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Ausgabe:

1985

Spalte:

350

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Jenssen, Hans-Hinrich

Titel/Untertitel:

Ja zum modernen Weltbild 1985

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 5

350

Diese Anfragen können jedoch nicht den Gesamteindruck verdek-
ken, daß hier einige Schritte der Religionen aufeinander zu in theologischer
Verantwortung getan worden sind.

Man wird gespannt sein dürfen, wenn die asiatischen Religionen im
zweiten Band im Rahmen dieser christlichen Rechenschaftslegung zu
Worte kommen. Vielleicht muß dann auch das Urteil über die fernöstliche
Mystik (137) revidiert werden.

Strolz nennt für die Abrahamitische Ökumene genügend Fix-
punkte. um theologische und praktische Kooperation zwischen den
Religionen aufzubauen und zu vertiefen. Unter dem gesegneten Abraham
bezeugen Bibel und Koran die Allgegenwart und Unverglcich-
lichkeit Gottes in derart beeindruckender Weise, daß die Ehrfurcht
vor Gott nicht nur zur Wcggefährtenschaft ermutigt (117). sondern
erste Blicke auf die große universale Ökumene der Religionen freigibt,
und dies aus christlicher Verantwortung (182).

Nachrodt-Wiblingwerde Reinhard Kirste

Anderson, Sir Norman: Christianity and World Religions. The chal-
lenge of Pluralism. Leicester: Inter-Varsity Press 1984. 216 S. 8'
Kart. £3.95.

Die fünf Hauptartikel dieses lapidar gegliederten Buches sind
jeweils mit einem Fragezeichen versehen. Zur Sprache kommt das
Verhältnis des Christentums zu den anderen Weltreligionen. Der Verfasser
bezeichnet diese Begegnung als „die Herausforderung des Pluralismus
". Es fällt auf, daß in jedem Kapitel der Ausschließlichkeitsanspruch
des Christentums vorkommt. Der Verfasser scheint von der
l nvergleichbarkeil seiner Botschaft viel zu halten. Ja, er spricht sogar
von der ..radikalen Differenz, die zwischen dem Christentum und den
anderen Religionen besteht". Sie gründet im einzigartigen, geschichtlichen
Ereignis der Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth
(Joh 1,14). Gegenüber Mystizismus und Gnosis läßt Anderson nicht
den geringsten Zweifel daran, daß dies der Kern der apostolischen I 'er-
kündigung ist und bleibt. Mit den Erkenntnismethoden der vergleichenden
Religionswissenschaft sei an ihn überhaupt nicht heranzukommen
, weil die menschgewordene Gottcslicbe die Entscheidung
des Cilaubens fordere. Diese Offenbarung sei nach Rom 16,25-27 und
nach Hebr 1.1-4 ein für allemal ergangen. Sie werde nicht wiederholt,
auf einen anderen Heilbringer habe die Menschheit nicht mehr zu
warten. Aber das in Jesus Christus endgültig verkündete Heil sei allen
Völkern und dem Kosmos im Ganzen zugesagt.

Haben wir es hier mit einem fundamentalistischen Standpunkt zu
tun? Ist dieses Buch also insofern nicht zeitgemäß, als es keine Grundlage
für einen echten, freimütigen und partnerschaftlichen Dialog mit
Vertretern anderer Religionen bietet? Bringt die christozentrische
Argumentation des Verfassers nicht von vornherein die Gefahr mit
sich, andere Religionen mit ihrem jeweiligen Hcilsanspruch herabzusetzen
, wenn nicht gar in eine geschichtstheologische Konstruktion
einzubauen, die die Andersgläubigen, um ihrer Identität willen, niemals
annehmen können? Anderson betont mit Recht, daß der intcr-
religiöse Dialog nicht dazu führen darf, die eigene Glaubensposition
zu schwächen. Wohl bieten sich heutzutage synkretistische Ideen und
mystisch-spirituelle Grenzüberschreitungen in verwirrender Vielfalt
vor allem im Gespräch mit den Religionen und Heilssystcmcn Asiens
an. Aber damit stärkt die christliche Seite ihre Dialogfähigkeit keineswegs
. Sie büßt sie im Gegenteil ein, weil sie nicht den Mut hat. ohne Abstriche
zum Felsgrund des christlichen Glaubens zu stehen (1 Kor
8.4-6). Ein Kompromiß zwischen den verschiedenen Heilsauffassun-
gen der Religionen ist also weder möglich noch zu wünschen. Wo aber
sieht dann Anderson Anknüpfungspunkte für ein wechselseitiges Sich-
verstehen auf dem unaufgebbaren Boden eigener Glaubensrcchcn-
schaft? Schließt der christliche Missionsauftrag den Dialog aus oder ist
der Dialog selbst ein Teil der christlichen Heilsvcrkündigung. die sich
nach Papst Johannes Paul II. (Ansprache in Rom im März 1984) auf die
Liebe zu allen Menschen in ihrerGottcbenbildlichkeit stützt?

Der Verfasser des vorliegenden Buches schlägt den Weg der Sclbst-
vertiefung des Glaubens ein. um universale Heilslinien innerhalb des
Christentums zu entdecken. Er stützt sich dabei in erster Linie auf die
Apostelgeschichte und den Römerbrief. Was er hier an weiterführenden
Perspektiven freilegt, ist ermutigend. Allerdings hätte gerade das
Verhältnis der frühen Christenheit zum „Heidentum" (Areopag-Rede
des Paulus) durch die Besinnung auf die alttestamentliche Beziehung
des Gottes Israels zur Völkerwelt erweitert werden können. Anderson
erwähnt, sich auf Calvin beziehend, auch die biblische Zusammengehörigkeit
von Schöpfung und Geschichte als eine maßgebende
Komponente der Begegnung der Religionen. Doch werden Schöpfung
und Sprache als die ontologischen Urbedingungen jeder Heilsverkündigung
und menschlichen Kommunikation nicht eigens thematisiert.
Durch die biblisch-theologische Besinnung auf das Schöpfungswort
im Anfang (Gen 1,1-31) in seinem für das Christentum fundamentalen
Zusammenhang mit der Fleischwerdung des ewigen Wortes
(Joh 1,1-14) könnte der weiteste Horizont für die geschöpfliche
Grundlegung des Dialogs der Religionen gewonnen werden. Es
handelt sich hier um eine sprachtheologische Aufgabe ersten Ranges,
für deren Durchführung es bisher nur wenige Ansätze gibt, weil die
kategoriale Bindung auch der Theologie an die überlieferte abendländische
Metaphysik immer noch vorherrschend ist. Das Schöpfungsgeheimnis
und die Fleischwerdung des Wortes im Anfang öffnen
sich in ihrem Dasein und Hoffnung gewährenden Sinn nur einer
Sprache außerhalb der Subjckt-Objekt-Spaltung. Um diesen Spraeh-
wandel herbeizuführen, ist das christliche Gespräch mit dem Judentum
und seiner nichtmetaphysischen Zeiterfahrung (Ex 3,14) unumgänglich
.

Das Buch von Anderson drängt dazu, darüber nachzudenken, warum
das Phänomen des Pluralismus nicht das letzte Wort in der christlichen
Deutung der Religionen sein darf.

Freiburg/ Br. Walter Strolz

Jenssen, Hans-Hinrich: Ja zum modernen Weltbild. Naturerkenntnisse
im Lichte des Glaubens, i. Aufl. Berlin: Union Verlag 1984.
168 S. 8" = Fakten/Argumente. Kart. M 5,80.

Eingangs faßt der Autor die Ergebnisse seiner kurz vorher in derselben
Reihe erschienenen Arbeit ..Naturerkenntnis - Sünde oder
Gottesauftrag?" zusammen, um daran anzuknüpfen (vgl. ThLZ 110.
1985 Sp. 262). Unter häufiger Zitierung kompetenter Fachleute zeigt
er die Vereinbarkeit des christlichen Glaubens mit der Astronomie,
der Biologie, der modernen Technik und auch mit dem historischen
Materialismus ohne dessen atheistische Komponente. Durch Informationen
, die Laien verständlich sind, will Jenssen jeder vom
Glauben motivierten Furcht vor wissenschaftlichen Erkenntnissen
sowie pessimistischen Einstellungen zur modernen Welt wehren.
Dazu gehört z. B. die Zurückweisung des ,,Kreationismus", der im
vermeintlichen Interesse biblischen Glaubens die Evolutionstheorie
ablehnt. Positiv möchte Jenssen die Christen dazu motivieren. ..sich
intensiver und gründlicher die Naturerkenntnis unserer Zeit anzueignen
", um eine „denkende Frömmigkeit dankbaren Dienstes"
praktizieren zu können. Theologisch geht er von der revelatio
generalis aus, die zur revelatio specialis in einem Verhältnis gegenseitiger
Ergänzung steht. Der naturwissenschaftliche Aufweis von
Zweckmäßigkeiten ist kein Beweis im Sinne des teleologischen
Gottesbeweises, aber der Glaube findet darin Hinweise auf Gott, den
Schöpfer. Die Anerkennung von nicht als mechanische Determination
verstandenen Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte ist dem
Christen möglich, weil Gott „auch in der Geschichte durch die eigenschöpferischen
, autonomen innerweltlichen Ursachen hindurch"
wirkt. Dem Vf. ist für diesen weiteren Beitrag zu der von ihm
unermüdlich geleisteten „intellektuellen Diakonic" zu danken.

E.W.