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Ausgabe:

1985

Spalte:

290-293

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Klauck, Hans-Josef

Titel/Untertitel:

Herrenmahl und hellenistischer Kult 1985

Rezensent:

Wolff, Christian

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Theologische Litcraturzcitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 4

290

Kieffer, Rene: Foi et Justification a Antioche. Interpretation d'un
conflit (Gal 2,14-21). Paris: Cerf 1982. 164 S. 8' = Lectio Divina,
1 11. F 89.-.

Der paulinische Tciltext, dem sich der methodenkritische Lundcn-
ser Neutestamentier jetzt (vgl. ThLZ 103, 1978 Sp. 353-355) zugewendet
hat, ist nicht irgendein Textsegment, sondern gewissermaßen
der „Galatcrbricf im Galatcrbrief'; denn die Episode in Antiochia
Gal 2,1 I ff war ein Vorspiel der jetzt in Galatien fälligen „Reformation
": Sie ist darum in ihrem Argumentationswert wichtig, weil verdeutlicht
wird, wie in einer früheren, analogen Situation die „Logik
des Evangeliums" wieder zur Geltung gebracht wurde, als sie für die
konkrete Entscheidung einer Gemeinde schon einmal nicht mehr als
bestimmend durchgehalten wurde. Darum ist die Gal 2,14b—21
referierte Rede an Petrus von damals in ihrer Argumentationsfunktion
zugleich Rede an die intendierten galatischen Leser. Da die
kommunikative Ebene der berichteten Situation methodisch klar von
der umgreifenden kommunikativen Ebene der direkten Anrede an die
Galatcr unterschieden wird, verhindert diese semiotische Klärung das
Aufrichten falscher Alternativen an diesem Punkt und überholt
ebenso weniger überzeugene Abgrenzungen. Gliederungen und Funktionsbestimmungen
dieses Teiltextes.

Die sorgfältige Einzelexegese (13-80) geht vorteilhaft von der
Beobachtung aus, daß diese referierte Rede makrosyntaktisch durch
die Differenzierung der Personalpronomen präzis gegliedert ist. In
subtiler Aufarbeitung der von der Forschung vorgeschlagenen Einzel-
lösungcn und in Weiterführung der wichtigen Analyse von
J. Lambrecht (NTS 24, 1978,484-495) gelangt Kieffer zu dem Resultat
: „Also ist diese Texteinheit in ihrer grundlegenden Struktur eine
Überführung aus dem Zustand der Trennung in den einer Verbindung
von Juden und Nichtjuden auf dem Wege der Verwendung der Terme
.sterben' und .leben'. Die Aufhebung des Trennungsfaktors (Gesetz
und Werke des Gesetzes) verdankt man dem realen Tod Christi am
Kreuz, der sich nunmehr des Lebens jedes Christen bemächtigt:
Durch ihn sind die unterschiedlichen Personen (ich, du, wir, sie) verbunden
. Folglich sind die getrennten Selbstverständnisse durch ein
einheitliches Selbstbewußtsein des authentischen ,Ichs' jedes Christen
ersetzt, in dem Christus lebt und der einzig für Gott lebt" (80).

Die problemorientiertc Darstellung der Rezeptionsgeschichte des
antiochenischen Konflikts (81-132) konnte sich auf die gediegenen
Material-Aufarbeitungen von Overbeck 1877 bis Mußner 1974,
146-167 stützen. Damit wird nicht ein Exempel der derzeit modischen
und darum entsprechend ertragsarmen „Wirkungsgeschichte"
geboten; vielmehr ist die Rezeptionsgeschichte dieses Teiltcxtes als
ein Paradebeispiel der hermeneutisch-adaptiven Tendenzen wie der
Irrwege und Gefahren der Rezeption überhaupt dargestellt. Hier
kreuzen sich alle Interessen und Konzeptionen der widersprüchlichen
Kirchengeschichte: Sage mir, wie du mit Gal 2,11 ff umgehst, und ich
werde dir sagen, was für ein Christ du bist! (Bezeichnenderweise
gehört dieser Text, um dessen Verständnis Hieronymus mit Augustin
zehn Jahre lang stritt, heute nicht zu den regelmäßigen Predigttexten!)
Nachdem Marius Victorinus es erstmalig wagte, hier Petrus einen
Sünder zu nennen, negierte Luther dann vollständig die Heiligkeit von
Personen. Doch zugleich kam es bei ihm dadurch, daß er mittelalterliche
Werklehrc und seine Verzweiflung, dieser gerecht werden, in den
Text hineinlas („Vertrauen" auf Werke), zu einer anderen verhängnisvollen
Linie pseudosemantischer Fehlintcrprctationen (109f. 1 16). In
Würdigung und Grenzziehung leistet hier der katholische Exeget
einen ökumenisch-theologisch forderlichen Gesprächsbeitrag.

Vergleichsweise werden dann noch die übrigen NT-Aussagen zur
..Gerechtmachung" herangezogen. Dies geschieht aber überblicksweise
, so daß die notwendigen semantischen Präzisionen noch nicht
befriedigend erreicht werden. Es besteht die Gefahr, daß ein solches
nicht befriedigend konturierte Nebeneinander dazu führt, den fundamentalen
Stellenwert von Gal 2.11 ff wiederum abzuschwächen.

Wenn auch leicht zugestanden wird, daß das NT keine Einheit ist. so
muß man den noch fundamentaleren Tatbestand veranschlagen, daß
es vor allem auch keine Gänzlich im Sinne eines präzis definierten
Textbcgriffs ist. Wenn man wie K. mit E. D. Hirsch 1972 zu Recht
konsequent zwischen Interpretation und Rezeption differenziert,
dann kann «son integralite» (126) nicht nur keine hilfreiche Interpretationsnorm
, sondern auch keine überzeugende Rezeptionsnorm sein.
Die Einsicht, daß der Kanon selbst ein Rezeptionsprodukt auf der
Basis einer vorwissenschaftlichen Interpretation ist, verbietet seine
positivistische Verwendung als Rezeptionsnorm angesichts der heutigen
Ergebnisse wissenschaftlicher Textinterpretation. Bezeichnend ist
in der Kanondebatte um die „Sachkritik", daß H. Küng sein 1962
gegen E. Käsemann geltend gemachtes kanon-holistisches Prinzip
gerade wegen der gewachsenen exegetischen Einsichten im Gespräch
mhJ. Blank ThQ 1 59 (1979) 24 ff wesentlich eingeschränkt hat.

Im einzelnen werden viele Einzclfragcn noch weiter in die Diskussion
bleiben: Die Apostelgeschichte scheint mir zu schnell als selbständiger
Zeuge bewertet zu sein, da sich wohl immer weniger die Einsicht
abweisen läßt, daß sie doch die paulinischen Briefe selbst als ihre
wesentliche Quelle literarisch verarbeitet. Die Datierung des
Antiochia-Konflikts vor das Jerusalemer Abkommen (24f. 34) läßt
sich nicht mehr so zurückweisen, da das Zeitadverb 2,11.12.14 gerade
das andere von 1,18.21:2,1 bewußt ersetzt und so durch einen unterbrechenden
Anschluß wie 1,15 jene chronologische Linie eben nicht
fortsetzt. Die Meinung, daß Petrus von Paulus in Antiochien nicht
überzeugt worden sei (25), dürfte durch die Erwähnung von Petrus
und Barnabas im späteren 1 Kor wohl ebenso auszuschließen sein wie
durch die Erwägung, daß dies den intendierten Argumentationswert
der Passage abschwächen würde. Die sakramentale Prolongation auf
die Taufe hin (51 f, 690 wird von Rom 6,3f ausgeschlossen, da sie dort
nur auf das Begraben (als Bestätigung des vorangehenden Gestorbenseins
) bezogen aber nicht als Tötung verstanden ist, und eben
darum auch nicht auf das Mit-Sterben bezogen werden kann. Die
Tragweite der von K. Stcndahl inaugurierten semantischen Neubestimmung
der zentralen paulinischen Termini dürfte m. E. noch stärkere
Auswirkungen für ein adäquates Erfassen des Wortfeldes der
Rechtfertigungsterminologie haben, weshalb ich E. P.Sanders 1977
in manchem noch positiver veranschlagen würde. Vor allem glaube
ich Pistis in dem grundlegenden Syntagma 2,16 (nach 1.23!) stärker
objektiv (und nicht als nomen actionis) fassen zu müssen (ThLZ 97,
1972 Sp. 161-1 74 und dazu Lührmann 1976).

Die vorliegende Studie ist weiterführend und zur Weiterführung
anregend zugleich - und das sowohl in exegetischer wie in hermeneu-
tischcr Hinsicht. Darin liegt zugleich ihr hoher ökumenischer Wert.

Eppstein WoIfgangSchenk

Klauck, Hans-Josef: Herrenmahl und hellenistischer Kult. Eine reli-
gionsgcschichtliche Untersuchung zum ersten Korintherbrief.
Münster/W.: AschendorfT 1982. VIII, 431 S.gr. 8° = Neutestament-
liche Abhandlgn., NF. I 5. Lw. DM 118,-.

Das „Achthaben auf das, was bei Heidenchristen in paulinischen
Gemeinden von ihren eigenen Traditionen her vorauszusetzen ist"',
ist in jüngster Zeit stärker in das Bewußtsein der Exegeten gerückt. Die
hier anzuzeigende Untersuchung, eine von J. Gnilka angeregte Habilitationsarbeit
, wendet diese Fragestellung an, um speziell jene reli-
gionsgcschichtlichen Hintergründe zu erhellen, die das Herrenmahls-
verständnis der korinthischen Gemeinde prägen. Zugleich werden
auch die Voraussetzungen für das paulinische Verständnis des
Herrenmahls untersucht.

Der erste Hauptteil gibt einen kenntnisreichen und differenziert
urteilenden forschungsgcschichtlichen Überblick über die unterschiedlichen
religionsgeschichtlichen Zuordnungen des Herrenmahls.
- Den umfangreichsten Abschnitt der Untersuchung bildet der zweite