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Ausgabe:

1985

Spalte:

397-398

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Pfüller, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Der Streit der Religionen - rational entscheidbar? 1985

Rezensent:

Pfüller, Wolfgang

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397

Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 5

398

dieser .Mysteriengegenwart' begriffen wird. In der Darstellung der
tätigen Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie muß deutlich
werden, daß ihr Mitvollzug getragen und innerlich bestimmt ist von
dem, was sie mitvollziehen, so daß ihre tätige Teilnahme an der
Liturgie selbst als Vollzug der Liturgie begriffen wird. Und schließlich
muß das einigende Band dieser zweifachen und gegenläufigen
Bewegung dargestellt werden. Es ist der Heilige Geist als „Medium'
der gegenseitigen Gegenwart, der beide Bewegungen, die der .Mysteriengegenwart
' für die Gläubigen und die der tätigen Teilnahme der
Gläubigen an diesem Mysterium, innerlich miteinander verbindet"
(7630- Würde die eschatologische Dimension, die sonst viel zu kurz
kommt (7760. stärker berücksichtigt, so läge ein sehr verheißungsvoller
Entwurf zu einer vollständigen Theologie des Gottesdienstes
vor. Man kann sich wünschen, daß der Vf. selber dieses Projekt aufgreifen
möge.

Durham/USA GeofTrey Wainwright

Referate über theologische
Dissertationen in Maschinenschrift

Pfüller, Wolfgang: Der Streit der Religionen - rational entscheidbar?

Zum Problem objektiver Beurteilungskriterien für religiöse Aussagenzusammenhänge
, Halle/S. 1984, XVIFI, 211 S.

Die vorliegende Dissertation (B) nimmt ihren Ausgang zum einen
von dem in den zurückliegenden Jahren eminent gestiegenen Interesse
an den Religionen im allgemeinen sowie im besonderen von Seiten der
christlichen Theologie. Zum andern aber ist sie veranlaßt durch das
an der christlichen Theologie zu beobachtende Defizit hinsichtlich
der Auseinandersetzung oder auch des Dialogs mit den (anderen)
Religionen. Dieses Defizit tritt vor allem in der Frage der Beurteilung
der Religionen, mehr noch von deren Auffassungen, zutage. Die Beurteilung
wird nämlich offensichtlich in fast allen Fällen von derGrund-
position der eigenen (christlichen) Religion aus vorgenommen. Die
hiermit vollzogene Voraussetzung indes erscheint durchaus problematisch
. Das Problem der Untersuchung ist folglich die Frage,
ob und ggf. auf welchem Wege es möglich ist. objektive, d. h. von einer
bestimmten religiösen Grundposition unabhängige Kriterien für eine
vergleichende Beurteilung religiöser Aussagenzusammenhänge zu
erheben. Dabei wird die Fragestellung mit Bedacht auf die objektive
Beurteilung des - wenn man so sagen darf - theoretischen Ausdrucks
der Religionen eingegrenzt, da die Frage nach der objektiven Beurteilung
der Religionen im ganzen bei weitem zu komplex sein dürfte, um
mit Aussicht auf Erkenntnisgewinn behandelt werden zu können. Es
ist in Anbetracht der bezeichneten Fragestellung ersichtlich, daß
es sich in der vorliegenden Untersuchung vorwiegend um methodologische
Auseinandersetzungen handelt. So wird in einem ersten
Kapitel des Teiles I (S. 9-146) zunächst die ..Behauptung der Unmöglichkeit
objektiver Beurteilungskriterien" überprüft (S. 9-46). Dabei
wird zum einen der sowohl von Religionswisscnschaftlcrn als auch
von Religionsphilosophen vertretene Relativismus in Sachen der vergleichenden
Beurteilung der Religionen als nicht stichhaltig erachtet.
Zum anderen aber kann ebensowenig die vor allem von seiten
K. Barths abgegebene kategorische Erklärung überzeugen, wonach die
Religion allein von der eigenen, christlichen Entschiedenheit her
beurteilt werden darf, die sich auf die unanfechtbare Instanz der
Offenbarung beruft. Nachdem somit die „Behauptung der Unmöglichkeit
objektiver Beurteilungskriterien" abgewiesen ist, werden
positive Lösungssätze für das Problem der Untersuchung verfolgt und
diskutiert Hierbei steht an erster Stelle die altehrwürdigc Frage, ob
das „Wesen der Religion" als Beurteilungskritcrium der Religionen,
genauer ihrer Aussagenzusammenhänge, tauglich sei (S. 47-96). Freilich
zeigen sich bei der Analyse sowohl der religionsphänomenolo-
gischen als auch der religionsphilosophischen Wesensbestimmung der
Religion mancherlei Schwierigkeiten. Die hauptsächliche Schwierigkeit
scheint darin zu bestehen, daß die Wesensbestimmung entweder
als faktisches Abstrakt (Religionsphänomenologie) oder als normatives
Konstrukt (Religionsphilosophie) sich darstellt. Beide Male aber
wird das erstrebte objektive Beurteilungskriterium nicht erreicht.
Mangelt es einerseits an der normativen, so andererseits an der allgemeinen
(im Sinne der objektiven) Verbindlichkeit des gewonnenen
Kriteriums. Gleichwohl wird ein Ansatzpunkt zur Uberwindung der
genannten Schwierigkeit erkennbar, indem in der religionsphilosophischen
Wesensbestimmung auf eine Gegebenheit reflektiert wird,
die der Religion nicht allein faktisch und in dem Sinne zufällig angehört
, vielmehr sie notwendig konstituiert. Diese Größe nämlich
scheint sowohl den geforderten Anhalt am Faktischen zu gewährleisten
und somit allgemeine Verbindlichkeit zu ermöglichen, wie
auch normative Potenz in sich zu tragen, da sie offensichtlich verpflichtenden
Charakter besitzt. Zwei Hinweise führen diesen Gedanken
weiter: 1. Die reklamierte Gegebenheit scheint da zu finden zu
sein, wo Religion ihren notwendigen empirischen Ort hat. 2. Die
Frage nach dem Wesen der Religion fällt in dieser Hinsicht offenbar
mit der Frage nach der Wahrheit der Religion zusammen, sofern
letztere Frage eben die nach dem notwendigen empirischen Ort der
Religion zu sein scheint.

„Die Lösungsversuche E. Troeltschs und W. Pannenbergs" werden
als hervorzuhebende positive Lösungsansätze des Problems der
Untersuchung in einem dritten Kapitel eigens analysiert (S. 97-146).
Dabei erweist sich freilich sehr bald, daß die im vorhergehenden
Kapitel erzielten Einsichten durch die ungemein eindringenden
Reflexionen Troeltschs einer schweren Belastung ausgesetzt werden.
Denn Troeltschs in mehreren Anläufen unternommener Versuch
einer vergleichenden Beurteilung der Religionen endet trotz aller
gegenteiligen Intentionen offensichtlich vollständig aporetisch. Die
fällige Entscheidung in Sachen Religionen vermag Troeltsch schließlich
nur noch subjektiv zu begründen. Alle Beurteilungsmaßstäbe versinken
im Strudel historischer Relativität, aus dem es kein Entrinnen
zu geben scheint; nur eine „persönliche Tat" vermag hier noch zur
Entscheidung zu verhelfen. Dem wird allerdings vom Vf. entgegengehalten
, daß es gerade die Frage über die historische Relativität hinaus
sein dürfte, die von diesem Strudel nicht sich verschlingen läßt. Ja die
Vermutung geht schließlich dahin, daß diese Frage genau das intendiert
, worauf auch die Frage nach dem empirischen Ort der Religion
zielt. Die Überlegungen W. Pannenbergs bestätigen das. indem sie
einen bemerkenswerten Vorschlag für die matcriale Bestimmung des
notwendigen empirischen Ortes der Religion unterbreiten.

Nach all diesen vornehmlich methodologischen Auseinandersetzungen
legt der Vf. im Teil II seiner Arbeit einen eigenen Vorschlag
zur Lösung des behandelten Problems dar (S. 147-178). Aufgrund der
Annahme, daß der gesuchte empirische Ort der Religion mit dem
Grundproblem identisch ist, das sich unweigerlich gerade der Religion
stellt, sowie aufgrund einiger weiterer Differenzierungen lautet
der methodologische Lösungsvorschlag wie folgt: Müssen religiöse
Aussagenzusammenhänge in ihrem Kern als Lösungsversuche des
religiösen Grundproblems begriffen werden, so vermögen sie grundlegend
daran überprüft zu werden, mit welcher Vorzüglichkeit sie vergleichsweise
das ihnen aufgegebene Grundproblem wahrzunehmen
sowohl wie zu lösen imstande sind. - Im Anschluß an dieses methodologische
Ergebnis wird darüber hinaus in einigen Überlegungen versucht
, vermutungs- und andeutungsweise das religiöse Grundproblem
material zu bestimmen und von daher einige grundlegende Kriterien
zur objektiven Beurteilung religiöser Aussagenzusammenhänge zu
formulieren. Die entscheidende Markierung lautet hier: Religiöse
Aussagenzusammenhänge sind in ihrem Kern Versuche einer Antwort
auf die Frage nach dem Ganzen der empirischen Wirklichkeit.
Sie können folglich daraufhin überprüft werden, mit welcher Vorzüglichkeit
sie diese Frage zu beantworten in der Lage sind. Dieses
Grundkriterium wird weiter präzisiert und in wenigen exkursartigen
Erwägungen anhand einer vergleichenden Beurteilung von Islam bzw.
Buddhismus und Christentum in knapper Andeutung ausprobiert.