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Ausgabe:

1985

Spalte:

360-362

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Reicke, Bo

Titel/Untertitel:

Neutestamentliche Zeitgeschichte 1985

Rezensent:

Rohde, Joachim

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359

Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 5

360

Die sorgfältig durchdachte Übersetzung bemüht sich nach Möglichkeit
darum, dem griechischen Text in den grammatischen Formen, in
der Wortwahl, in der Wortsteilung zu folgen. Beliebige Beispiele: „den
Riegel den eisernen schob sie zu von seitlich" 10.3; „ich habe gehört
viele sagend" 11,10; „unermüdbare Stärken werden umhalten dich"
16,16. „Für jede griechische Vokabel soll eine einzige deutsche
stehen" (617).

Der Kommentar referiert und erörtert bemerkenswerte Textvarianten
. Illuminationen in einigen Handschriften werden beschrieben.
Eine Fülle von Belegen für typische Prädikate wird aus jüdischem
Schrifttum beigebracht (z. B. 4,7). Insgesamt werden neben solchen
zur Sprache zahlreiche Erläuterungen zur Sache gegeben, kulturgeschichtliche
, religionsgeschichtliche usw. Die Vorstellungen von
den äußeren und inneren Vorgängen werden erhellt, so daß ein
möglichst klares Bild entsteht.

JSHRZ II 4 ist eine der durch weitgespannte Sachkunde und Sorgfalt
ausgezeichnete, intensive Bearbeitung eines Textes in JSHRZ.
Vivant sequentes.

Halle (Saale) Gerhard Delling

1 Zu den Handschriften s. schon C. Burchard. Untersuchungen zu Joseph
und Ascncth. Tübingen 1965.4-39.

Bautz, Franz J. [Hrsg.]: Geschichte der Juden. Von der biblischen Zeit
bis zur Gegenwart. München: Beck 1983. 248 S. m. einer Zeittaf. u.
13 Ktn kl. 8' = Beck'sche Schwarze Reihe, 268. Kart. DM 22,-.

Neun Beiträge sind in dem als Taschenbuchausgabc erschienenen
Band enthalten. In ihrer Abfolge wollen und sollen sie einen Überblick
über die rund vier Jahrtausende umfassende Geschichte der
Juden „von der biblischen Zeit bis zur Gegenwart" geben, wie es im
Untertitel heißt. Die Anlange dieser Geschichte skizziert unter dem
Blickwinkel der Begegnung zwischen Gott und seinem Volk R. Rend-
torfT in „Der Gott der Bibel" (S. 9-26). Sh. Talmon belaßt sich
anschließend mit der Epoche von „Exil und Rückkehr" (S. 27-53),
mit der Geschichte von der Tempelzerstörung bis zum Ende der
Perserzeit also, wobei er besondere Aufmerksamkeit dem internen
Differenzierungsprozeß, der in der nachexilischen Epoche der
Geschichte des Volkes Israel einsetzte, schenkt. Einen Überblick über
die weitere Geschichte von den Eroberungen Alexanders d. Gr. bis zur
arabischen Eroberung gibt P. Schäfer in „Juden, Griechen. Römer"
(S. 54-76; gleichsam eine Zusammenfassung seines Buches
„Geschichte der Juden in der Antike", Neukirchen-Stuttgart 1983).

Während die ersten drei Beiträge einem eher chronologischen
Schema folgen, konzentrieren sich die folgenden auf je einen thematischen
Schwerpunkt, freilich ohne die Einbettung in die Gesamtgeschichte
zu vernachlässigen. P. Nave geht auf die Auseinandersetzung
zwischen „Kirche und Synagoge" (S. 77-95) vorab im Hochmittelalter
ein und zeigt wesentliche Elemente der christlichen antijüdischen
Polemik darin auf (Ritualmordbeschuldigung, Vorwurf der
Hostienschändung, der Brunnenvergiftung etc.). „Die Begegnung der
Juden mit der Welt des Islam" (S. 96-1 14) einschließlich der Wandlungen
im jüdisch-muslimischen Nebeneinander/Gegenüber sind
Gegenstand der Betrachtung von A. Morabia. M. Riff porträtiert
„Das osteuropäische Judentum" (S. I 15-139) und seine sozialen und
religiösen Institutionen, wie sie sich primär in Polen herausgebildet
haben. W. G rab beschäftigt sich in „Der preußisch-deutsche Weg der
.ludenemanzipation" (S. 140-164) mit dem Weg, der „die deutschen
Juden in den Abgrund" führte, da „die von den Zwängen staatlicher
und gesellschaftlicher Modernisierung getriebene traditionelle Obrigkeit
den Juden am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts
aus Staatsräson, taktischem Kalkül und Nützlichkeitserwägungen
formal rechtliche Gleichstellung gewährte, dabei aber streng darauf
achtete, die überlieferten Machtstrukturen und die anachronistisch

gewordene Sozialhierarchie nicht anzutasten" (S. 164). Mit den
Folgen dieser Entwicklung setzt sich H. Grei vc in „Antisemitismus,
Zionismus und Staat Israel" (S. 165-183) auseinander. Im letzten
Beitrag „Die Juden in Amerika" (S. 184-227) unternimmt es H. H.
Holz, im Gespräch mit J. Thorwald die 1654 begonnene
Geschichte jüdischer Präsenz in Nordamerika zusammenzufassen.
Eine Zeittafel (S. 228-231), 13 Karten zur Geschichte der Juden
(S. 233-245) sowie Kurzbiographien der Autoren schließen den Band
ab.

Ursprünglich sind die neun Beiträge als Rundfunkvorträge konzipiert
und im Herbst 1980 als Vortragszyklus des Bayrischen Rundfunks
auch ausgestrahlt worden. In der nun vorliegenden Druckfassung
sind der Vortragscharaktcr ebenso wie die Eigenheiten der
Autoren im Blick auf die Zitierweise der Heiligen Schrift und Lautung
von Eigennamen beibehalten worden.

Daß angesichts der Stoffmenge, der sich die Autoren der einzelnen
Beiträge gegenübersahen, auf dem nur geringen zur Verfügung stehenden
Raum kein Thema erschöpfend abgehandelt werden konnte, versteht
sich von selbst. Gleichwohl ist man als Leser immer wieder überrascht
und erfreut, wie viele Einzelinformationen die Beiträge dennoch
bereithalten, ohne dabei den Überblickscharakter aufzugeben
und sich in Einzelheiten zu verlieren. Dankbar ist man als Leser aber
auch dafür, daß in diesen Überblick auch Themen aufgenommen
worden sind, die in dieser Breite gewöhnlich nicht in solchen knappen
Darstellungen vorkommen, etwa das eindrückliche Porträt des Ostjudentums
. Allenthalben spürt man, daß die Autoren weit über den
Dingen stehen, von denen sie sprechen, und bei der Auswahl der Einzelheiten
und ihrer Einbettung in die jeweils übergreifenden Zusammenhänge
aus dem Vollen geschöpft haben; und eben das macht die
Lektüre des Bandes so angenehm anregend, auch wenn er in der Sache
kaum etwas Neues bringt.

Berlin Stefan Schreiner

Neues Testament

Reicke, Bo: Neutestamentliche Zeitgeschichte. Die biblische Welt von
500 v. Chr. bis 100 n. Chr. 3., verb. Aull. Berlin: de Gruyter 1982.
X, 344 S„ 5 Ktn 8" = de Gruyter Lehrbuch. Lw. DM 48.-.

Dieses Lehrbuch, das erstmalig 1965 in der Sammlung Töpelmann
herauskam, ist nunmehr in einer dritten, verbesserten Aullage
erschienen. Infolge des kleineren Formats der de-( Ii in toi-Lehrbücher
und etlicher Erweiterungen und Ergänzungen ist der Umfang
gegenüber der ersten Auflage um über 80 Seiten angewachsen.

Als Gegenstand der neutestamentlichen Zeitgeschichte deliniert der
Verfasser „das Weltgeschehen, das Hintergrund und Rahmen des
Evangeliums und der Urkirche bildete. Mit bewußtem Verzicht auf
die eigentliche theologische Fragestellung wird hier eine historische
Betrachtung angelegt" (Einleitung, S. 1). Und im Vorwort (S. V) wird
sie als Hilfsmittel zum Verständnis der biblischen Botschaft, der ältesten
Kirche und der klassischen Antike bezeichnet, die „die politischen
, sozialen und religiösen Verhältnisse beleuchten will, die für die
Entwicklung des nachexilischen Judentums und der neutestamentlichen
Christenheit bedeutsam waren".

Der Rahmen dieser neutestamentlichen Zeitgeschichte - und das ist
eine der Besonderheiten - ist weiter gespannt als etwa der des klassischen
Werkes von Emil Schürer, das mit der Makkabäerzeit einsetzte
. Reicke beginnt seine Darstellung bereits mit der Rückwanderung
von Juden aus dem babylonischen Exil nach dem Sieg der Perser,
da nach seiner Meinung das Judentum der neutestamentlichen Zeit
das Erbe der Rückwanderer aus Babylonicn verwaltete. Der Vf.
beschränkt sich auch nicht wie Schürer auf die lokalen palästinensischen
Verhältnisse, sondern bezieht auch die weltgeschichtlichen
Machtfaktoren direkt mit ein: das persische Reich, das Weltreich