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Ausgabe:

1985

Spalte:

368-369

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Jesus and the politics of his day 1985

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Theologische Litcraturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 5

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man besonders durch D. kennenlernt, darunter etliche Dissertationen
(bei uns weiß ich aus den letzten Jahren nur R. Hoppe, Der theologische
Hintergrund des Jakobusbriefes, Würzburg 1977). .

D. steht in einer neuen Reihe, die I. H. Marshall, zusammen mit
W. W. Gasque Herausgeber, 1978 mit seinem Lukaskommentar eröffnete
. Sie läßt sich mit Meyer oder Herder vergleichen, ist nur etwas
schlanker ("something less technical than a full-scale critical com-
mentary"). ohne Übersetzung und in der Grundhaltung konservativer
. L. vervollständigt eine Kommentarreihe, die etwa zwischen
Meyer und NTD steht: wissenschaftlich auf der Höhe, Griechisch
sparsam und in Umschrift, zurückhaltend in der Literaturverarbeitung
; es ist dieselbe, in der C. K. Barretts Auslegungen des Römerbriefs
und der Korintherbriefe erschienen sind. Beide Kommentare
kommen fast ohne Fußnoten aus; auch D. bleibt trotzdem leserlich.

Der Aufbau ist der übliche, nur die Proportionen unterscheiden
sich gemäß dem Charakter der beiden Reihen. D. fängt mit 17 Seiten
Literatur und 60 Seiten Einleitung an. Sie bespricht außer den Einlci-
tungsfragen ausführlich Jakobus' Theologie: 1. Suffering/Testing,
2. Eschatology. 3. Christology, 4. Poverty-Piety, 5. Law, Grace, and
Faith, 6. Wisdom, 7. Prayer (S. 34-57). Bei L. ist die Einleitung kürzer
: The Environment of James; The Setting of James; The Charac-
teristic Ideas and Interests of James; The Epistle of James and Early
Christianity; The Author; Select Bibliography (S. 1-43). Beide haben
Register, D. Autoren, Sachen, griechische und hebräisch/aramäische
Wörter, Stellen, L. Stellen und Namen.

Beide Kommentare sind eigenständig, wenn auch in Methode und
Ergebnissen nicht grundstürzend. L. und D. haben die Gabe. Auslegungsalternativen
knapp und übersichtlich zu skizzieren, und gehen
mit abgelehnten Mcinu/igen vornehm um. Beide urteilen vorsichtig.
Ist etwas wahrscheinlich oder bloß möglich, sagen sie es, z. B. bei
2,18a, wo sie beio> zögernd Dibelius' Deutung von ,Du' und .Ich' als
,dereine' und^öfer andere' aufnehmen, obwohl sie philologisch mehr
als dünn ist (C. E. Donker, Der Verfasser des Jak und sein Gegner.
Zum Problem des Einwandes in Jak 2,18-19, ZNW 72, 1981,
S. 227-240, und H. Neitzel, Eine alte crux interpretum im Jakobusbrief
2,18, ZNW 73, 1982, S. 286-293, die das noch einmal bestätigen
, konnten sie noch nicht kennen). Verschieden sind sie in der Literaturverarbeitung
. D. kann viel anführen und tut es, einschließlich der
Veröffentlichung von S. Laws. Abschnitte und Unterabschnitte'enden
mit Hinweisen auf weiterführende Literatur. L. muß sich beschränken
und zitiert vor allem die englischen und französischen Klassiker F. J.
A. Hort 1909. J. B. Mayor 3. Aufl. 1913, J. H. Ropes 1916, J. Chaine
1927, J. Cantinat 1973. M. Dibelius (englisch 1976) zählt dazu,
H. Windisch. A. Schlatter, F. Mußner nicht (L. nennt überhaupt nur
die 1. Auflage von 1964, die 3. erweiterte von 1975 ist auch D. entgangen
). Will man die Ergebnisse grob charakterisieren, dann etwa so: L.
steht in der Linie von Dibelius. D. in der von Mußner. Die beiden werden
laut Registerauch jeweils am meisten zitiert.

L. sieht ähnlich wie Dibelius den Jakobusbrief als eine ziemlich
lockere Sammlung ethischer Überlieferungen, in der man "charac-
teristic ideas and interests" ausmachen kann, aber keine Disposition
und kein theologisches Grundmuster. Jakobus hatte überhaupt nicht
viel Theologie. "By contrast with thinkers such as Paul, John or the
author of Hcbrews, the Christianity of James will inevitably be judged
as superficial and undeveloped" (S. 3). Für D. ist der Brief ein durchgebildetes
Stück Literatur mit einheitlicher theologischer Grundierung
. Das setzt die Richtung fort, in der Mußner über Dibelius hinausgegangen
war. Während Mußner die Unterteile des Briefes als gedankliche
Einheiten begreift (in denen Dibelius' Kontextverbot nicht mehr
gilt), aber noch keine Gesamtdisposition findet, bemüht sich D. ausführlich
um den Aufbau des Ganzen. Außerdem schreibt er Jakobus
nicht nur eine Theologie zu, sondern auch eine präzise historische
Situation.

Damit ist gesagt, daß L. und D. sich die Entstehung des Briefes verschieden
denken. L. bleibt dabei, daß er wegen der tradittons-
geschichtlichen Beziehungen zu späten Schriften wie dem I. Petrusbrief
, dem 1. Klemensbrief und Hermas pseudepigraph ist. Er entstand
vielleicht wie sie in Rom, jedenfalls in christlichen Kreisen, die
sich aus ehemaligen .Gottesfürchtigen' rekrutierten. Ein
Jakobuspseudepigraphon kann kaum vordem Tod des Herrenbruders
62 n. Chr. geschrieben worden sein. Der terminus ante quem ist
Hermas, der Jakobus gekannt hat (was übrigens auch D. für wahrscheinlich
hält). Für D. geht wie für Mußner der Brief auf den Herrenbruder
zurück, aber nicht direkt. Während Mußner nur erwägt, daß
ein griechisch sprechender Mitarbeiter für „das sprachliche und stilistische
Kleid" verantwortlich ist (S. 13), erneuert D. eine Zweistufenhypothese
. "A series of Jewish Christian homilies. sayings, and
maxims" (S. 12) wurde nachträglich zur gegenwärtigen Schrift vereinigt
und redigiert. Das Material paßt in die sozial und politisch
gespannte Lage Palästinas in den späten vierziger und frühen fünfziger
Jahren und stammt von Jakobus; der Redaktor war möglicherweise
nicht .lakobus selber, er arbeitete aber in der gleichen Situation, nur
näher zum Ausbruch des ersten Jüdischen Krieges hin. "Thus the
work is perhaps the last picture one has of the Palestinian church
beforc thestormsofwarclosedoverit"(S. 34).

Dementsprechend schätzt D. die Nähe zur Jesusüberlicferung und
besonders Matthäus hoch ein ("the whole book exudes the Sermon on
the Mount", S. 16), während L. unterstreicht, wie verschieden Matthäus
und Jakobus den gemeinsamen Stoff gebrauchen (S. 12-15).
Über Jakobus' Beziehung zu Paulus urteilen sie umgekehrt. L. ist
der verbreiteten Meinung, daß Jak 2,14-26 Paulus voraussetzt, aber
nicht Lektüre seiner Briefe. "Rather, James has heard Paul's affirma-
tion of justification by faith used as a slogan to justify not libertinism.
as Paul himself experienced it being used (Rom. iii. 8. vi. 1). but a
pious quietism that saw expressions of trust in God as doingaway with
the need for active charity. The probability is. however. that those
who so used it did so as having the authority of Paul, and that James
knew this" (S. 1 5f). D. bestreitet das. an diesem Punkt gegen Mußner.
den L. hier zusammen mit Dibelius für sich hat. Jakobus klingt anti-
paulinisch, ist es aber nicht; er und Paulus spitzen gemeinsame jüdische
Tradition auf verschiedene Probleme zu. " It seems best to under-
stand James to be refuting a Jewish Christian attempt to minimize the
demands of the gospel rather than a misunderstood Paulinism"
(S. 21). Sachlich ist sich Jakobus mit Paulus durchaus einig, wenn
auch nicht begrifflich.

Beide Kommentare können sich in ihren Reihen sehen lassen. Zusammen
vertreten sie die Breite dessen, was heute vernünftigerweise
über Jakobus gedacht werden kann. Wer an Jakobus interessiert ist,
muß sie wohl beide kaufen. Sie sind zusammen noch billiger zu haben
als Mußner (Dibelius ist vergriffen, aber ein Nachdruck mit Literaturnachtrag
ist in Arbeit).

Heidclbcrg-Zicgelhausen Christoph Burchard

Bammel, Ernst, and C. F. D. Moule [Ed.]: Jesus and the Politics of
His Day. Cambridge-London-New York-New Rochelle-Mel-
bourne-Sydncy: Cambridge University Press 1984. XI, 51 IS.
m. 1 Abb.gr. 8°. Lw. £ 37.50.

Die Aufsatzsammlung hat offenbar eine längere Vorgeschichte;
nach dem Vorwort sind einige Beiträge bereits vor etwa zehn Jahren
abgeschlossen. Der Band will ein Beitrag zur Diskussion um eine
„politische Theologie" sein und dabei vor allem die Berechtigung der
Ansicht prüfen. Jesus sei in Wahrheit ein politischer Revolutionär,
ein Zelot, gewesen. Der erste Beitrag führt in Auseinandersetzung mit
S. G. F. Brandon (The Fall of Jerusalem and the Christian Church.
1951; Jesus and the Zealots, 1967), die darüber hinaus den ganzen
Band durchzieht, in die Problemstellung ein, der zweite berichtet über
das durchaus problemgcladene zelotisch-revolutionäre Verständnis
Jesu (und seiner Anhänger) in der Diskussion der neueren Zeit.

Die Sammlung präsentiert eine unterschiedliche Fülle von Einzel-
studien zum Thema (gelegentlich in einem weiteren Sinn), die kein