Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1985

Spalte:

304-306

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Matić, Marko

Titel/Untertitel:

Jürgen Moltmanns Theologie in Auseinandersetzung mit Ernst Bloch 1985

Rezensent:

Hildebrandt, Bernd

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

303

Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 4

304

die Arbeit an der „Einübung" wichtigen Tagebuchnotizen Kierkegaards
runden die gelungene Einführung ab.

Krefeld Wolfdietrich v. Kloeden

' Zitiert wird nach der ersten Ausgabe der Papirer S. Kierkegaards („Pap."),
hrsg. von Heiberg, Kühr und Torsting, Kbh. 1909-1948 mit der üblichen Band-
und Stellenangabe und nach der ersten dänischen Ausgabe von S. Kierkegaards
Samlede Vaerker („SV", hrsg. von Drachmann, Heiberg und Lange,
Kbh. 1901 ff. mit nachgestellter Band- und Seitenangabe.

Systematische Theologie: Allgemeines

Carmody, John: Ecology and Religion: Toward a New Christian
Theology of Nature. New York-Ramsey: Paulist Press 1983. VI,
185S.8°. Kart. $6.95.

Natur ist Gabe, Ausdruck von Gottes schöpferischer Liebe. Gott ist
der Schöpfung gegenwärtig, und der Mensch soll so mit ihr umgehen,
daß das erfahrbar wird. Christus leitet dazu an, ermöglicht eine neue
Spiritualität, gegründet in einem sakramentalen Lebensvollzug, der
alle Dimensionen des Kosmischen, vom Materiellen bis zum Psychischen
, Geistigen und Geistlichen integriert. Wird Christus das Sakrament
des Schöpfers der Natur, ist Gottes Schöpfung unsere Heimat.
Das darzulegen und Folgerungen dazu aufzuzeigen, ist nach Carmody
der Sinn jjiner Theologie der Natur, wie sie in diesem Buch entwickelt
wird.

Ausgangspunkt ist die ökologische Krise, eindringlich dargestellt
am Petrochemischen Industriezentrum Cubatao in Brasilien, wo auf
Grund der Umweltbelastung 80 von 1 000 Kindern spätestens eine
Woche nach der Geburt sterben. Aufgabe der Theologie ist es, dem
entgegen ein neues Gefühl für die Schöpfung zu wecken. Carmody tut
das auf ebenso umsichtig belesene wie pädagogisch stringente Weise.
Mitsamt einer annotierten Bibliographie bietet er eine profunde Einführung
in das, was heute international „Ökologische Theologie"
heißt. Inhaltlich folgt er dem methodologischen Weg des kanadischen
Jesuiten Bernard Lonergan ("Insight: A Study of Human Understan-
ding", New York 1957).

Teil I skizziert die gegenwärtige ökologische Diskussion in Naturwissenschaft
, Technik, Ökonomie, Politik und Ethik und bringt religiöse
Gesichtspunkte dazu ein: Bei einer großen Zahl von Menschen
in einer endlichen Welt mit endlichen Ressourcen sind Einfachheit
, Harmonie und Rechtschaffenheit Voraussetzung menschlichen
Uberlebens. Ein christlicher „Sakramentalismus" vermag das darzustellen
. Teil II schildert seine Wurzeln in den Religionen, in der Bibel
und der Geschichte der Kirche, entwickelt einen eigenen systematischen
Zugang und entfaltet seine Bedeutung für Ethik und Spiritualität
.

Das Geheimnis der Schöpfung, Gott, ist in Jesus „in einzigartiger
Schönheit und Macht" gegenwärtig. Es wahrzunehmen, ist der Vernunft
grundsätzlich möglich, bedarf aber einer „christlichen Bekehrung
", einer Wendung der Grundperspektive, eines Wechsels des
Standortes (69f). Schon dem religiösen Menschen allgemein scheint,
wenn er sich dem göttlichen Mysterium als höchstem Gut zuwendet,
die Welt in ihrer tiefen Zeichenhaftigkeit auf. „Jede Kreatur kann zur
Gegenwart Gottes werden, Erinnerung an Gottes Macht oder Verheißung
von Gottes Fürsorge" (75f)- Die Religion der Indianer beispielsweise
steht dafür.

Im westlichen Christentum, besonders im Protestantismus ist die
„Manifestation" Gottes zu Gunsten der „Proklamation" seines
Wortes vielfach zurückgetreten. Doch die Sakramente verkünden
Gottes Willen ebenso wie sie seine Gegenwart gewähren. Daß der
Gott der Schöpfung und der Inkarnation gerade durch die Natur und
unsere Mitmenschen zu uns kommt, dies gilt es neu zu verstehen. Die
Bibel und die theologische Tradition - hier insbesondere die der Ostkirche
- leiten dazu an. „Eine bekehrte Theologie der Natur wird

diese sakramentale Tradition im Blick auf die ökologischen Notwendigkeiten
heute schlicht aufnehmen" (78). Sie wird die Rechte aller,
der lebendigen und der unbelebten Kreaturen auf einen respektvollen
und ehrfürchtigen Umgang mit ihnen verteidigen. Sie entspricht
damit Jesu Gebot eines einfachen Lebens, das schon vieles vorwegnahm
, was Ökologen heute für das Überleben fordern. „Gutes Leben"
heißt dann: Materiell sich begnügen mit dem, was man braucht;
„Vorrang spiritueller Betätigungen wie Gebet, Erziehung, Medizin,
Kunst, reine Wissenschaft und soziale Dienste". Mit einem solchen
Verständnis von gutem Leben, dem dann beispielsweise ökologisch
angepaßte Technologien und ökonomisches Gleichgewicht statt wirtschaftlichem
Wachstum entsprechen, vermögen wir die Natur von
den Folgen unserer ökologischen Sünden zu erlösen (83).

Der hier vorgestellte Sakramentalismus enthält evolutionistische
Züge, wie sie für einen wichtigen, von Teilhard de Chardin angeregten
Strang moderner katholischer Theologie charakteristisch sind. Doch
ist ein neuer Ton unüberhörbar. Der Anthropozentrismus der mittelalterlichen
und reformatorischen Theologie, der auch von Teilhard
noch nicht überwunden ist, mag einem „Jugendstadium" der
Menschheitsentwicklung entsprochen haben; doch „wenn wir nun
erwachsen werden, wird er abtreten müssen" (1 17), zugunsten der
„unabhängigen Rechte der Natur" (166). Der von der christlichen
Tradition vertretene einfache Lebensstil dient nicht mehr nur dem
geistlichen Wachstum des Menschen, sondern auch seinem physischen
Uberleben; entwickeln kann er sich aber nur, wenn Gott auch
in der Natur wiedergefunden und geehrt wird.

Theologisch fällt auf, daß der im Anschluß an die biblische und
historische christliche Lehre entwickelte, aber methodisch von ihr
sorgfältig abgegrenzte systematische Ansatz recht genau dem entspricht
, was als „grundlegende Überlegungen" (69 ff) bereits vorausgeschickt
war. Hier zeigt sich der hermeneutische Zirkel einer sakramentalen
Wirklichkeitserfahrung, wie sie wiederum nur bestimmten
kirchlichen Traditionen eigen ist. Ihnen entspricht ein aktives Glaubensverständnis
, das ein „Wachstum" in der Gnade auf verschiedenen
„Levels" auch religiösen Bewußtseins und verschiedene „Tiefen" der
geforderten Bekehrung erlaubt (61,69,71). Gottes Präsenz wird „fast"
(!) habituell, wenn die Anpassung der Bekehrten an das göttliche
Geheimnis zur vollen Reife gelangt ist (82). Kommt hier der Ernst der
Sünde und die Unbedingtheit der Gnade hinreichend zum Ausdruck?
Doch bleibt eine solche Theologie der Natur eine Fundgrube und
Herausforderung, die nicht nutzen zu wollen schlicht geistlicher
Hochmut wäre.

Heidelberg Jürgen Hübner

Matic, Marko: Jürgen Moltmanns Theologie in Auseinandersetzung
mit Ernst Bloch. Frankfurt/Main-Bern-New York: Lang 1983. V,
423 S. 8" = Europäische Hochschulschrifteti. Reihe XXIII: Theologie
, 209. Kart.sfr 78.-

Blochs Philosophie fordert den christlichen Glauben zur Rechenschaft
über sich selbst heraus. Moltmann hat diese Herausforderung
erkannt und den Versuch unternommen, den Inhalt des christlichen
Glaubens im Gespräch mit dem Denken Blochs neu zu formulieren.
Er ist dabei in starkem Maße von Bloch geprägt. Sein theologisches
Programm gibt Anlaß, nach der Priorität im Verhältnis philosophischer
Denkstrukturen zum theologischen Proprium zu fragen.
Das Urteil des Buches, das •ursprünglich als Dissertation der katholisch
-theologischen Fakultät in Innsbruck vorgelegen hat, fällt zugunsten
des letzteren aus. Gleichwohl fehlen kritische Töne nicht. Mehr
grundsätzlich und weniger direkt auf Moltmanns Gesamtkonzeption
bezogen, wird die Gefahr einer einseitig zukunftsorientierten Theologie
deutlich gezeigt. Sie besteht in der Ausblendung des Perfektums
des Heils und in der Verkürzung der Transzendenz Gottes, wenn diese
nur noch im Sinne eines zeitlichen ,vor uns' verstanden wird. Das