Gott, denn ER bleibt aufdem Weg- mit uns.

Gnadau Gerhard Bcgrich

Sayler, Gwendolyn B.: llavc the Promises Kailcd? A Literary Analy-
sis of 2 Baruch. Chico, CA: Scholars Press 1984. VII. 171 S. 8' =
SBL. Dissertation Serics. 72. Kart. $ 10.50; Lw. $ 15.75.

In ihrer Dissertation (1982) behandelt G. B. Sayler die einleitungswissenschaftlichen
und historisch-theologischen Fragen der syrisch
überlieferten Baruch-Apokalypse. Dies geschieht unter ständiger
Auseinandersetzung mit den wenigen bisher zum 2. Baruch vorgelegten
Untersuchungen (R. H. Charles. P.-M. Bogaert. W. Harnisch.
A. ('. B. Kolenkow. A.Thompson). Berücksichtigung erfahren nur die
Kapitel 1-77. Die abschließenden zehn Kapitel (Baruchbricf) werden
als Zusatz angesehen. Der verbleibende Hauptteil des Buches wird auf
Cirund der Analyse der literarischen Struktur als einheitlich erkannt.
Er ist aber deutlich in sieben „Blöcke" mit differenzierter Thematik
gegliedert. In der Frage der Datierung bezieht S. eine mittlere Position
, indem sie das Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. vorschlägt.
Besonderes Interesse verdienen die Beobachtungen zur Beheimatung
der Schrift in einer speziell geprägten jüdischen Gemeinschaft jener
Zeit. Neue, anregende und weiterführende Gesichtspunkte bietet auch
der abschließende Vergleich von 2. Baruch mit zeitgenössischen
Schriften (Pscudo-Philo. 4. Ezra. Apokalypse Abrahams. Paralipo-
mena Jeremiae und Matthäus).

K.-H. H.

Neues Testament

Krnst. Josef: Das Evangelium nach Markus, übers, u. erklärt. Regensburg
: Pustet 1981. 536 S. gr. 8' = Regensburger Neues Testament.
Kart. DM 36.-: Lw. DM 68.-.

J. Ernst ist als umsichtiger und gleichzeitig die Probleme der gegenwärtigen
Verkündigung verstehender Exegct bekannt. Seine Kom-