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Ausgabe:

1985

Spalte:

392-393

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Ethik lehren : Grundlegung, Hermeneutik

Titel/Untertitel:

Didaktik 1985

Rezensent:

Kehnscherper, Günther

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391

Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 5

392

Aber christliche Ethik heute muß gewisse gesellschaftliche Strukturen
favorisieren: die Gleichheit aller Menschen, Fürsorge für die
Benachteiligten und Geringen, die Pluralität menschlicher Kulturen
und Lebensstile, gegenseitiges Aufhelfen und Versöhnungsbereitschaft
. Entsprechend sind zu bekämpfen: Klassengegensätze, die die
Menschen und ihre Lebensmöglichkeiten verschieden machen und
einigen das Recht geben, über das Glück aller anderen zu befinden.
Absolutsetzungen bestimmter kultureller Formen oder sozialer Gruppen
, die „kulturelle Arroganz" und prinzipielle Gewalttätigkeit, Völkerfeindschaft
, individualistischer Egoismus und Ausbeutung der
Schwachen (191 f). So bleibt christliche Ethik (und daraufkommt es
an) in Analogie zum Denken der frühen Christenheit.

Berlin Hans-Georg Fritzsche

Praktische Theologie:
Katechetik/Religionspädagogik

Hemel, Ulrich: Theorie der Religionspädagogik. Begriff-Gegenstand
- Abgrenzungen. München: Kaffke 1984. 485 S. 8 Kart.
DM 48,-.

Diese Regensburger Dissertation bemüht sich um die Klärung des
Selbstverständnisses der Religionspädagogik mit Hilfe von Untersuchungen
zur Definition der Begriffe Religionspädagogik und Kate-
chetik. Der Verfasser stellt die in der katholischen und evangelischen
Literatur der letzten Jahrzehnte bei verschiedenen Autoren implizit
und explizit vorliegenden Definitionen zusammen und diskutiert darüber
mit Hilfe eines typologischen Rasters. Er selbst definiert Religionspädagogik
nicht pluridisziplinär und nicht außertheologisch,
sondern primär aus ihrer Zuordnung zur Theologie. Wird nach ihrem
Gegenstand gefragt, so besteht die Möglichkeit, sie als didaktische
Theorie des Religionsunterrichts oder als Theorie religiöser Erziehung
und Bildung, als die Theorie des pädagogischen und didaktischen
Handelns der Kirche oder als Theorie religiösen Lehrens und
Lernens zu bestimmen. Hemel erwägt Vor- und Nachteile aller dieser
Möglichkeiten und entscheidet sich dann dafür, sie als Theorie religiöser
Vermittlung zu verstehen, und nimmt an, daß in dieser Definition
alle positiven Momente der anderen Definitionen integriert
werden können.

Das Problem der Abgrenzung zwischen Religionspädagogik und
Katechetik geht er in gleicher Weise an, indem er die verschiedenen
Weisen der Abgrenzung, wie sie faktisch in der Literatur vorkommen
und wie sie typologisch zu konstruieren sind, nebeneinander stellt. Er
selbst plädiert für einen Modus, bei dem Religionspädagogik zuständig
ist für alle Prozesse der religiösen Vermittlung bei Menschen, die
noch nicht zum Glauben gekommen sind, Katechetik hingegen für
solche bei Menschen, die mindestens eine anfängliche Glaubensentscheidung
hinter sich haben. Die Religionspädagogik rückt auf diese
Weise in die Nähe der Missionswissenschaft. Sie hat es mit dem „Sprechen
an der Pforte" zu tun, Katechetik mit dem Eingliedern in die
Glaubensgemeinschaft und dem Einüben des Glaubens. Mit diesem
Modus der Abgrenzung nimmt der Verfasser exemplarische Aussagen
der Alten Kirche (Evangelisation geht der Katechese voraus) und heutiger
offizieller kirchlicher Dokumente auf. Dabei betont er, daß in der
konkreten Kommunikation des Religionslehrers mit seinen Schülern
religionspädagogische und katechetische Prozesse ineinander gehen
und sich vielleicht nur in der Beziehung zwischen ihm und einzelnen
seiner Schüler klar unterscheiden lassen.

Religionspädagogik ist für den Verfasser eindeutig eine theologische
Disziplin. Denn die Aufgabe der korrelativen Vermittlung zwischen
Tradition und Situation ist für die Theologie als Ganze grundlegend,
und die Religionspädagogik bekommt auf diese Weise eine paradigmatische
Funktion für die Theologie.

Am Fleiß, mit dem der Verfasser die (deutschsprachige, nur diese)
religionspädagogische Literatur der letzten 40 Jahre durchgearbeitet

hat, an seiner Gründlichkeit und am Scharfsinn seiner Argumente ist
nicht zu zweifeln. Hingegen bezweifle ich, ob sich das Selbstverständnis
einer wissenschaftlichen Disziplin durch vordergründig sprachliche
Überlegungen zu ihrer Selbstbezeichnung klären läßt. Der Verfasser
hätte seinem Fach wohl mehr gedient, wenn er einen eigenen
Entwurf vorgelegt hätte, in welchem er seine Sicht mit Ausführungen
über den missionarischen Auftrag, über das Verhältnis von Kirche
und Welt und von Glauben und Unglauben und mit Überlegungen
zur Beziehung eines christlich-gläubigen Lehrers und Erziehers zu
seinen evtl. nicht gläubigen Schülern begründet hätte. Vielleicht
würde ich dann begreifen, wie ein solch ausschließlich missionarisches
Programm Für den schulischen Religionsunterricht auch
außerhalb des katholischen Freistaates Bayern gegenüber der Schule
loyal und gegenüber religiös nicht interessierten oder atheistischen
Schülern verantwortbar ist.

Schließlich gestehe ich, daß mir auch die Gelehrsamkeit, die sich
hier breit macht, mehr und mehr fraglich wird: Ein junger Gelehrter,
der nach allem, was er schreibt, eigentlich brennen sollte. Menschen
„außerhalb der Pforte" zum Glauben zu rufen, bringt ein oder zwei
Jahre seines Lebens damit zu, Zitate seiner Fachgenossen zu sammeln
und damit ein dickes Buch zu füllen, das andere Doktoranden und
Rezensenten lesen müssen. Dabei würde ein Zehntel der bedruckten
Seiten genügen, um das zu umschreiben, was er selber Neues zur Diskussion
zu sagen hat. Was hat das für einen Sinn? Wem dient es?

Basel Walter Neidhart

Mayer, Rainer: Ethik lehren. Grundlegung, Hermeneutik, Didaktik.
Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen II. Stuttgart:
Calwer Verlag 1982. 200 S. 8- = Arbeiten zur Pädagogik, 23. Kart.
DM 29,-.

Im Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen in der BRD
stehen seit eh und je Lebensfragen der Schüler, also ethische Themen,
im Mittelpunkt. Die Einführung eines Alternativ-Fachs zum Religionsunterricht
erfordert nun unausweichlich ein Überdenken der bisherigen
religionspädagogischen (und kirchlichen) Positionen zur
Morajerziehung und zum „Christsein im Beruf.

Die unterschiedliche Benennung des Ersatzfaches („Ethik-Unterricht
" in Bayern und Baden-Württemberg, „Allgemeine Ethik" im
Saarland, „Werte und Normen" in Niedersachsen, „Politik II" in
Hamburg) weist auf unterschiedliche Schwerpunkte bei der inhaltlichen
Gestaltung hin. Gemeinsam ist den bisher eingeführten Rahmenplänen
die Abgrenzung vom Fach Religion und von der im Religionsunterricht
vermittelten Art der Begegnung mit ethischen
Fragen.

Diese Situation der Herausforderung bildet den aktuellen Hintergrund
des vorliegenden Buches. Hier wird theologisch gründlich und
zugleich religionspädagogisch praktikabel ein klar profilierter sozialethischer
Ansatz wie auch eine neue didaktische Konzeption für den
problemorientierten Religionsunterricht an berufsbildenden und
berufsbegleitenden Schulen angeboten, zum Teil mit wegweisenden
Aspekten. Die hier zusammengefaßten Erfahrungen, Modelle und
Ergebnisse werden über den Kreis der Religionspädagogen hinaus für
alle bedeutsam, die sich mit Fragen der Ethik befassen. Weite Partien
im ersten Hauptteil „Grundlegung und Hermeneutik christlicher
Ethik" (11-85) gehen auf Probleme ein. die sich im Grunde jeder
Pfarrer stellen und erarbeiten müßte, der heute Konfirmandenunterricht
gibt.

Wichtig ist die hier vorgelegte Fragestellung, weniger das Ergebnis
einzelner Modell-Erörterungen, denen der zweite Teil „Neufassung
der Didaktik des Religionsunterrichts am Beispiel berufsbildender
Schulen" (87-153) gewidmet ist. So wird der Vf. zu seinen Ausführungen
in Abschnitt 3.2. (Füllung von Normen und Verhaltensmustern
mit Glaubensmotiven) angesichts moderner gesellschaftswis-