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Ausgabe:

1985

Spalte:

374-375

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Martin Luther - Städte, Stätten

Titel/Untertitel:

Stationen 1985

Rezensent:

Mai, Hartmut

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 5

374

gang nach vorgelegt wurde, bietet H. Peiter auf 34 Seiten: JL Der
theologische Hintergrund", der zeigen will, ,,in welch großartiger
Weise Schleiermacher die bahnbrechende Erkenntnis Luthers bewährt
" (S. XI) und wie die „ethische Entfaltung reformatorischer
Grundsätze" (S. Xllf) in der Einleitung erfolgt und zum „Plus gegenüber
der .reformatorischen' Ethik" führt (S. XII-XVI); „II. Historische
Einführung". Wie bereits beim Hintergrund auf Teile der Vorlesung
über die Einleitung hinaus Bezug genommen ist. wird hier noch
mehr auf alle Vorlesungen über christliche Sittenlehre eingegangen,
dann werden die Jortassche Edition des Durchgangs von 1822/23 und
des Kolleg von 1826/27 sowie dje dazu benutzten Hörernachschriften
besprochen. Hier auch die Gründe für die Entscheidung zu diesem
Text, den Peiter für das ganze Kolleg schon in einem sogenannten
..Anhang" zu seiner Habil.-Schrift 1969 im Ormig-Verfahren vorlegte
. Unter „III. Editorische Grundsätze" wird die vorgelegte Edition
erklärt in bezug auf Textgestaltung, textkritischen und Sachapparat;
z. T. sind sie übernommen aus dem Musterband für die 1. Abteilung
der Kritischen Gesamtausgabe für die Druckschriften Schleiermachers
, nun aber zugeschnitten auf die 2. Abteilung der Nachschriftenbände
, nicht mit beispielgebendem Anspruch, sondern zur Diskussion
stellend.

Der Haupttext mit doppeltem Apparat beansprucht ca. 55 Seiten,
das übrige benötigen die Verzeichnisse von Abkürzungen und benutzter
Manuskripte (sämtlich im Nachlaß bei AdW der DDR) sowie
die Titelei mit Vorwort, Literatur und Register. Der rekonstruierte
Text der Einleitung aufgrund von Nachschriften ist knapp ein Sechstel
des oben erwähnten „Anhangs zur theologischen Habilitationsschrift
", der im Verhältnis drei zu zwei Haupttext und Apparat auf
1064 Bl. bietet. Der Vergleich zeigt Änderungen in der vom Hrsg. vorgenommenen
Gliederung und Rückbildung vom modernen Deutsch
in die Schreib- und Ausdrucksweise der Nachschreiber. Neu hinzugekommen
ist der Sachapparat, der auch einige Originaltexte
Sehleiermachers aus Aufzeichnungen von 1809 u.a. bringt. Ob „in
der That" auf die Schreibart zu Beginn des 19. Jh. rückzuändern
..nöthig" war. ist anzufragen, aber in unserem begrenzten Rezensions-
umfang können die editorischen Grundsätze nicht diskutiert
werden.

Schleiermachers Einleitung zur christlichen Sittenlehre selbst ist
auch in der fiktiven Gestalt der Rekonstruktion ein wertvolles Zeitdokument
voller theologie- und philosophiegeschichtlicher Bezüge.
Sie gibt tiefen Einblick in sein Denken und auch einen starken Eindruck
seiner geistigen Virtuosität beim Vortrag grundlegender Zusammenhänge
, die aus meist ganz knappen und zunächst einfach anmutenden
Leitsätzen entfaltet wurden. Die gut begründete Bevorzugung
des Kollegs von 1826/27 gegenüber der 1843 von L.Jonas
veröffentlichten Version 1822/23 (Werke 1/12) überzeugt um so
mehr, wenn man die Leistung des Hrsg. am Vergleich seiner präzis
bis ins Detail nachgewiesenen Textrekonstruktion mit einigen von
Jonas abgedruckten parallelen Nachschriftstücken ermißt (z. B. S. 4.
21 -9,6 mit Werke 1,12 S. 40- Zahlreichen Problemen und mancherlei
Schwierigkeiten ausgesetzt, hat hier ein außerordentlicher Sachkenner
der Schleiermacherforschung einen wichtigen Dienst geleistet.
Seine Edition zusammen mit Honeckers Essay geben eine gute Anregung
für die Bewältigung dieses Klassikers der Religion in Gestalt
protestantischer Theologie. Für die begonnene Kritische Gesamtausgabe
, deren Herausgeber und Mitarbeiter ist die Edition zweifellos
willkommene Diskussionsgrundlage für das Vorgehen in der 2. Abteilung
: für Seminare und Spezialstudien eignet sie sich vorzüglich als
Quellenerschlicßung und zum Quellenvcrgleich. Der neuen Zuwendung
zu Schlciermachcr und nützlichen Befässung mit seinen theologischen
und ethischen Ansätzen dient der vorliegende Band in aktueller
Weise.

Jena Horst Bcintkcr

Christliche Kunst

Badstübner-Gröger, Sibylle, und Peter Findeisen: Martin Luther.

Städte - Stätten - Stationen. Eine kunstgeschichtliche Dokumentation
. Leipzig: Koehler & Amelang 1983. 299 S. und zahlreiche
Abb. farbig und schwarzweiß. Lw. M 62,-.

Mit vorliegender Dokumentation zu Luther, die Text und Bild
gleichgewichtig umfaßt, wird ein Weg fortgesetzt, den zuerst Paul
Schreckcnbach und Franz Neubert beschritten haben (Martin Luther.
Ein Bild seines Lebens und Wirkens. Mit 384 Abbildungen vorwiegend
nach alten Quellen. Leipzig 1916). Dieses Vorgehen wird der
Tatsache gerecht, daß viele Mensehen unserer Zeit zuerst über Bildnisse
, Denkmäler und Wirkungsstätten einen Zugang zum Reformator
finden. Die Besonderheit der vorliegenden Veröffentlichung
liegt im konsequent angewandten kunsthistorischen Ansatz. Bauwerke
und Zeugnisse der bildenden Kunst dienen nicht nur der Illustration
der Lebensgeschichte, der Kämpfe und der theologischen
Anliegen Luthers und seiner Zeitgenossen. Sie werden vielmehr in
ihrer spezifischen künstlerischen und historischen Realität erläßt und
gewürdigt. Jedes Denkmal wird in seiner eigenen Geschichte, seiner
nachweisbaren Bedeutung im Lebensgang Luthers und seiner Entwicklung
zur Gedenkstätte gesehen. Scheinbar mühelos wird der
Leser im Miteinander von rekonstruierender Beschreibung und einem
informativen Bildangebot in die Örtlichkeiten der Reformationsgeschichte
eingeführt und begreift sie als die Räume, in denen sich Vorgänge
und Entscheidungen von größler historischer Tragweite ereigneten
. Ebenso selbstverständlich wird an Hand der Geschichte von
Lutherstätten und Lutherdenkmälern ein treffendes Bild von der
Lutherrezeption namentlich des 19. Jahrhunderts entwickelt. Sie trifft
besonders deutlich an den ikonographisch und künstlerisch oft miteinander
verwandten Lutherdenkmälern in Erscheinung.

Auch wenn es der Charakter des für eine breite Öffentlichkeit
bestimmten Buches nicht zuläßt, den Fortschritt in der kunsthistorischen
Forschung durch Anmerkungen zu belegen, so entgeht dem aufmerksamen
Leser nicht, daß die Darstellungen sich auf dem neuesten
Stand befinden. Vieles, was die Geschichte der Bauten und ihrer Ausstattung
sowie ihre denkmalpflegerischc Betreuung in jüngster Zeit
betrifft, wird hier mit Detailkenntnis und Einfühlungsvermögen oft so
zum ersten Mal gesagt (z. B. Augustinerkloster Erfurt S. 84-87.
Lutherhalle Wittenberg S. 94-133. Schloß Hartenfels in Torgau
S. 240-241, Marktkirche Halle S. 270-271). Ohne die wichtigsten
baugeschichtlichen Eckdaten zu unterschlagen, wird die Darstellung
jeweils auf die Person Luthers und sein reformatorisches Wirken zugeschnitten
.

Somit ist es den Autoren gelungen, die überaus reiche und disparate
Überlieferung, die in Städten, Stätten und Stationen auf dem Wege
Luthers zwischen Wittenberg und Rom zutage tritt, in ihren geistigen
Zusammenhängen zu begreifen. Sie haben dies auch dadurch erreicht
, daß sie in der Anordnung des Stoffes Denkmalgruppen bildeten
, die sich zum einen dem Lebensgang Luthers zuordnen lassen,
zum andern jedoch auch durch Sachgesichtspunkte gegeben sind.

Unter ..Kindheit und Lebensende" (S. 9-38) werden Eisleben und
Mansfeld ausführlich behandelt. Das Kapitel „Ausbildung und Studium
" (S. 39-90) führt nach Magdeburg. Eisenach und Erfurt. Die
gewichtige Mitte des Buches bildet die ..Wittenberger Zeit"
(S. 91-146) mit Wittenberg, ferner Kcmberg, Grimma (Nimbschen)
und Leipzig. „Reisen und Predigtaufcnthalte" (S. 147-196) informieren
über die für Luther bedeutsamen Lokalitäten in Rom. Heidelberg.
Augsburg. Marburg. Jena. Neustadt an derOrla. Saalfeld mit Gräfenthal
und Judenbach sowie Schmalkalden und Gotha. Das Kapitel
„Reichstag und Reichsacht" (S. 197-230) setzt bei Luthers Auftreten
in Worms (1521) ein und stellt die Stationen seines Rückweges
vor. der über die Benediktinerabtei Hersfeld. Möhra als Stammort der
Familie Luther und-den Ort seiner „Gefangennahme" im Luthergrund
bei Altenstein bis auf die Wartburg führte. Abschließend wer-