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Ausgabe:

1985

Spalte:

317-319

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Krotz, Fritz

Titel/Untertitel:

Die religionspädagogische Neubesinnung 1985

Rezensent:

Hildebrandt, Bernd

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung I 10. Jahrgang 1985 Nr. 4

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bezeichnet, die mir keineswegs auswechselbar zu sein scheinen, wenn
er Maximen Tür das Gesprach oder die Erzählung als gegeben ansieht,
die mir nun wieder ziemlich austauschbar scheinen, wenn er etwas
aufwendig zu der Binsenwahrheit vorstößt, daß temporale Adverbien
„ein wichtiges sprachliches Element in der Feingliederung von Erzählungen
" darstellen. Insgesamt bekommt in diesem Symposion das
Nachdenken und Mitreden über Erzählen eine Einzäunung zur Spe-
zialwissenschaft und Expcrtenklausur; die ungezählten Querverweise
und Rückbezüge auf andere Fachleute, die sich je dazu geäußert
haben und die der Leser tunlichst kennen oder nachschlagen sollte,
sind ein Anzeichen dafür, ebenso sechs Seiten Spezialbibliographie im
Anschluß an Wienolds Aufsatz.

Konrad Ehlich macht kritisch darauf aufmerksam, wie beim Übergang
vom alltäglichen zum literarischen Erzählen eine Professionali-
sierung eintritt, bei der zunehmend nicht nur der Erzähler, sondern
auch der Hörer oder Leser zum professionellen Experten wird; andere
können da schon bald gar nicht mehr mitreden. Unterstützt unsere
wissenschaftliche Bemühung um das Erzählen und unsre sublime
Analyse der Erzählvorgänge vielleicht nur diesen Prozeß? Weiß vielleicht
bald nur noch der spczialgebildetc Narrativiker wirklieh, ob ein
Erzähltext gut und wirksam ist. nicht aber mehr der, der Freude am
Erzählen oder Spaß am Zuhören hat, sofern sie sich nicht vorher
durch den Spezialisten haben belehren lassen? Dies Buch zeigt ein
Dilemma auf. das Bernd Wacker am Ende seines Referats zur narrati-
ven Theologie schon fürdicsen Begriff herausstellt: Mit dem Erzählen
haben offenbar Theologen. Bibelausleger. Evangeliumverbreiter den
Versuch gemacht, aus der „intellektualistisch objektivierenden Orientierung
der Schultheologie" auszubrechen und die „konkrete Erfahr-
barkeit zum umfassenden Interpretationshorizont theologischer Aussagen
zu erheben". Sie wollten sich aus dem Netz der Argumentationen
und sezierenden Kleinarbeit ins Freie retten; aber dies Buch zeigt:
die sezierende Präzision hat das Erzählen und seine Vertreter bereits
wieder eingeholt.

Ich weiß nicht, ob eine Theorie denkbar ist, die selber locker genug
wäre und Spielräume genug ließe, um ihren Gegenstand, das Erzählen
, nicht einzuengen und auszutrocknen, sondern es mit wachem und
•^teilnehmendem Interesse frei zu begleiten. Das Berncr Symposion
hat bei mir mehr den Wunsch nach solcher Theorie geweckt als daß es
den ersten Schritt auf diesem Wege getan hätte.

Jena Klaus-Peter Hertzsch

Kreta, I ritz: Die religtonspSdagogische Neubesinnung. Zur Rezeption
der Theologie K.Barths in den Jahren 1924-1933. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 1982. 268 S. gr. 8". Kart. DM 48,-.

In die Phase der dialektischen Theologie nach dem 1. Weltkrieg
fällt die Neubesinnung auf eine betont evangelische Erziehung.
Äußerlich wurde diese Neubesinnung notwendig durch die neue kulturelle
Situation (Zerfall des Staatskirchentums), innerlich durch das
Irrewerden an humanistisch-idealistischen Theorien der Pädagogik,
die weitgehend auch die Grundlage des evangelischen Religionsunterrichts
waren. Konkret lautete der Vorwurf: „Wenn man zum Beispiel
etwa den evangelischen Menschen oder den Menschen Gottes oder die
Gotteskindschaft oder die christliche Lebensweise als Bildungsziel
bezeichne . . ., auf das hin man im Religionsunterricht die Erziehungsbemühungen
konzentrieren wolle, so mache man damit etwas
zu einem Ziel menschlichen Handelns, was doch immer nur durch die
Gnade Gottes wirklich werden könne, man vergesse also, daß vielmehr
nur der lebendige Gott es schaffen könne." (S. I 18f. Zitat aus
einem Aufsatz von H. Faber, 1934)

Welche Rolle spielt nun Barths Theologie für die Neuformulierung
des religionspädagogischen Konzepts, das als dialektische Rcligions-
Pädagogik tradiert worden ist? Vf. beantwortet diese Frage mit der
Aufgabenstellung seines Buches, welches ursprünglich der Universität
Marburgais Habilitationsschrift vorgelegen hat: „Die folgende Untersuchung
will mit der These einer Barthrezeption in der Religionspädagogischen
Neubesinnung aufräumen. Diesem gewissermaßen negativen
Interesse der Untersuchung entspricht ein zweites, positives: Sie
will. Versäumtes gleichsam nachholend, erheben, was von Barth denn
für den Religionsunterricht zu gewinnen wäre" (S. 2 I).

Den ersten Teil der Aufgabe erledigt Vf. mit dem Aufweis grundlegender
Differenzen der neuen Religionspädagogik, die in starkem
Maße reformpädagogische Gedanken aufgreift, zur Theologie Barths.
Programmpunktc wie „Bezug auf das Leben der Gemeinde", „Abrogation
der Religion" und vor allem „Evangelische Unterweisung als
Verkündigung" dürfen nicht schon als Beleg für eine Barth-Rezeption
gelten, wie das allerdings auch das „gewissermaßen offizielle Sclbst-
verständnis der Neubesinnung" (S. 121) nahelegt. Damit ist freilich
der Einfluß der dialektischen Theologie nicht geleugnet, so daß „die
Frage nach der Rezeption Barths in der Sache auf die andere Frage
nach der Auseinandersetzung zwischen Barth und Gogarten über die
Möglichkeit einer theologischen Anthropologie führt, denn in dieser
Auseinandersetzung wurde über die ethische Frage, was evangelische
Erziehung sein möchte, mitentschieden" (S. 123). Vf. geht dieser Problematik
nach, indem er das katechetische Verkündigungsprogramm
namhafter Religionspädagogcn wie Jarausch. Bohne, v. Tiling. Fror
u. a. diskutiert. Grundlage der kritischen Diskussion ist Barths eigentlicher
, leider nicht berücksichtigter Beitrag zur religionspädagogischen
Thematik. Barth hat das Kernproblem auch aller Religionspädagogik
angesprochen, wenn er folgende Fragen stellt: (1) Wie kann das
sich selbst behauptende Wort Gottes Lerninhalt und damit Gegenstand
von Belehrung und Erziehung werden (S. 84ID? (2) Wie ist
Zugang zu den Glaubensinhalten zu gewinnen, wenn man der Anwendung
des Rechtfcrtigungsurteils auf die theologische Erkenntnistheorie
zustimmen muß(S. 96)?

Barths Antwort aufdiese Fragen sieht Vf. in der Analogisierung von
Unterricht und dogmatischer Belehrung. Wie streng zwischen Lehre
und Leben unterschieden werden muß, so darfauch der Unterricht
nicht unter dem Anspruch stehen, Verkündigung zu sein. Ihm lallt
vielmehr die Aufgabe zu, Gottes Wort hören zu lernen, d. h„ „das
Rechtfertigungsurteil Gottes in Christus Jesus zu denken" (S. 187).
Noch in einer anderen Hinsieht verdient nach Ansicht des Vf. Barths
dialektisches Denken für die Erziehung Beachtung. Es ist seine Zuordnung
von „Evangelium und Gesetz". Sie verbietet es. abstrakt das
Gesetz als Grundlage der Erziehung zu nehmen. Barth versteht vielmehr
das Gesetz Gottes von vornherein als Gesetz der Gnade, was
konkret „Erziehung zum Besseren, die an Gottes Güte erinnert",
heißen wird (S. 185). Mit dieser Auffassung ist sowohl der Ansatz bei
der Wirklichkeit unter dem Aspekt der Schöpfungsordnung und der
lex naturalis, wie ihn in Anlehnung an Gogarten v. Tiling fordert,
abgewehrt, als auch die Position Frörs in Frage gestellt. Dieser will
dem Gesetz durchaus seinen Platz, auf dem Boden des vom Evangelium
ausgehenden Lebens anweisen. Indes, so kommentiert Vf., wird
in beiden Fällen die Praxis der Erziehung aus der Anfechtungserfahrung
heraus gedacht, welche auf das Gesetz hören lehrt (S. ISOfT).
Barth hingegen behauptet, „daß nur die Gnade auf Gottes Gebot
hören lehrt, worin das Gesetz als das Gesetz seiner Gnade verstanden
ist" (S. 182).

Bei der Lektüre des Buches, das in vielen Verflechtungen und in
Auseinandersetzung mit anderen Untersuchungen die rcligionspäd-
agogische Diskussion der 20er Jahre wiedergibt, gewinnt der Rezensent
nicht den Eindruck.'daß der potentielle Beitrag Barths die dispa-
raten Bemühungen und teilweise sehr abstrakten Gedankengänge hinsichtlich
einer dialektisch-theologischen Grundlegung der Religionspädagogik
aus der eingetretenen Verwirrung herausgeführt hätte, wie
das offensichtlich die Meinung des Vf. ist. Die Einwände Försters dem
frühen Barth gegenüber bleiben weiterhin unbeantwortet. Sie erinnern
aber an eine Aufgabe, die heutiges rcligionspädagogisehes Nachdenken
genauso ernst zu nehmen hat, wie dies Förster für seine Situation
verlangt hat (Zitat von Förster bei Krötz, S. 770: „Die Jugend
jedenfalls kann man nicht mit der bloßen Verneinung aller natür-