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Ausgabe:

1985

Spalte:

383-386

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Wyman, Walter E.

Titel/Untertitel:

The concept of Glaubenslehre 1985

Rezensent:

Pfüller, Wolfgang

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Theologische Literaturzeilung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 5

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wie er in der anderen Religion gegenwärtig ist, so wie er von ihr gesehen
wird" (137). Die Religionen, das Christentum eingeschlossen,
sind Lichter, die vom selben Licht kommen.

Der Grundriß Schoens, der hier nur anskizziert werden konnte, ist
von großer Bedeutsamkeit. Er ruft die Theologie aus der christlichen
Antwort-Befangenheit heraus, die zugleich eine nordamerikanisch-
europäische ist. Die Aufgabe der Theologie als Selbstreflexion des
christlichen Glaubens dürfte durch die bedeutenden Theologen unseres
Jahrhunderts im wesentlichen als abgeschlossen gelten. Der
Grundriß Schoens zeigt die Öffnung zur vor uns liegenden neuen Aufgabe
einer Theologie der Religionen, die die Arbeit der genannten
Theologen von den Grenzwerten ihres Blicks aus fortsetzt. Eine solche
Theologie der Religionen wird ohne die dialogische und im
beschriebenen Sinne missionarische Präsenz der anderen Religionen
nicht zu leisten sein.

Dortmund Paul Schwarzenau

Wyman, Walter E., Jr.: The Concept of Glaubenslehre. Ernst
Troeltsch and the Theological Heritage of Schleiermacher. Chico,
CA: Scholars Press 1983. XIX, 255 S. 8" = American Academy of
•Religion Academy Series,44. Lw. $ 14.95.

"The time is ripe for a serious consideration of Troeltsch's alternative
to dogmatics. The theological Situation today is markedly
different from that of the 1920's, when the dialcctical theologies
emerged and polemically excluded Troeltsch's alternative. The shift
in theological epochs provides compelling reasons for thinking that a
reassessment of Troeltsch's work is of construetive, and not just of
historicaJ, interest." (201) Diese Sätze gegen Ende der zu besprechenden
Arbeit W. E. Wymans bezeichnen prägnant deren aktuellen systematischen
Einsatzpunkt. Die Untersuchung W.s, 1980 der Universität
Chikago als Dissertation vorgelegt, reiht sich ein in die mittlerweile
mannigfachen Bemühungen, die Bedeutung der neuprotestantischen
Theologie und nicht zuletzt die der Überlegungen Troeltschs
(= Tr.) im Rückgang hinter die seitens der sogen, dialektischen Theologie
herbeigeführte Wende weithin neu zu veranschlagen. (Vgl. auch
Preläce, IXf) Dabei will W. das Augenmerk speziell auf Tr.s Bedeutung
als systematischer Theologe richten, da er eine solche Fragestellung
in Anbetracht ihrer bislang mangelnden Beachtung für längst fällig
hält. (X) Freilich sieht er wohl, daß diese Fragestellung die strittige
Behauptung impliziert, wonach Tr. überhaupt eine Bedeutung als
systematischer Theologe zukomme. Dem weitverbreiteten Einwand,
Tr. habe gerade die Dogmatik aufgelöst, hält W. jedoch entgegen, er
übersehe den entscheidenden Punkt. In der Tat habe Tr. die herkömmliche
Dogmatik auflösen wollen, um indes an ihre Stelle das
Konzept einer „Glaubenslehre" zu setzen. Der hiermit angezeigte
Rückbezug auf den Ahnherrn moderner protestantischer Theologie,
Schleiermacher, werde dabei von Tr. nicht allein nominell, vielmehr
konzeptionell vollzogen, was W. veranlaßt, diesen Rückbezug an den
gegebenen Stellen zur Klärung der Erwägungen Tr.s heuristisch auszuwerten
. (Zum vorigen: Xff)

Nachdem W. den von Tr. bekanntlich nicht zur Veröffentlichung
bestimmten Vortrag der „Glaubenslehre" gleichwohl als authentischen
Text meint betrachten zu dürfen (Xllff), wendet er sich der
Erörterung seiner präzise wie folgt bezeichneten Fragestellung zu: Er
will Tr.s Glaubenslehre vor allem methodologisch, konzeptionell,
untersuchen "as a distinetive form of systematie theology"; und dies
im Zusammenhang der weiteren Schriften Tr.s besonders aus seiner
„mittleren Periode" (etwa 1900-1914). (XIff) Zu diesem Zweck
beginnt W. damit, Tr.s theologisches Programm in Augenschein zu
nehmen (Kap. I, 1-21). Dieses Programm nimmt seinen Ausgang von
der Lage der Theologie in der „modernen Welt", was für Tr. vor allem
heißt: angesichts des modernen naturwissenschaftlichen sowie besonders
des modernen historischen Denkens. Im Ergebnis dieser Konstellation
, so setzt W. auseinander, liegen die Aufgabe einer spezifisch

theologischen Methode zugunsten der allgemein anwendbaren
Methoden von Psychologie und Historie, das daraus folgende
Programm einer „religionsgeschichtlichen Theologie", die erforderliche
Grundlegung einer christlichen Glaubenslehre vermittels einer
„prinzipiellen Theologie" oder „Rcligionsphilosophie", deren
Wissenschaftlichkeit die Legitimität der praktisch vermittelnden
Glaubenslehre garantiert. Aufgrund der hiermit angezeigten Exposition
der Theologie Tr.s erhebt W. die vier charakteristischen Markierungen
("distinetive marks") von dessen Glaubenslehre, die das
Gerüst seiner folgenden Darstellung bilden (vgl. zusammenfassend
21).

Die erste Markierung betrifft Tr.s Religionsphilosophie. W. untersucht
sie in Kap. II seiner Arbeit (23-57) in Hinsicht auf ihren Stellenwert
als prinzipielle Theologie, also unter der Frage: "how does
Troeltsch's philosophy of religion funetion as fundamental theology",
als "the indispensable prolegomcnon to the Glaubenslehre" (23). Die
Aufgabe der Grundlegung hält W. grundsätzlich für erfüllt, insofern
Tr.s Rcligionsphilosophie "the validity and valuc" der in der Glaubenslehre
getroffenen Aussagen gewährleistet. (53)- Die /weite sowie
die dritte Markierung der Glaubenslehre rellektiercn auf deren allgemein
anwendbare Methode als Alternative zur bisherigen, für Tr,
unhaltbar gewordenen „dogmatischen Methode". Glaubenslehre
wird hier zum einen zur „Bewußtseinstheologie", die ihren Ausgang
in der Erfassung und Darstellung des gegenwärtigen christlichen
Bewußtseins nimmt; zum anderen aber bestimmt sie sich als „historische
Theologie", denn "(the) contemporary consciousness is his-
torically conditioned". Dies indes besagt schließlich: "The whole of
Christian thought then funetions as a source of the Glaubenslehre".
(78) Von hier aus muß das „christliche Prinzip" oder das „Wesen des
Christentums" gewonnen werden, das als Basis der Entfaltung einer
christlichen Glaubenslehre dient. W. sieht klar die von Tr. an dieser
Stelle zugestandene wichtige Rolle einer subjektiven Entscheidung,
die im Verein mit reicher historischer Umsicht allererst die Bestimmung
des Wesens des Christentums ermöglicht. (7911) Er diskutiert
sowohl den Einfluß Riekerts als auch Hegels auf Tr.s Wesensbestimmung
und untersucht die Frage einer Synthese dieser Einflüsse.
(79fT. 82ff) Alles in allem: Unbeschadet des subjektiv istischen („axio-
matische Tat") sowie geschichtsmetaphysischen Einschlags seiner
historisch konzipierten Theologie hält W. prinzipiell die von Tr.
methodisch vorgenommene Psychologisierung und Historisierung der
Dogmatik für durchaus akzeptabel. (91) - Im Anschluß an diese
Analyse der von Tr. angewandten allgemeinen Methoden zum Aufbau
der Glaubenslehre (Kap. III, 59-96) untersuc.ht W. im nächsten
Kapitel die vierte der von ihm erhobenen charakteristischen Markierungen
: "Glaubenslehre as practical, ecclesiastical theology".
(97-128) Erörtert werden die Gründe für den im Gegensatz zur
wissenschaftlichen prinzipiellen Theologie behaupteten „praktischen
Status" der Glaubenslehre ("agnostic epistemology", "role of deci-
sion"), deren „praktische Funktion" sowie deren „kirchlicher Kontext
". Besonders interessant ist hier die von W. geführte Auseinandersetzung
um den praktischen, nicht-wissenschaftlichen Status der
Glaubenslehre, die indes in diesem Rahmen nicht weiter verfolgt werden
kann. (Vgl. 122ff)

Nachdem hiermit die methodologische Analyse der Glaubenslehre
Tr.s abgeschlossen ist, wendet sich W. in Kap. V (129-169) deren
Inhalt zu. Allerdings ist die Frage auch hier methodologisch gewichtet:
"The systematie question, how does Troeltsch define and unfold the
essence of Christianity. is posed in order to lest Troeltsch's Glaubenslehre
as an application of his method." (131) "My conclusion is that
the Glaubenslehre represents an uneasy synthesis of the two ten-
dencies of Troeltsch's thought .. . On the one hand, it exemplifies his
historieized method and his theology of consciousness; on the other
hand, it derives its strueture and basic Interpretation of the Christian
principle from his earlier, speculative period." (140f) Mithin erweist
sich Tr.s Glaubenslehre als historische und philosophische Theologie
zugleich. Indes hält W. die beiden Momente durchaus prinzipiell für