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Ausgabe:

1985

Spalte:

299-301

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Mendelssohn, Moses

Titel/Untertitel:

Kleinere Schriften. I, II 1985

Rezensent:

Schultze, Harald

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299

Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 4

300

ture renouvelee de ce best-sellcr que fut VEnchiridion, dans Tun de ses
chapitres tout au moins. L'historien de la religion chretienne y
decelera aussi quelques unes des raisons intellectuelles, tactiques, et
meme psychologiques de la tournure prise par les disputes helvetiques
qui allaient se tenir en presence de Eck ou d'intervenants qu'il avait
contribueä former.

Strasbourg Bernard Roussel

Mendelssohn, Moses: Kleinere Schriften. 1: Bearb. v. A. Altmann.
Mit einem Beitrag von F. Bamberger. II: Bearb. v. E. J. Engel. Mit
einem Beitrag von A. Altmann. Stuttgart-Bad Cannstatt: From-
mann-Holzboog 1981. XXXVI, 261 S. u. LXXXV, 369 S. 8° =
Moses Mendelssohn Gesammelte Schriften Jubiläumsausgabe,
6,1/2. Lw.

Die Jubiläumsausgabe der Gesammelten Schriften von Moses Mendelssohn
ist inzwischen gelbst ein Zeitdokument geworden. Sie wurde
„aus Anlaß der 200. Wiederkehr seines Geburtstages im Jahre 1929
von der Akademie für die Wissenschaft des Judentums und der Gesellschaft
zur Förderung der Wissenschaft des Judentums in Gemeinschaft
mit einem Ehrenausschuß und mit Unterstützung des Hauses
Mendelssohn und Co. begonnen". Die ersten Bände (I, II, III/1, VII
und XIX) erschienen 1929-1932. 1972 wurde die Edition neu aufgenommen
mit Faksimilenachdrucken der ersten Bände. Inzwischen
sind weitere Bände erschienen, insbesondere die vollständige Ausgabe
des deutschen Briefwechsels, die Bruno Strauss und Alexander Altmann
besorgten. Die Jubiläumsausgabe ist aber zur Zeit noch nicht
abgeschlossen. Es ist aber nicht verwunderlich, daß zur gleichen Zeit
ein Nachdruck der umfangreichsten früheren Ausgabe erschien:
Moses Mendelssohns gesammelte Schrillen, nach den Originaldruc-
kcn und Handschriften herausgegeben von G. B. Mendelssohn, Leipzig
1843-1863, sieben Bände; Neudruck 1972-1976. In dieser älteren
Ausgabe fehlen aber nicht nur die Briefe, sondern auch eine Reihe von
kleineren Schriften und Fragmenten. Vor allem enthält sie keinen
wissenschaftlichen Apparat.

Angesichts dieser Situation ist das Erscheinen der hier zu besprechenden
Teilbände VI/1 und 2 der Jubiläumsausgabe von besonderem
Gewicht. Die Zusammenstellung dieser ..Kleineren Schriften"
ist bunt: Teil I enthält Schriften zur philosophischen Anthropologie,
zur Psychologie und zur Staatstheorie sowie Exzerpte und Bemerkungen
aus Kollektaneenbüchern sowie Stammbuchblätter, Widmungen
und Nachträge zum Briefwechsel. Teil II sammelt sprachwissenschaftliche
Schriften (insbesondere aus den 50er Jahren). Den Hauptteil
machen Übersetzungen aus: Die vollständige Übersetzung von
Rousseaus zweiter Preisschrift „Abhandlung von den Ursprüngen der
Ungleichheit unter den Menschen" (erstmalig gedruckt seit 1756),
einzelne Abschnitte aus Piatons Politeia und Alcibiades, aus Shafts-
bury und Alexander Baumgarten. Außerdem enthält dieser Band
Gedichte und Nachdichtungen.

Erstmalig im Druck liegen die „Exzerpte und Bemerkungen aus
Kollektaneenbüchern", einige der Übersetzungen und die Abhandlung
„Über die Sprache" vor. Zwei weitere Schriften und die Übersetzung
zu Rousseau erscheinen erstmalig in einer Gesamtausgabe.

Die beiden Teilbände der „Kleineren Schriften" sind sehrgründlich
bearbeitet worden: Ausführliche Einleitungen charakterisieren jede
einzelne Schrift, auch die kleinen Fragmente, geben Auskunft über
den historischen Kontext und verweisen auf Sekundärliteratur. Der
Apparat der „Lesarten" informiert über den Handschriftenbestand
und die Erstdrucke. Der Abdruck in den von G. B. Mendelssohn besorgten
„Gesammelten Schriften" wird jeweils nachgewiesen. (Dabei
ergeben sich freilich einige Lücken: die Schriften zum Gespräch mit
Thomas Abbt - „Zweifel über die Bestimmung des Menschen; Orakel
die Bestimmung des Menschen betreffend"; „Anmerkungen zu Abbts
freundschaftlicher Correspondenz" - sind sämtlich in Band V der
„Gesammelten Schriften" bereits erschienen. Ebenso fehlen die Hinweise
zu „Soll man der einreißenden Schwärmerey durch Satyre oder
durch äußerliche Verbindung entgegenarbeiten?" und „Psychologische
Betrachtungen ..." sowie bei den Stammbuchblättern und
Widmungen.) Außerdem sind Anmerkungen beigegeben, die nicht
nur Zitate nachweisen, sondern auch Anspielungen, Bezugnahmen
auf Personen und Ereignisse entschlüsseln helfen.

Freilich ist das Auswahlprinzip für die Zusammenstellung dieser
„Kleineren Schriften" nicht durchsichtig. Zum Beispiel wird das
„Sendschreiben an den Herrn Magister Lessing in Leipzig", das Mendelssohn
seinem Druck der Rousseau-Übersetzung 1756 beigefügt
hatte, nicht in diesem Band mit abgedruckt, weil es bereits in Band II
der Jubiläumsausgabe 1931 erschienen war. So kann auch der Kommentar
zur Abhandlung „Über die Sprache" nur auf diesen zweiten
Band der Jubiläumsausgabe verweisen. Die beiden Teilbände der
„Kleineren Schriften" vereinigen Studien Mendelssohns aus seiner
gesamten Lebenszeit. Daraus ergibt sich, daß die Sachbezüge zu umfangreicheren
Arbeiten, die in anderen Bänden der Jubiläumsausgabe
erscheinen, jeweils hergestellt werden müssen. Diese Schwierigkeit
läßt sich aber mit dem ungewöhnlichen Editionszeitraum erklären.

Die sorgfaltige Arbeit an den vorliegenden Teilbänden gibt der Forschung
Material in die Hand, das noch auf eine umfassende Auswertung
wartet. Der Reiz dieser beiden Teilbändc besteht insbesondere
darin, daß sie Einblick in die Werkstatt Mendelssohns und in das
aktuelle literarische Gespräch insbesondere der 50er und der 80er
Jahre des 18. Jahrhunderts bieten. Z. B. bieten die Gedichte, Nachdichtungen
, Widmungen und Stammbuchblätter reizvolle Belege
dafür, welch bedeutsame Rolle Kontakte und Freundschaften zu gelehrten
Juden und Rabbinern in Mendelssohns Leben spielten.

Ebenso ist es von Interesse, zu verfolgen, mit welcher Energie der
junge Kaufmann Moses Mendelssohn in Berlin sich nicht nur in Literatur
und Philosophie seiner Zeit eingearbeitet hat, sondern die Ausbildung
seiner Sprachkenntnisse zugleich dazu nutzte, Übersetzungen
aus dem Französischen, Griechischen und Lateinischen anzufertigen.
Der ausführliche Kommentar Eva Engels zur Rousseau-Übersetzung
gibt eine ausgezeichnete Einführung in die Kenntnis der sprachlichen
Möglichkeiten, der sprachschöpferischen Begabung und der philosophischen
Auseinandersetzung Mendelssohns mit dem Text.

Von besonderem Gewicht sind die Schriften zur philosophischen
Anthropologie. Es ist viel zu wenig bekannt, welch tiefe Resonanz
Johann Joachim Spaldings Schrift „Die Bestimmung des Menschen"
(1748; 7. Auflage 1763) gehabt hat. Thomas Abbt veröffentlichte
„Zweifel über die Bestimmung des Menschen", die Mendelssohn zur
Replik veranlaßten. Alexander Altmann, der Herausgeber des Bandes
, hat bereits 1969 (Lessing Yearbook 1,200-233) die Relevanz dieses
Gespräches für die Entstehung von Mendelssohns „Phädon" dargestellt
. Daß Mendelssohn noch über den Tod von Thomas Abbt und
den Abschluß am „Phädon" hinaus an diesen Fragen weitergearbeitet
hat, zeigen die „Anmerkungen zu Abbts freundschaftlicher Correspondenz
", die erst 1781 erschienen. Dies Gespräch hat exemplarische
Bedeutung, weil Mendelssohn hier seinen Grundkonsens mit
der an Leibniz geschulten Theologie der Aufklärung bezeugt, obwohl
er sorgfältig vermeidet, Anleihen bei einem christlichen Offenbarungsverständnis
zu machen. Abbt hatte sich gegen den Platonis-
mus Spaldings gewehrt und versucht, die philosophischen Aussagen
über die Bestimmung des Menschen innerhalb der Grenzen der irdischen
Existenz des Menschen zu formulieren. Er lehnte - gemeinsam
mit dem Empirismus in der Aufklärung - die Begründung der Ethik
aus einer transzendenten Lohn-Slrafe-Rclation ab. Demgegenüber
hält Mendelssohn an dem metaphysischen Ansatz fest: Die Bestimmung
des Menschen ist nur zu begreifen, wenn die Vervollkommnung
des Menschen nicht durch den irdischen Tod ihr Ende findet. Die
Überzeugung von der Einheit der irdischen und überirdischen Welt
erlaubt es, eine Wertung der Stufen menschlicher Existenz zu vermeiden
: Der Wilde, der Naturmensch ist ebenso der individuellen
Vervollkommnung fähig wie der Philosoph in einem aufgeklärten
Volk. Die Verwandtschaft des philosophischen Grundansat/es in