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Ausgabe:

1985

Spalte:

372

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Vogüé, Adalbert de

Titel/Untertitel:

Die Regula Benedicti 1985

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung I 10. Jahrgang 1985 Nr. 5

372

Geschichte des Pietismus ist dies nach den ..Geistlichen Reden". Göttingen
1979, der zweite Band. Er dokumentiert, daß die Kommission
zur Erforschung des Pietismus gut beraten ist, ihre Arbeit stärker auf
internationale Zusammenarbeit abzustellen, als das bisher der Fall
ist.

Der Pietismus ist keine auf den deutschen Sprachraum zu begrenzende
Bewegung. Erst recht nicht, wenn seine Vertreter zweisprachig
aufgewachsen sind. Tersteegen gehört zu diesen. Er verbrachte seine
Jugend in der Grafschaft Moers. Der Band weist aus, daß er von 1733
bis 1768 immer wieder niederländische Briefe an seine Freunde und
viele unbekannte Stille im Lande geschrieben hat. Heute sind alle
noch vorhandenen 203 niederländisch geschriebenen Briefe Ter-
steegens in diesem Band gut zugänglich. Wie wichtig solche Briefveröffentlichungen
sind, zeigt die Einleitung: Im Archiv des Predigerseminars
Elberfeld befanden sich 7 Kopien in niederländischer
Sprache und 39 Übersetzungen von niederländischen Briefen. Der
Herausgeber hatte diese vor Jahren eingesehen, abgeschrieben, z.T.
aber nur exzerpiert. Als er sie nun herausgeben wollte, „schienen sie
ausgeliehen zu sein, ohne daß Namen und Adresse der Entleiher bekannt
war" (S. XIII Anm. 2). So konnte er vier Briefe (Nr. 130, 133,
134 und 135) nicht mehr vollständig wiedergeben.

Von den 203 hier vorgelegten Briefen sind 107 Briefe bereits 1772
gedruckt worden. Die anderen sind als Kopien in Utrecht, in der
Evangelisch-reformierten Gemeinde Gemarke und bei Prof. Goeters
heute vorhanden. In Gemarke ist der einzige Originalbrief Ter-
steegens erhalten geblieben (Nr. 150). Ich vermisse eine Angabe darüber
, ob und wie intensiv Nachforschungen nach anderen Briefen
vom Herausgeber angestellt worden sind.

Die Einleitung und der Text selbst weisen aus, daß der Herausgeber
mit dem Material sorgsam umgegangen ist. Wenn der Brief zugleich
gedruckt vorliegt, wird auf die Kopie zurückgegriffen. In den Anmerkungen
werden dann eventuelle Differenzen zur gedruckten Fassung
notiert. Die Kommentierung beschränkt sich meist auf den Nachweis
herangezogener Bibelstellen, aber auch andere Hinweise finden sich.
Der Brief Nr. I wird in der handschriftlichen Überlieferung und in
der gedruckten Fassung im vollen Wortlaut hintereinander abgedruckt
. Hiermit kann der Spezialist sehr gut sprachliche Vergleiche
anstellen. Die Hauptadressaten - acht an der Zahl mit 75 an sie
gerichteten Briefen - werden in der Einleitung kurz vorgestellt. Von
104 Briefen sind die Empfänger unbekannt. Über Nachforschungen,
ob es Briefe an Tersteegen von den Empfängern heute noch gibt,
erfahren wir nichts.

Hilfreich ist es insonderheit für den deutschen Leser, vor jedem
Brief eine kurze Inhaltsangabc zu haben. Freilich hätten dieselben
manchmal etwas ausführlicher sein können. Die Mühe, undatierte
Schreiben zeitlich einzuordnen, hat sich der Herausgeber gemacht
(vgl. Brief Nr. 163). Dennoch bleiben 63 Briefe undatiert. Da die
Briefe kaum zeitgeschichtliche Anspielungen enthalten, ließe sich nur
aus der Gesamtsicht und Kenntnis von Tersteegen eine ungefähre
Datierung erreichen.

Ein Namensregister ist dem Band beigegeben, in dem merkwürdigerweise
die Vornamen alle abgekürzt werden. Leider fehlt wie bei
den Geistlichen Reden ein Bibelstellen- und ein Sachregister. Da
solche Texte nur von ganz wenigen Menschen durchgelesen oder
sogar durchgearbeitet werden, dienen sie als Nachschlagewerke.
Dafür sind Register unerläßlich. Das gilt erst recht, wenn es um Briefe
geht, die erbauliche Darlegungen sind. Zu wünschen wäre darüber
hinaus gewesen, daß der Herausgebereinen Blick auf evtl. vorhandene
deutsche Briefe geworfen hätte.

Das mühsame Geschäft der Herausgabe von Texten erfordert aber
neben diesen kleinen Mängeln erst einmal den Dank der Fachwelt.
Die Reihe der Texte zur Geschichte des Pietismus ist mit diesem
Briefband bereichert worden.

Potsdam Peter Schicketanz

Vogüe, Adalbert de, OSB: Die Regula Benedicti. Theologisch-spiritueller
Kommentar. Hildesheim: Gerstenberg 1983. XVI, 462 S. 8"
= Regulae Benedicti Studia, Supplementa, 16. Lw. DM 88,-.

In der Reihe «Sources Chretiennes» waren in den Jahren 1971/72
die Bände 181-186 erschienen, die über die Regel Benedikts von
Nursia vielfältig informierten. 1977 folgte ein 7. Band, der sich «Com-
mentaire doclrinal et spirituel» nannte, der außerhalb der gezählten
Reihe der SC aufgenommen wurde. Dieser Band liegt nun in deutscher
Übersetzung vor (von Emmanuela Mcilwes OSB). Er wendet
sich „nicht so sehr an die Regel-Spezialisten und Fachgelehrten. Er
könnte vielmehr zum wegweisenden Handbuch der Mönche und
Weltleute werden, die sich die Regula Benedicti zu Herzen nehmen"
(B. Jaspert im Vorwort XI). Das Buch versteht sich als „leidenschaftlicher
Appell an das Mönchtum der Gegenwart, sich aufs neue seiner
Grundlagen zu besinnen" (XII). Adalbert de Vogüe ist Professor Für
monastische Theologie und Spiritualität an der römischen Benediktiner
-Universität San Anselmo. Er hält es für die „vornehmste Aufgabe
eines Interpreten der Väterweisheit, in der sich menschliche
Erfahrung und Betrachtung der Heiligen Schrift überschneiden,
... die zugrunde liegenden Schrifttexte klar herauszustellen . . .
Nichts ist aufschlußreicher als diese Suche nach dem Wort Gottes, das
den monastischen Maximen und Observanzen zugrunde liegt" (2).
Vogüe spricht von einer Erfahrung: „Das Erwachen des Mönchtums
führte stets zu einer Rückbesinnung auf die ursprüngliche Observanz
und das alte Ideal. Für das westliche Mönchtum ist die Regel Benedikts
nicht nur das ursprüngliche Gesetzbuch aus alter Zeit, von dem
man sich immer weiter entfernt hat. Sie ist das Ideal geblieben, das den
guten Willen anspornt; sie ist der stille Vorwurf, der uns in unserer
Trägheit beunruhigt, das Reformprogramm für mutige Kommunitäten
, die ihr wieder nachkommen wollten" (7).

Seinen Stoff teilt Vogüe in 22 Abschnitte ein, die mitunter mit einzelnen
Kapiteln der Regula Benedicti übereinstimmen (Kap. 5, 6, 7).
Überwiegend aber fassen die Abschnitte mehrere Kapitel der Regula
zusammen, z.B. Abschnitt 12 (Regula 31-41) oder Abschnitt 21
(Regula 63-72). Abschließend betont Vogüe bei der Erörterung des
letzten Kapitels der Regel (73), daß es innerhalb des Benediktinerordens
Toleranz geben solle, aber nicht jenen „Pluralismus, der in
letzter Zeit innerhalb der benediktinischen Familie überhand genommen
hat" (359). Die Frage „Was würde Benedikt heute tun?" wird
gestellt, um abgewiesen zu werden. Benedikt lebte im 6. Jahrhundert
in Italien, „über seine Reinkarnation im 20. Jahrhundert können nur
müßige Spekulationen angestellt werden" (8).

Rostock Gert Haendler

Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Christliche Sittenlehre. Einleitung
(Wintersemester 1826/27). Nach größtenteils unveröffentlichten
Hörernachschriften hrsg. u. eingel. v. H. Peiter. Mit einem
Nachwort von M. Honecker. Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz:
Kohlhammer 1983. XLIII, 149 S. 8". Kart. DM 38,-.

Drei Autoren begegnen hier dem Leser: Schleiermacher mit dem
sehr repräsentativen Einleitungstcil des Kollegs der christlichen Sittenlehre
, die als Hauptvorlcsung gleich wichtig neben der bekannten
Glaubenslehre steht; H. Peiter als kundiger Herausgeber von schon
vorliegenden neuen Schleiermachereditionen und Martin Honecker
mit einem Nachwort von 23 Seiten, das einem Essay zum Grundverständnis
der Ethik bei Schleiermacher und dessen Bedeutung und
Grenzen gleichkommt. „Unabhängig von der Einführung des Herausgebers
" und ohne „Stellung zu den methodischen Grundsätzen der
Edition" zu nehmen, wurde dieser Text verfaßt, der mit Gewinn für
die eigene Beschäftigung mit Schleiermacher wohl zuerst gelesen werden
sollte. Die speziellere Einführung in den hier edierten Text
Schleiermachers, nämlich die recht bedeutsame Einleitung in der
nach drei Nachschriften rekonstruierten Vorlesung „Die Christliche
Sittenlehre", welche elfmal vorgetragen und hier dem neunten Durch-