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Ausgabe:

1985

Spalte:

282-284

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Gelles, Benjamin J.

Titel/Untertitel:

Peshat and Derash in the exegesis of Rashi 1985

Rezensent:

Schreiner, Stefan

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Theologische Litcraturzcitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 4

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dar, was ebenso in der Festlegung der Gebetszeiten nach den Zeiten
der Opfcrdarbringung im Tempel (TB Berakhot 26b) wie in der Übernahme
der Bezeichnung der jeweiligen Opfer zur Benennung und
damit Charakterisierung der jeweiligen Gebete seinen sichtbaren Ausdruck
gefunden hat. - "Religion and Mysticism; The Case of
Judaism" ist das Thema von Arthur Green (S. 67-91). Darin gibt Vf.
zunächst einen Überblick über die Mystik von der antiken Merkavah-
Spekulation über die spanisch-jüdische Kabbalah bis zum osteuropäisch
-jüdischen Chassidismus und „porträtiert" sodann die vier
..Typen" von Mystikern; er nennt sie: Heavenly Voyager (in der
Merkavah-Mystik), Lovcr of God (wie in dem opus classicum dieser
Mystik: R. El'azar Azikris (1533-1600) Sepher ffaredim (Buch der
Zitternden/), Symbol-Maker (d. i. Kabbaiist im engeren Sinne) und
Holy Man (d. i. Chassid bzw. Zaddik, etwa R. Nahman von Bratzlaw
[1772-1810]) nennt. - Anknüpfend an sein Buch Piety an Society:
The Jewish PietistS of Medieval Germany [Leiden 1981] entfaltet Ivan
G. Marcus in "Religious Virtuosi and the Rcligious Community:
The Pietistic Mode in Judaism" (S. 93-115)am Beispiel von Jehudah
d. Frommen (gest. 1217) Buch Sepher llasidim /Buch der Frommen/
und El'azar b. Jehudah b. Kalonymos von Worms (gest. um 1230)
Buch Sepher ha-Roueah /Buch des Salhcnmischersl das Spannungs-
vcrhältnis zwischen "piety and pietism" ("all Jewish Pietists are pious
Jews, but not all pious Jews are Jewish Pietists"). Seine These: Die
Hasidei Ashkcnaz waren eine "Jewish sectarian group", deren
"sectarian code" eben jenes Buch Jehudah des Frommen war. Gegenüber
dem "socioreligious innovator" Jehudah, der "pietism" als
Lebensform einer elitären Gemeinschaft verstand, vertrat El'azar von
Worms "a personal, not social, sectarian. or political, pietism".
Indem El'azar "transformed pietism into piety", ermöglichte er es
auch dem einfachen, nicht der elitären Gemeinschaft angehörenden
Juden "to bc a Pietist simply by being a pious Jew". - David R.
Blumenthal skizziert in "Religion and the Rcligious Intcllcctuals:
The Case of Judaism in Medieval Times" (S. 117-142) die Entfaltung
der Wissenschaften und der damit verbundenen spezifischen "literary
Genres" (of Theology. Philology. Polemics, Mysticism. Litcrature,
Law. Science), die in vielen Fällen engstens mit der entsprechenden
Entwicklung im vorab islamischen Kulturbcrcich verknüpft ist.

Teil III schließlich ist der Interpretation: Judaism Today and
TomorroK gewidmet. In welcher Weise die jüdische Orthodoxie der
Herausforderung begegnete, die die Moderne für jüdische Identität
und deren Verwirklichung bedeutet, zeigt Charles Liebman in
"Religion and the Chaos of Modernity: The Case of Contemporary
Judaism"(S. 147-164). Vf. unterscheidet darin folgende vier Antworten
: a) Ncotraditionalismus, den einst R. Moses Sofcr (1762-1839)
begründete, und Tür den vor allem "strietness in the Interpretation of
rcligious law" und "uniformity in the interpretation of the tradition"
charakteristisch sind; b) Adaptionismus, der sich durch das Bemühen
auszeichnet, "to affirm that the basic valucs of the modern world are
not only compatible with Judaism but partake of its essence"; c)
"Compartmcntalization", worunter Vf. die von R. Samson Raphael
Hirsch (1808-1888) geprägte Neoorthodoxie versteht; und d) Expansionismus
, der "affirms modernity by reinterpreting it through the
prism of the Jewish tradition", wie es vor allem R. Avraham Isaak
Hacohcn Kook (1865-1935) versucht hat. - Auf die Frage, wie
Geschichte innerhalb der Tradition verstanden ist, antwortet Richard
L. Rubenstein in "Religion and History: Power, History and the
Govenant ofSinai" (S. 165-183). indem der deutlich macht, daß "the
fundamental answer has not really changed since Sinai: In Judaism
history is ultimately regarded as the ways in which men have either
met or läiled to mect their obligations to their God who is absolutely
sovereign over all things (.. .) No human value (. . .) is of sufficient
unportance to compromisc the imperative to fulfill the divincly certi-
fied obligations, for the real safety and security of mankind rest with
the God who alonc is truly sovereign (.. .)." - Mit dem Problem der
l bernahme (appropriation) der jüdischen Geschichte durch Christen
und Muslime und deren Konsequenzen befaßt sich Ben Halpcrn in

"History and Religion: The Ambiguous Uses of Jewish History"
(S. 185-195). Indem Christen und Muslime die in der Bibel überlieferte
jüdische Geschichte zu ihrer eigenen gemacht haben, "they
could not conccdc much significance to the continuing history of the
incongruously surviving aboriginal Jews". Das hatte zur Folge, daß
jüdische Geschichte nurmchr als Fußnoten zur allgemeinen
Geschichte betrachtet wurde. Zwar gibt es trotzdem eine Geschichte,
in der Juden das Subjekt waren und sind, ebenso auch eine jüdische
Geschichtsschreibung; doch erst der Holocaust und die Gründung des
Staates Israel "have brought the long-dcveloping Integration of Jewish
and gcncral history abruptly to a point whcre there inherently diverse
perspectives constanlly threaten to emerge in open confrontations".
ein Umstand, "which removes all doubts about the need for gencral
history to concern itsclf with the Jewish State - and hence with the
Jewish history out of which it sprang". - "Religion and Culture:
Judaism as a Cultural System" endlich ist das Thema von David
Buchdahl (S. 197-212). J. Neusner hat einmal die Geschichte des
Judentums "the interpretation of Torah and its message for each
successive age" genannt (The Way of Torah - an Inlroduction of
Judaism [North Scituate, Mass. 1979] S. 10). Entsprechend bezeichnet
Vf. das Judentum als "a sequence of Systems (of meaning), ercated
by particular pcoplc in a particular place and time". Freilich, "the
Systems (. ..) are not its essence but mcrely its shells, external forms
that provide access to internal states"; denn Judentum ist vorallem "a
living faith, an »acted document« (C. Geertz}". Als "fundamental
Clements which become a foundation for (. ..) the (. ..) Systems of
meaning" erkennt Vf. „Gott - Torah - Israel" (ganz im Sinne von
Franz Rosenzweigs „Stern der Erlösung"), deren Bezogenheit aufeinander
jeder Schabbat neu vergegenwärtigt.

Im Epilogue: Judaism in the Comparison of Rcligious erwägt
Jonathan Z.Smith in "No Need to Travel to the Indies: Judaism
and the Study of Religion" (S. 215-226) Möglichkeiten des Studiums
des Judentums im Kontext der allgemeinen Religionsgeschichtc (bei
vorausgesetzter Notwendigkeit desselben), während Hrsg. in "Alike
and Not Alike: A Grid for Comparison and Differentiation"
(S. 227-235) noch einmal die bereits eingangs von ihm angeschnittenen
methodologischen Fragen aufgreift.

Wenngleich das Postulat eines "contextual comparison" als einzig
akzeptabler Methode religionsvergleichender Studien durchaus keine
Erfindung der Autoren der Beiträge vorliegenden Bandes ist - mit
anderen Worten zwar, doch in der Sache dasselbe meinend, hatte eine
entsprechende Forderung (freilich im Blick auf den frühen Islam)
bereits Johann Fück in seinem Aufsatz „Die Originalität des arabischen
Propheten" (in: ZDMG 90, 1936, S. 509-525 = in: ders..
Arabische Kultur und Islam im Mittelalter. Ausgewählte Schriften,
hrsg. von M. Fleischhammer, Weimar 1981. S. 142-152) erhoben-.
muß man ihnen dennoch bescheinigen, daß sie ihr Konzept des
"contextual comparison" konsequent durchgehalten haben. Indem
sie, jeder für seinen Teil, das jeweils zur Diskussion anstehende
Problem nicht losgelöst, sondern stets "in the total context of Judaic
rcligious culture" analysiert haben, ohne dabei dem Synchronismus
zu verfallen, sondern vielmehr die erforderliche diachronische
Betrachtungsweise zu wahren, haben sie wesentliche und wichtige
Vorarbeit geleistet, auf die alle weitere, das Judentum einbeziehende
religionsvergleichende Forschung gewiß dankbar zurückgreifen wird.
Daß die Lektüre der vorgelegten Studien eine ebenso interessante wie
aufschlußreiche Lektüre bedeutet, braucht da kaum eigens noch hinzugefügt
zu werden.

Berlin Stefan Schreiner

Gelles, Benjamin .1.: Peshat and Derash in the Exegesis of Rashi.
Leiden: Brill 1981. X. 171 S. 8" = Etudes sur le Judaisme
Medieval, 9. Lw. hfl 64,-.

Der unter dem Akronym Rashi bekannte Rabbi Shlomo ben
Jizchaq aus Troyes (1040-1105) gilt nicht nur als der klassische