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Ausgabe:

1985

Spalte:

366-368

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Davids, Peter H.

Titel/Untertitel:

The epistle of James 1985

Rezensent:

Burchard, Christoph

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Theologische Litcraturzeitung I 10. Jahrgang 1985 Nr. 5

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sie aber auf verschiedene Weise. Dabei läßt B. offen, ob Einwirkungen
von außen die gegnerische Position beeinflußt haben. Auf jeden Fall
waren die "secessionists" (nach Meinung des Autors der JohBriefe)
Neuerer, die die joh. Tradition verzerrten, während diese ihrerseits
dem Presbyter vorwarfen, eine veraltete Christologie zu vertreten, anstatt
die Konsequenzen zu ziehen, die sich aus der Christologie des
JohEv ergeben. Mit diesen Gegnern - deren Unterschiede zur joh.
Überlieferung von B. unter den Stichwörtern „Christologie" und
..Ethik" aufgelistet werden - setzt sich der Presbyter in seinen drei
Schreiben auseinander. Seine Absicht ist dabei stets dieselbe: deren -
im Umkreis von Ephesus lebenden - Adressaten, die seine Anhänger
sind, vorden Spaltern und ihren Lehren zu warnen.

Von diesen beiden Grundanschauungen her ergeben sich in B.s
Kommentar die Antworten auf alle anderen die JohBriefe betreffenden
Fragen. Zwei davon sind besonders erwähnenswert. Die 1. betrifft
das Verhältnis der JohBriefe zum JohEv. Dieses wird - nach dem bisher
Bemerkten verständlich - als denkbar eng angesehen. Den Nachweis
darüber führt B. vor allem durch den Vergleich von I Joh und
JohEv. Weit mehr noch als K. Wengst, dessen 1978 erschienener
Kommentar dem amerikanischen Exegeten laut Literaturverzeichnis
noch nicht vorlag, belegt er diese Beziehung anhand einer Vielzahl
von Textstellcn. Doch auch die Struktur von Uoh ist - wie B. mit
Nachdruck demonstriert - nach dem Muster des JohEv geschaffen: So
wird 1,1-4 als eine "imitation" des Prologs des JohEv erklärt, die
Aufteilung des Briefcorpus in zwei Teile (1,5-3,10 und 3,1 1-5,12) in
Analogie zu Joh 1-12 und 13-20 gesehen und ebenso die Gestaltung
des Briefschlusses nach dem Vorbild von Joh 20.30f behauptet. Zugleich
erklärt B. von dem Motiv der Nachahmung her. warum der-
Uoh nicht nach dem Muster des antiken Briefformulars abgefaßt worden
ist. Quellenkritische Theorien zu diesem Schreiben werden von
ihm demgegenüber nur referiert (S. 35-46), jedoch nicht übernommen
. Die 2. Frage betrifft die Stellung der aus dem joh. Kreis hervorgegangenen
Gruppen zur "orthodox church" sowie den "heretics"
der damaligen Zeit. Auf Grund seiner an K. Wengst (Häresie und
Orthodoxie.... 1976) orientierten - Annahme, daß nicht nur die
Position des Autors der JohBriefe, sondern auch "every idca of the
secessionists" (S. 72) aus dem JohEv ableitbar ist, ergibt sich für B.: So
wenig der Presbyter und dessen Anhänger als Vertreter der Großkirche
angesehen werden können, so wenig ist es möglich, die Spalter
als Anhänger einer der häretischen Bewegungen zu verstehen, die es
am Anfang des 2. Jahrhunderts in Kleinasien gab. auch wenn zwischen
ihnen Gemeinsamkeiten erkennbar sind. Statt dessen vertritt
der katholische Ausleger die Auffassung: So wie die Anhänger des
Presbyters später den Weg in die Großkirche gefunden haben, so sind
dessen Kontrahenten im Laufe der Zeit in die häretischen Gruppierungen
integriert. Mit ihnen aber hat das JohEv in beide Bereiche Eingang
gefunden. Dadurch erhielt zunächst das Verdienst des Presbyters
einen neuen Stellenwert: Er hat das JohEv für die Kirche-jener Zeit,
wie überhaupt - bewahrt. Zugleich erklärt sich für B. von hier aus,
"why GJohn was better known among 'heretics' than among orthodox
church writers of the second Century, and why Irenaeus remem-
bered a figure like Cerinthus when he discussed GJohn" (S. 71).

Der Kommentarteil in B.s Buch ist genauso gestaltet wie in seinen
zwei Bänden zum JohEv. Hierbei ist der Text des Uoh in zehn Abschnitte
gegliedert. An die Übersetzung schließen sich jeweils
"Notes" und danach der "Comment" an. Während B. in den -
umfangreich gehaltenen - "Notes" vor allem Fragen der Tcxtüber-
lieferung sowie der Begriffsbestimmung erörtert (und dabei eine Fülle
von Einzelinformationen gibt), legt er in dem "Comment" seine
eigene Auffassung zu dem jeweiligen Textabschnitt dar. Für diese
Aufteilung des Stoffes spricht: Durch sie sind nicht nur Einzelanalysen
und Textverständnis des Vf. wohltuend voneinander getrennt. Auf
diese Weise vermögen außer Fachexperten auch Nichtfachleutc den
Kommentar mit Gewinn zu lesen. Den Abschluß jedes der zehn Abschnitte
bildet eine "Bibliography" zu den vorher besprochenen
Versen.

B.s Auslegung der drei JohBriefe zeichnet sich zunächst dadurch
aus, daß in ihr die - in der Einleitung entwickelte - Gesamtschau des
Vf. sich Seite für Seite widerspiegelt. Dem entspricht, daß der
Kommentar ein Übermaß an Rückverweisen auf die Einleitung enthält
. Für den Uoh zeigt sich das bereits eindrücklich an dessen
"Prologue", der als "a deliberate reflection on the GJohn Prologue"
interpretiert wird, der seinerseits "may plausibly be regarded as a
hymn of the Johannine Community" (S. 174). Dem ordnet sich zu.
daß das „Wir" von l.lffdas „Wir"desjoh. Kreises ist, jedoch nur im
Sinne des Autors und seiner Anhänger als der wahren Traditionsträger
und Interpreten der viel größeren "Johannine Community".
Damit ist sogleich das andere, den Auslegungsteil kennzeichnende
Merkmal in den Blick gekommen: B. legt die JohBriefe streng schrift-,
d. h. auf das JohEv bezogen aus. Als Beispiel dafür sei dessen Interpretation
von Uoh 4,8b genannt, die rein christologisch ist: "Wc know
that God is love through God's sending His only Son into the World"
(S. 551).- In der Erklärung des 2 Joh erfährt der Leser mehr über den
Autorderdrei Schreiben: "This Presbyter is plausibly a disciple of the
Beloved Disciple" (S. 679). Die „auscrwähltc Herrin" (V I) dagegen
ist die symbolische Bezeichnung für eine der Hausgemeinden des
Presbyters, der - wie B. betont - einzigen Gemeinde in ihrem Ort.
Deren „Kinder" (wie die ihrer „Schwester" in V 13) aber sind die
Glieder dieser Gemeinden. - Die Auslegung des 3Joh ist davon
bestimmt, daß B. in Diotrephcs keinen Gegner des Presbyters sieht.
Statt dessen vertritt er die Ansicht, daß beide in Opposition zu den
Spaltern stehen. Der Streit zwischen ihnen gehe darum nur über die
wirksamste Weise, diesen entgegenzutreten. Da man bei Wanderpredigern
im voraus nicht wissen konnte, welche Inhalte sie verkündigen
werden, habe Diotrephes entschieden, diesen - wer immer sie seien -
die Aufnahme zu verweigern. Dabei verfolge er jedoch das gleiche Ziel
wie der Presbyter, von dem er auf Grund dieser Haltung kritisiert
wird: Er will jedweden Einfluß der Spalter aus seiner Gemeinde heraushalten
.

Aus all dem ergibt sich: Wer den Kommentar von B. in der Erwartung
liest, darin mit kritischen Aulfassungen konfrontiert zu werden,
wird ihn ebenso enttäuscht aus der Hand legen wie derjenige, der auf
der Suche nach praktikablen Skopusformulierungen ist. Wer durch
diesen Band jedoch detaillierte Sachinformation erwartet, wird durch
dessen Lektüre genauso bereichert werden wie derjenige, der nach
einem Verständnis der JohBriefe und aller sie betreffenden Fragen -
insbesondere ihrem Verhältnis zum 4. Evangelium - verlangt, das von
dem Gesichtspunkt der inneren Einheit und damit der gegenseitigen
Zuordnung bestimmt ist. Um beides zu leisten, hat Vf. eine Fülle von
Material zusammengetragen und sorgfältig ausgewertet und dadurch
ein Werk geschaffen, das - mag es auch in manchem Widerspruch
erfahren - seinen Platz unter den großen Kommentaren zu den
JohBriefen behaupten wird. Und das nicht nur in formaler Hinsicht.

Leipzig Werner Vogler

Laws, Sophie: A Commcntary on The Kpistle of James. London:
Black 1980. X. 273 S. gr. 8' = B'ack's New Testament Commenta-
rics. Kart. £ 5.95.

Davids, Peter H.: The Epistle of James. A Commentary on the Grcek
Text. Grand Rapids, Mich.: Eerdmans: Exeter: Paternoster 1982.
XXXVIII. 226 S. gr. 8' = The New International Greek Testament
Commentary. Kart. £ 8.60. Lw. £ 7.50.

Die stroherne Epistel macht sich Freunde. Hierzulande sind mehrere
Kommentare in Arbeit, auch sonst tut sich was. sowohl exegetisch
(vgl. U. Luck, Die Theologie des Jakobusbriefes. ZThK81,
1984, S. 1-30) wie im Rahmen der Geschichte des frühen Christentums
(vgl. die Jakobuskapitel in den neuen Büchern über die Paulusrezeption
von A. Lindemann, E. Dassmann und G. Lüdemann). Auf
englisch war man aber schneller. Das zeigen nicht nur die beiden
Kommentare, sondern auch die neuere angelsächsische Literatur, die