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Ausgabe:

1985

Spalte:

294

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kim, Seyoon

Titel/Untertitel:

The origin of Paul's gospel 1985

Rezensent:

Wolff, Christian

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung I 10. Jahrgang 1985 Nr. 4

294

Gegenfrage, wie die Korinther dann den Anteil am ISlul Christi, von
dem in den Herrenmahlsaussagcn ja ebenfalls die Rede ist, verstanden
haben. - Im Hinblick auf die Gestalt der Gemeindeversammlung stellt
Vf. die erwägenswerte These auf, daß - entgegen einer verbreiteten
Sicht - der Wortgottesdienst sich an das Sättigungsmahl und an die
Eucharistiefeier anschloß. Mit dieser Rekonstruktion (die andere
Versammlungsformen nicht ausschließt) wird 11,21.33 Rechnung
tragen; außerdem ist die Analogie zum antiken Symposion (Essen,
Trinkspendc, Gespräch) beachtlich. - Schließlich werden die in den
letzten Versen des I Kor oft vermuteten liturgischen Traditionen
untersucht. Vf. kann bei der von ihm rekonstruierten Abfolge des
Gottesdienstes den Briefschluß freilich nicht mehr als Überleitung
vom Wortgottesdienst zur Mahlfcicr verstehen; in den letzten Versen
sieht er stattdessen allgemeiner die Aufnahme liturgischer Formeln,
ohne daß sich darin der Ablauf der Gemeindeversammlung widerspiegele
. Für den ..heiligen Kuß" (16,20) wird auf die mehrfache Verbindung
von Kuß und Mahl in ..Joseph und Aseneth" hingewiesen.
Das „Anathema" (V. 22) wird von den Ausschlußformeln der Mysterien
her verstanden, deren primäre Funktion im Ausschluß der
Unwürdigen (wie z. B. Mörder oder Barbaren) von der Zulassung zur
Weihe besteht. Für den Maranatha-Ruf (V. 22) wird als älteste Funktion
die Antwort der Gemeinde auf die Rezitation des cschatolo-
gischen Ausblicks erwogen; diese Bitte um die Parusie wurde dann
schon früh überlagert von der Herbeirufung des Herrn zum Mahl.

Die Zusammenfassung betont u. a. die zuvor aufgezeigte Entwicklung
des Mahlverständnisses von Jesu Abschiedsmahl als eschatolo-
gischem Erfüllungszeichen über die Vorstellung von der kultischen
Epiphanie des Kyrios bis hin zum magischen Sakramentsrealismus
der Korinther und der korrigierenden Betonung des Todesmotivs bei
Paulus. Die religionsgcschichtliche Betrachtungsweise führt zu dem
Ergebnis: ..Das Herrenmahl erweist sich dem strukturvergleichcnden
Blick als ein komplexes Gebilde, das der äußeren Gestalt nach vor
allem mit dem Vereinsmahl und dem Totcngedächtnismahl, der tragenden
Konzeption nach mit dem Mysterienmahl verwandt ist.
Andere Mahltypen spielen herein, keiner aber ist mit dem Hcrren-
mahl völlig deckungsgleich . . . Man wird der Eigenständigkeit des
Hcrrenmahls . . . sicher nicht gerecht, wenn man es als mosaikartige
Konstruktion aus den vorhandenen Elementen begreift, es handelt
sich um einen in seiner Art neuen, schöpferischen Entwurf. Die
besondere Gestalt liegt in der besonderen Geschichte begründet. Aus
dem jüdischen Festmahl wird die Rahmenhandlung herausgebrochen
und mit einer neuen Deutung versehen. Die zunehmende Isolierung
zum reinen Kultakt geht mit einer intensiven Intcrpretations- und
Umsclzungsarbcil einher, so entsteht die Mahlfeier, der wir in
Korinth begegnen" (S. 3680-

Die religionsgeschichtlich orientierte Studie ist ein gründlich erarbeiteter
Beitrag zum paulinischen Herrenmahlsverständnis, zur
Bedeutung des Herrenmahls in der heidenchristlichen Gemeinde von
Korinth und zur Theologie des Hcrrenmahls in seinen einzelnen Entwicklungsphasen
. Das hohe wissenschaftliche Niveau wird dieses
Buch sehr bald zu einem Standardwerk der neutestamentlichen
Wissensehaft, der Rcligionsgeschichte und darüber hinaus für jeden,
der sich intensiv mit dem Thema „Herrenmahl" beschäftigt,
machen.

Berlin Christian WollT

' N.Walter. Christusglaube und heidnische Religiosität in paulinischen
Gemeinden. NTS 25. 1978/79, S. 422-442 (Zitat S. 422)

Für das in zeitlichen Abstanden wiederholte (iedäehtnismahl scheint das
aber nicht der Fall gewesen zu sein; jedenfalls kommt Vf. in diesem Zusammenhang
nicht darauf zu sprechen.

Kim, Seyoon: The Origin of Paul's Gospel. 2. ed., revised and cn-
larged. Tübingen: Mohr 1984. XII, 413 S. gr. 8" = Wissenschaftl.
Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe, 4. Kart.
DM 78,-.

Wenn dieses Buch nach kurzer Zeit bereits in der zweiten Auflage
erscheint, so ist daraus das starke Interesse ersichtlich, auf das die
Studie in der internationalen Leserschaft gestoßen ist. Vf. kann sein
Werk daher auch weithin unverändert lassen. Angefügt ist ein Nachtrag
von 23 Seiten, in dem auf einige Rezensionen eingegangen wird;
Kim verdeutlicht hier u. a. seine Positionen hinsichtlich des paulinischen
Verständnisses traditioneller kerygmatischer Aussagen und -
unter Bezugnahme auf die Anzeige in ThLZ 108, 1983 Sp. 595-597-
der Eikon-Christologie. Ein ausführliches Streitgespräch wird mit
H. Räisänen (Paul and the Law. Tübingen 1983) und mit den neuesten
Veröffentlichungen von E. P. Sanders geführt, wobei auch
Mcthodenprobleme in bezug auf die Rekonstruktion der jüdischen
Religion im I. Jh. n. C hr. zur Sprache kommen. In der Argumentation
Kim's wird jeweils wiederum die Geschlossenheit seiner Konzeption
in imponierender Weise deutlich. Angemerkt sei. daß Rez. auch
inzwischen oft und mit Gewinn aufdas Buch zurückgegriffen hat.

Berlin Christian WolfT

Baumotte. Manfred [Hrsg.]: Die Frage nach dem historischen Jesus.

Texte aus drei Jahrhunderten. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn 1984. 323 S. gr. 8' = Reader Theologie. Basiswissen -
Querschnitte - Perspektiven. Kart. DM 29,80.

Mit dem Band stellt sich die Reihe „Reader Theologie" vor, die zu
relevanten theologischen Themen die wichtigsten Texte aus Geschichte
und Gegenwart, verbunden mit kurzen, wertenden Einleitungen
, präsentieren will. Im vorliegenden Fall, in dem es um den
historischen Jesus als theologisches Problem geht, wird eingesetzt mit
Reimarus.am Ende kommen L. Schottroff/W. Stegemann. P. Lapidc
und T. Koch zu Wort. Geboten werden neben Informationen über
den jeweiligen Autor und die Bedeutung seines Werks mehr oder
weniger umfängliche Auszüge aus einschlägigen Texten, in der Regel
in Reproduktion früherer Veröffentlichungen. Die Quellennachweise
finden sich erst am Ende des Bandes. Um möglichst viele Texte zu bieten
und doch im Preis außerordentlich niedrig zu bleiben, ist der Satz
streckenweise unübersichtlich dicht und so klein, daßdas Lesen Mühe
macht. Vielleicht hätte weniger Text geboten werden sollen. Die Auswahl
wird nie alle Leser befriedigen können. In diesem Falle treten die
aufklärerisch-kritischen Stimmen, die „Jesus" gegen die kirchliche
Tradition ausspielen, einseitig hervor; das Fehlen von Texten von
Jeremias, Kümmel, Goppelt etwa oder aller katholischer Stimmen
der Gegenwart läßt kaum die ganze Breite der Diskussion erkennen.
So bestätigt sich auch an der Auswahl selbst, daß die Position in der
Jesus-Frage mit der jeweiligen theologischen Entscheidung untrennbarverbunden
ist.

T. H.

Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt. Geschichte und Kultur
Roms im Spiegel der neueren Forschung. II: Principat. Hrsg. von
H. Temporini u. W. Haase. Bd. 21.2: Religion (hellenistisches
Judentum in römischer Zeit: Philon und Josephus (Forts.). Hrsg.
von W. Haasc. Berlin-New York: de Gruyter 1984. X, 761-1342.
gr. 8". Lw. DM 320,-.

Rasch nach dem Band, der Arbeiten zu Philo bot (s. ThLZ 109.
1984 Sp. 8070 erschien der, der mit Werk und Wirkung des Flavius
Josephus bekannt macht. Das geschieht in vergleichsweise erheblich
geringerem Umfang; denn der vorliegende Band enthält am Ende
noch drei wichtige Arbeiten als Nachtrag zu ANRW II 19 (Judentum:
Allgemeines; Palästinisches Judentum). Allerdings ist der ursprüng-