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Ausgabe:

1985

Spalte:

375-376

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Die Andreaskirche zu Eisleben 1985

Rezensent:

Mai, Hartmut

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Seite 1

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den die „Fürstlichen Residenzen"' (S. 231-271) der Ernestiner in
Altenburg, Weimar, Torgau und Coburg mit ihren Schlössern und
Schloßkirchen sowie auch den Stadtkirchen als Zentren der Reformation
und häufige Aufenthaltsorte Luthers in ihrer besonderen historischen
und künstlerischen Bedeutung hervorgehoben. Angefügt sind
Ausführungen zu Halle an der Saale, der Residenzstadt Kardinal
Albrechts von Hohenzollern. An der Baugeschichte der Marktkirche
und ihrer Ausstattung läßt sich die Kontinuität der Kirche und ihre
Erneuerung durch die Reformation Luthers ablesen.

Der Anhang (S. 273-299) enthält ein Reisekalendarium, Literatur,
Personen- und Ortsregister. Die in den Text eingefügten, z. T. zu
Gruppen zusammengefaßten farbigen und schwarzweißen Abbildungen
bringen in vorzüglicher Qualität historische und dem gegenwärtigen
Zustand entsprechende Wiedergaben der Städte. Bauwerke, Einzelkunstwerke
sowie der Lulherdenkmäler des 19. Jahrhunderts.

Leipzig Hartmut Mai

Roch, Irene: Die Andreaskirchc zu Eisleben. 2., Überarb. Aull. Berlin:
Union Verlag 1983. 32 S. m. Abb. kl. 8" = Das christliche Denkmal
, 77. Kart. M 1,50.

-: Schloß- und Stadtkirchc zu Mansfeld. Berlin: Union Verlag 1983.
32 S. mit Abb. kl. 8" = Das christliche Denkmal, 117. Kart.
M 1,50.

Beide hier zu besprechenden Monographien sind in jeweils abgerundeter
Darstellung zum einen der Andreaskirche in Eisleben als
dem größten Kirchenbau der Stadt, zum andern der Schloßkirche und
Stadtkirche (Talkirche) in Mansfeld gewidmet. Liest man beide Darstellungen
miteinander, so ergibt sich ein eindrucksvolles Gesamtbild
der kulturellen Leistungen in der ehemaligen Grafschaft Mansfeld
vom beginnenden 15. bis in das frühe 17. Jahrhundert, denen noch ein
vorübergehendes Aufblühen im Hochbarock folgte.

Die durchweg gotischen bzw. spätgotischen Kirchenbauten beziehen
manchmal schon früher als in Halle die Ornamentik der Frührenaissance
ein. Die Renaissance, gefolgt von Manierismus und
Barock, findet vornehmlich in zahlreichen Grabdenkmälern ihren
Niederschlag, wie sie alle drei Kirchen aufweisen. Sie sind größtenteils
dem weitverzweigten Mansfelder Grafenhaus gewidmet, dessen Angehörige
die Kirchen als Grablege benutzten. Vor allem aber sind die
Orte und ihre Kirchen mit dem Leben Martin Luthers verbunden, der
in Eisleben geboren und gestorben ist und seine Kindheit in Mansfeld
verbracht hat. In den Kirchen hat er gepredigt. Die Kanzel in der
Andreaskirche zu Eisleben erinnert an die letzten vier Predigten seines
Lebens. Zum besonderen Schmuck dieser Kirche gehören die Bronzebüsten
Luthers und Melanchlhons von G. Schadow auf von Schinkel
entworfenen Sockeln.

Jede der drei Kirchen hat in der heute vorfindlichen Gestalt ihren
unverwechselbaren historischen und künstlerischen Wert. Die drei-
schiffige spätgotische gewölbte Halle der Andreaskirche in Eisleben
beherrscht mit der dreichörigen Ostpartie und dem massigen Nordturm
mit barocker Haube den Markt. Zu den Kostbarkeiten im Innern
gehört der spätgotische Flügelaltar und das Renaissanccgrabmal
Hoyers IV., des letzten katholischen Grafen von Mansfeld-Vordcrort
(gest. 1540).

Die dem heiligen Georg geweihte Schloßkirche in Mansfeld ist der
einzige vollständig erhaltene Teil der gewaltigen, drei Renaissanceschlösser
umfassenden, stark befestigten Gesamtanlage. Sie ,.gehört
wegen der einheitlichen Wirkung des Raummantels, der harmonischen
Farb'igkeit und der reichen Ausstattung zu den bedeutendsten
deutschen Schloßkirchen der Gotik" (Mansfeld S. 5). Die Ausstattung
selbst, in der sich Spätgotik und Frührenaissance verbinden, ist
typisch vorreformatorisch. Über die liturgischen Aspekte der gut
erhaltenen inneren Anordnung würde man gern mehr erfahren. Wichtig
ist der Hinweis zum ursprünglichen Standort des spätgotischen
Kruzifixus auf dem Chorgitter.

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Die schlichte, ungewölbte Stadt- bzw. Talkirche St. Georg in Mansfeld
stellt „einen reduzierten Typ der bürgerlichen Hallenkirche aus
der Zeit der frühbürgerlichen Revolution dar" (Mansfeld S. 24). Die
reiche Innenausstattung reicht von drei spätgotischen Flügelaltären
über die vom heiligen Georg getragene manieristische Kanzel von
1617 bis zur zweigeschossigen Barockfässade von Gruft und Betstube
des Grafenhauses. Hinzu kommen Reste von Farbfenstern aus dem
1. Viertel des 16. Jahrhunderts, Emporenbilder. Grabsteine und Epitaphe
. In diesen Zusammenhang gehört auch eine Auferstehung Christi
von Cranach d. Ä. von 1545. Ein Bemerkenswertes, auf 1540
datiertes ganzfiguriges Bildnis Martin Luthers könnte auf die Einführung
der Reformation in der gesamten Grafschaft in jenem Jahr hinweisen
.

Der Autorin ist es gelungen, auf begrenztem Raum ein anschauliches
und zuverlässiges Bild von drei bedeutenden christlichen
Denkmälern im Mansfelder Land zu geben.

Leipzig Hartmut Mai

Senn, Otto H.: Evangelischer Kirchenbau im ökumenischen Kontext.

Identität und Variabilität - Tradition und Freiheit. Bascl-Boston-
Stuttgart: Birkhäuser 1983. 120 S. m. zahlr. Abb. gr. 8'= Schriftenreihe
des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur an
der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, 26. Kart.
SF 30.-.

1893 gab die Vereinigung Berliner Architekten als Anwalt eines
genuin evangelischen Kirchenbaus das Standardwerk ..Der Kirchenbau
des Protestantismus von der Reformation bis zur Gegenwart"
heraus. Das theoretische Ringen um die Fragen des Kirchenbaus ist
seitdem lebendig geblieben und hat an Intensität zugenommen.
Unübersehbar viele Neubauten sind entstanden, in denen sich Tradition
und Erneuerung in einem breiten Spektrum ausdrücken. Begleitet
wird die Bautätigkeit von Forschung und Dokumentation. Eingeschlossen
war und ist darin eine ständig zunehmende Wertung und
Sichtung der vom 16. bis zum 20. Jahrhundert überlieferten Kirchenbauten
und Kirchbautheorien. Gleichzeitig wirkte einem auf die
Gegenwart bezogenen Bauen von Kirchen die unrcflektierte Orientierung
am Kirchcnbauideal der Romantik unter Ignorierung der
älteren reformatorischen Bautradition entgegen. Als jüngstem Beitrag
zur geistigen Verarbeitung der geschichtlichen Entwicklung des evangelischen
Kirchenbaus von der Reformation bis in die siebziger Jahre
unseres Jahrhunderts kommt der Veröffentlichung des Schweizer
Architekten und Ehrendoktors der Theologischen Fakultät Zürich
Otto H. Senn besondere Bedeutung zu. Der Verfasser hat sich mit den
geschichtlichen Zeugnissen des Kirchenbaus als lebendigem Erbe auseinandergesetzt
. Die Vorgänge in Theorie und Praxis innerhalb der
letzten Jahrzehnte hat er mit durchlebt und durch seine engagierten
und pointierten Beiträge in Veröffentlichungen und (nicht ausgeführten
) Bauten mitgeprägt. Jetzt hat er Erfahrungen, Erkenntnisse und
Überzeugungen zusammengefaßt und. in Wort und Bild konzentriert,
präzis und anschaulich dargeboten. In einer Situation, in der die Frage
nach der Liturgie und einem ihr angemessenen Raum mit kritischem
Blick auf die jüngere Vergangenheit neu gestellt wird, leisten Senns
Thesen einen wichtigen Beitrag zur Klärung des Standorts und zu
einem „nüchternen" Herangehen an gestellte Aufgaben. Zu Recht
hebt Georg Germann im Vorwort hervor, daß Senn auf eine Raumbildung
ausgerichtet ist, die die liturgische Funktion im weitesten Sinne
zurGrundlage hat.

In einem I. Teil entfaltet der Verfasser das Thema (S. I 1-28). Er
bezeichnet das Problem (bestehende „Diskrepanz zwischen dem
Anspruch der Kirche, soweit das kirchliche Leben in der Liturgie in
Erscheinung tritt, und dem Bauen der Kirche", S. II), definiert die in
der gesamten Darstellung durchgehaltenen grundlegenden Begriffe
(„Kirchenbau reformatorischer Überlieferung" zum einen. „Moderner
Kirchenbau." zum andern, S. 13) und erläutert die Verwendung

Theologische Litcraturzcitung I 10. Jahrgang 1985 Nr. 5