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Ausgabe:

1985

Spalte:

311

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Titel/Untertitel:

The use of scripture in moral theology 1985

Rezensent:

Petzoldt, Martin

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311

Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 4

312

Zwei Korrekturen sind zu notieren: 1. S. 249f ist in Anm. 43 ein
BonhoefTer-Zitat falsch wiedergegeben; es muß richtig lauten: „Wer
sich wissentlich von der Bekennenden Kirche trennt, trennt sich vom
Heil." 2. S. 505 muß es heißen: „Bericht der Theologischen Kommission
des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR" (nicht „der
Synode des Bundes . ..").

Dem Herausgeber gebührt Dank für den umfangreichen Band als
einer wichtigen Hilfe im und zum „Processus confessionis" in der
Friedensfrage.

Berlin Rudolf Schulze

Curran, Charles E., and Richard A. McCormick [Ed.]: The Use of
Scripture in Moral Theology. New York-Ramsey: Paulist Press
1984. VIII, 384 S. 8° = Readings in Moral Theology, 4. Kart. $ 9.95.

Diese Reihe veröffentlicht Sammlungen von Aufsätzen zu
ethischen Grundsatzfragen. In dem Band 4 sind es Beiträge, die den
Gebrauch der Bibel in der Ethik differenzieren: Wie verhalten sich
Bibelexegese und Textgebrauch in der Ethik, welche Rolle spielen im
Verhältnis zu den Aussagen der Bibel historische, kulturelle und
soziologische Aspekte der Gegenwart, wie ist eine biblisch bestimmte
Ethik im Umkreis nichtbiblisch bestimmter Ethik zu sehen und zu
werten, welche Bedeutung kommt anderen Quellen ethischen Wissens
und Erkennens zu?

Siebzehn Autoren tragen Überlegungen bei, von denen nur einige genannt
werden können: R. H. Hiers, Jesus, Ethics and the Present Situation (1-20);
H. Schürmann / Ph. Delhaye, The Actual Impact of Moral Norms of the
New Testament: Report from the International Theological Commission
(78-104); J. M. Gustafson, The Place of Scripture in Christian Ethics: A
Methodological Study (151-177); St. Hauerwas, The Moral Authority of
Scripture: The Politics and Ethics of Remembering (242-275); R. A. McCormick
, Scripture, Liturgy, Character and Morality (289-302); A. T. Hen-
nelly, The Biblical Hermeneutics of Juan Luis Segundo (303-320); J. H.
Yoder, Exodus and Exile: The Two Faces of Liberation (337-353); E.
Schüssler Fiorenza, Toward a Feminist Biblical Hermeneutics: Biblical
Interpretation and Liberation Theology (354-382).

M. P.

Praktische Theologie:
Seelsorge/Psychologie

Schall, Traugott Ulrich: Eheberatung- Konkrete Seelsorge in Familie
und Gemeinde. Stuttgart: Kohlhammer 1983. 191 S. gr. 8° = Praktische
Wissenschaft: Kirchengemeindc. Kart. DM 36,-.

In einem einführenden Kapitel ist die Rede von „Notwendigkeit,
Möglichkeiten und Grenzen von Eheberatung in der Kirchengemeinde
". Teil 1 will dann methodische Fragen klären. Teil II will die
Eheberatung „problemzentriert" darstellen, wobei neun „typische
Konfliktmuster" analysiert werden. Teil III bringt juristische Informationen
, und Teil IV enthält Angaben über Ausbildungsmöglich-
keiten sowie eine „empirische Überprüfung des vorliegenden Textes"
und aus einer großen Fülle von Literatur mehr oder weniger zufällig
ausgewählte 16 Hinweise auf Bücher. Am Schluß findet man die
Anmerkungen, jedoch keine Register.

Immer wieder wendet sich das Buch an „Eheberater in der Kirchengemeinde
". Was die Möglichkeit von Eheberatung in diesem Rahmen
anbelangt, huldigt der Verfasser einem Optimismus, der sich die Auseinandersetzung
mit vielen Frustrationen weithin erspart, die für den
Praktiker doch eigentlich fast das tägliche Brot sind: Mißverständnisse
, überhöhte Erwartungen, anti-theologische und anti-psychologische
Vorurteile, neurotisch gestörte Frömmigkeit, Verantwortungsscheu
, Versuch, gerade den kirchlichen Berater zu manipulieren, und
anderes mehr. Grundsätzlich aber hat der Ruf zur „Rückkehr von
Eheberatung in die Seelsorge der Kirchgemeinde" sein Recht, wie

auch die Feststellung, daß es viele Eheprobleme gebe, „die keinen
hochqualifizierten Berater erfordern" (19).

Zustimmen kann man auch der These: „Glaubensprobleme zeigen
sich als Lebensprobleme" (21). Nur müßten dann diese Lebensprobleme
als Glaubensprobleme entlarvt und theologisch durchreflektiert
werden. Der Verfasser glaubt zwar, wenn auch nicht in einem
gesonderten Kapitel, so doch über das ganze Buch hinweg biblische
Bezüge aufgezeigt zu haben (15); aber nur, wenn er das viel intensiver
getan hätte, würde das Buch eine echte Lücke in der Ehe-Literatur
ausfüllen.

Dafür gäbe es eine große Zahl von Belegstellen. Nur einige seien
herausgegriffen. Daß Mt 7,3 konkret beschreibe, was der psychologische
Begriff der Projektion meine (123), kann eigentlich nur sagen,
wer weder die Problematik dieses psychologischen Begriffs, noch die
genaue Exegese von Mt 7,3 (mit höchst bemerkenswerten rabbini-
schen Einwänden!) kennt, noch über die Verschiedenheit der Ebenen
psychologischer und theologischer Analyse genügend nachgedacht
hat. - Daß die Möglichkeit erwähnt wird, daß ein Ehepartner „konfliktträchtig
" ist (124), ohne davon zu sprechen, daß die theologische
Anthropologie den Menschen schlechthin als das „konfliktträchtige
Wesen" charakterisiert', ist ebenfalls bedauerlich. - Die Frage, ob
nicht der „Verzicht auf eine Bewertung" (von Grundhaltungen und
Lösungsmöglichkeiten) implizit bereits eine bewertende Vorentscheidung
enthält (was auch von der klientenzentrierten Gesprächslhera-
pie, auf die sich Schall weithin stützt, insgesamt behauptet werden
kann), bleibt ungeklärt (vgl. dazu u. a. 1 17). - Die ganz zentrale Frage
nach der Unterscheidung zwischen echten und unechten (neurotischen
) Schuldgefühlen wie auch zwischen echter Vergebung und
Scheinvergebung wird kaum erkannt (vgl. 128). - Es stört, daß von
„guter Kommunikation" als von einer notwendigen „Grundausstattung
" gesprochen wird und diese dann rein formal definiert wird
(136), wo doch gerade hier - wo denn sonst? - echte Seelsorge ins Spiel
kommen müßte. - Genug der Hinweise!

Der Verfasser, der kein Fachpsychologe ist, übernimmt mit nur
wenigen kritischen Randbemerkungen die Grundsätze der „klientbezogenen
Gesprächstherapie" von C. R. Rogers und R. und
A. Tausch, sowie der „Lerntheorie" und Verhaltenstherapie, wie sie
A. Mandel und Mitarbeiter oder G. Egan entwickelt haben. Psychoanalytische
und tiefenpsychologische Gesichtspunkte werden fast völlig
vernachlässigt. Allerdings zitiert der Verfasser den schönen Satz
von Egan: „Fortgeschrittene sorgfältige Einfühlung bedeutet, daß der
Berater nicht nur die Welt des Klienten versteht, sondern auch sieht,
was sich alles darin verbirgt, und dieses weitergehende Verständnis
dem Klienten mitteilt. . ." (64). Daß aber gerade der Gesprächs- und
der Verhaltenstherapie mit gutem Grund vorgeworfen wurde, sie
würden zu wenig auf das Verborgene achten, und daß „Verborgenheit
" zudem in der theologisch fundierten Seelsorge noch einmal
etwas anderes und „Tieferes" ist als der sog. Tiefenpsychologie, verschweigt
der Verfasser.

Das alles wäre entschuldbar, wenn sich das Buch konsequent nur
auf „leichtere" Fälle beziehen würde, die keinen qualifizierten Fachmann
erfordern. Das tut das Buch aber nicht - und insofern sogar mit
gutem Grund, weil eine Abgrenzung zum voraus gar nicht möglich ist
und weil selbst die „leichteren" Fälle von den Betroffenen, sobald sie
die Hemmschwelle überwinden und zum Berater gehen, bereits subjektiv
als schwere Fälle, die einen Fachmann erfordern, eingestuft zu
werden pflegen. Im übrigen erwecken die dargestellten Fälle durchweg
den Eindruck, daß sie nur deshalb nicht als tiefere Störungen erkannt
werden, weil der Verfasser sie vereinfacht. Sollte ich mit meiner eigenen
Beobachtung recht haben, daß gerade Partner, die in eine Krise
geraten sind, auf Vereinfachungen allergisch reagieren2, dann müßte
man auch bei dem hier zu besprechenden Buch zumindest mit einer
geteilten, sehr uneinheitlichen Reaktion der Leser rechnen. Besonders
störend werden Vereinfachungen, wenn sie mit einer allzu saloppen
Sprache gekoppelt sind (127,141 u. ö.). Diese Sprache, die der angestrebten
„Konkretheit" dienen will, steht ihr vielmehr im Weg.