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Ausgabe:

1985

Spalte:

278-279

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Perdue, Leo G.

Titel/Untertitel:

A prophet to the nations 1985

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 4

278

Samuel, die die Eli-Silotradition an den Rand schiebt, dem Überliefe -
rungsbcstand wie dem theologischen Skopus ganz gerecht wird. 2.) die
Saulerzählung (S. 63-162); sie beginnt mit dem Richten Samuels über
Israel (7.2-17) und schließt mit der Salbung Davids durch Samuel
(16.1-13). Schließlich 3.) die Geschichte von Davids Aufstieg
(l6.1-2Sam 5. hier bis 31:1-13, Tod und Begräbnis Sauls).

Sicher werden diese Voraussetzungen darin Zustimmung linden,
daß sie für die Auslegung Anerkennung der Schrift als göttlicher
Offenbarung verlangen; ebenso darin, daß gelehrte Arbeit nicht um
ihrer selbst willen geschehen darf. Auch eine fachgerechte Forschung
sollte auf ihre Art erbaulich sein.

Der Forderung der Wissenschaftlichkeit dienen die bibliographischen
Angaben und die sachliche Darstellung literarkritischcr und
überlieferungsgeschichtlicher Probleme in "Form/Structure/Setting",
die z. B. anerkennt, daß die Ladcgcschichte den Elidensöhnen neutral
gegenüberstand und ihren Tod als Katastrophe wie andere auch ansah;
doch nivelliert das wieder die summarische Aufzählung der Stationen
der Lade und die Feststellung, daß diese den Faden von Dtr bilde. Das
hängt wohl mit der Ablehnung eines Zusammenhanges zwischen
Kap. 2 und 4 zusammen (S. 131, nach Campbell). Oder ich verweise auf
die Einsicht, daß 15,1-16,13 kein originaler Teil der Aufstiegsgeschichte
sei (S. XXXI); obwohl die Folgerung nicht überzeugt, daß hier
gezeigt werde, wie das Buch heute gelesen werden müsse. Oder ich
merke die eingehende Darstellung der literarischen und überlieferungsmäßigen
Probleme von 17-18.5 an (S. 1740.

Dem Ziel einer breiten Vcrständnisgrundlage dienen im Teil
"Comment" die durch Kartenhinweise dokumentierten topographischen
Angaben, die in Zweifclsfällen auch verschiedene Möglichkeiten
der Ansetzung diskutieren (z.B. S. 68 Mizpa; S. 91 Grab der
Rahel); sie erteilen auch über archäologische Fragen Auskunft (z. B.
Beth-Semesh S. 58; Kirjath Jcarim S. 60). und geben einen Überblick
über das Vorkommen eines Namens im Alten Testament sonst. Dazu
gehört weiter die ausgedehnte Besprechung von Realien, nötigenfalls
so, daß in eine bestehende Diskussion eingeführt wird (z. B. Salbung
S. 158; Orakclwcsen S. 160). Zuweilen mag sie über das hinausgehen,
w'as für einen Text zur Einsicht nötig ist (z. B. der Hinweis auf Darstellungen
von beschnittenen Angehörigen der Scevölkcr in Megiddo).
Man kann überhaupt - aber am Rande - fragen, ob die an sich
dankenswerten Angaben nicht im Rahmen eines "Comment" etwas
erdrückend und ablenkend wirken (McCartcr hat sie in Notes verwiesen
). Das könnte übrigens auch vom theologischen Sektor gelten,
wenn biblische Zitate über das Erforderliche hinaus gegeben werden
(z. B. das Amoszitat 3,7 im Zusammenhang von Kap. 20).

Damit beginnen die Fragen. Der Kommentar will eine wissenschaftliche
wie eine Auslegung Für die Gemeinde im weitesten Sinne
bieten. Ist da nicht die Gefahr, daß etwas zu kurz kommt? Im deutschsprachigen
Raum gibt es manche Auslegungen, die sich an den gebildeten
Bibclleser wenden; ich denke an Hertzberg, jetzt Stolz, auch
Ungern Sternberg. Sic verzichten nicht ganz auf fachliche Anmerkungen
, sind aber mit Absicht auf die theologische Begrifflichkeit einer
Gegenwart zugeschnitten, die freilich Für einen Studierenden nicht genügend
sein kann.

Die Arbeit von Thcnius. Wellhausen u. a. fortsetzend, wird der
Text auf der Basis der LXX, dazu der Lesarten von Qumran ausgelegt;
dafür wird auf McCartcr (S. 9-11) verwiesen, bei dem freilich die textkritischen
Anmerkungen breiter ausgeführt und begründet sind, während
sie hier oft etwas Willkürliches haben. Abweichungen nach
LXX(Q) brauchten überhaupt nur zitiert zu werden, wenn sie den
Text von M entscheidend ändern (also z. B. nicht 15,1: Israel/Volk
Israel; Stimme/Stimme der Worte); oft setzt LXX überhaupt keinen
anderen Wortlaut voraus (z. B. zu 16,3). 18,6 hat M (mit Saul) situationsbedingt
eine von LXX nicht verstandene Feinheit; 17,39a. .a
gibt M trotz LXX einen Für sein Verständnis der Situation wichtigen
Sinn: 24.5 scheint Kct. (trotz Vers und Seb.) besser zu sein als Q. Entsprechend
der Absicht des Kommentars wünschte man mehr Bedachtsamkeit
gegenüber dem Text von M.

Mit Vcijola u. a. nimmt Vf. an. die Überarbeitung durch Dtr reiche
weiter, als es Noth noch glaubte; so sieht er seine Aufgabe in der Auslegung
der dtr. Endgestalt (S. XXXI). Er erkennt z. B. die Existenz
einer selbständigen Aufstiegsgeschichte an, interpretiert sie aber in der
Gestalt, zu der sie als Teil des dtr. Geschichtswerkes umgeformt
wurde (S. XXXII). Diese Prämisse ist sicher, z. B. Für die verdienstvollen
Arbeiten Veijolas, berechtigt, bedeutet hier aber eine Einengung
. Zwar werden "Introduction" S. XXVII/XXVIIIffdie einzelnen
Übcrlieferungskomplexe herausgestellt, auch sonst literarische
Probleme vorgeführt, aber sie werden eigentlich nur - ablehnend oder
zustimmend - referiert ohne Belang Für das Gesamtverständnis. Es ist
auch ohne Bedeutung, wenn jeweils angemerkt wird, daß eine Peri-
kope kein Zeichen dtr. Bearbeitung zeige. So ergibt sich eine unlebendige
Einflächigkcit, wenn es z. B. zu 13.1-13 heißt. Saul sei dadurch
sündig geworden, daß er die Rolle Samuels im Hlg. Krieg usurpiert
habe (S. 128); oder zu 2,11-36, Dtr habe Eli als „appeaser" seiner
Söhne für schuldig angesehen, und damit die Strafe 22.1 1-36 motiviert
(ein ausdrücklicher Bezug findet sich erst IReg2,26+27; Noth
spricht da von leichter dtr Überarbeitung). Für Dtr mag das wohl
stimmen, aber für lSam redet es an der Sache vorbei. Mit dieser Einflächigkcit
können auch die mancherlei psychologisierenden und harmonisierenden
Züge zusammengehören, wie z. B.: Nicht das Verlangen
nach einem König, sondern das Sein-wollen wie die anderen Völker
mißfiel Samuel (S. 75); wollte der Priester ein Losorakel manipulieren
(S. 72 zu 14:19); warum verschonte Saul Agag? Kap. 15 sagt
nichts dazu. 18,22 hofft Saul, daß David fallen könnte (S. 188); das ist
nicht biblischer Text. Zu 28,25, Saul hörte nicht auf die Stimme Gottes
, aber auf die Stimme des Weibes; das redet am Text vorbei. Vf.
betont richtig, daß Jahwe David den Sieg gibt (S. 182). Doch wird
dann, angefangen bei der Überlegenheit von Davids Geistausstattung
(S. 162), die menschliche Seite sehr, vielleicht zu stark betont (S. 182:
was durch einen Gläubigen zustande gebracht werden kann; S. 216:
sein einziger Fehler; S. 241 im Blick auf2Sam21: die andere Seite
von Davids Charakter; S. 264 zu 27,9: Davids Politik, keine Gefangenen
zu machen im Gegensatz zum Verhalten Sauls gegen Agag; und
der Panegyricus am Schluß). Es scheint eine wichtige Frage, wie weit
man die „Aufstiegsgeschichte ohne 2Sam 9-20 richtig beurteilen
kann", wo das „Aber Gott" über allem Menschlichen, allzu Menschlichem
steht. Natürlich ist es ein unaufgebbarcs Recht eines Auslegers
, Akzente zu setzen und Urteile abzugeben; doch sollte man die
Kategorie "Ironnically" (S. 165.167.233.271 u. ö.) mit Vorsicht anwenden
.

Ich stimme dem vorgesetzten Ziel zu; ich würdige die geleistete
Arbeit; ich erkenne dankbar die Förderung, die auch ich von ihr hatte.
Aber ich kann nicht ohne Vorbehalt bejahen, daß das gesteckte Ziel
erreicht ist. Das Problem bleibt, gerade bei den Sam-büchern. ob die
Beschränkung auf eine nicht unumstrittene dtr Endgcstalt berechtigt
ist. zumal wenn man die Schrift als göttliche Offenbarung anerkennt.
Mit dem Schritt zum Königtum mußte man sich einmal im Glauben
auseinandersetzen und tat das, wie die Überlieferungen zeigen, ernsthaft
in verschiedener Weise. Für die dtr Bearbeitung lag die Zeit so
fern, daß das keine lebendigen, sondern theologische akademische
Fragen waren. Braucht aber nicht gerade unsere Gegenwart in ihrer
Umbruchsituation heute mehr als je die ganze Botschaft und keine
blutlosen Theologumena?

liascl Hans.Joachim Stoebc

Perdue. Leo Ci.. u. Brian W. Kovacs [Eds.]: A Prophet to the Nation».

Essays in Jeremiah Studies. Winona Lake. Indiana: Eisenbrauns
1984. XV, 399 S. gr. » Lw. $ 25.-.

Dem anhaltenden lebhaften Interesse an der Jcremia-Forschung
kommt die vorliegende Sammlung von Abhandlungen zur Komposition
und Theologie des Jeremia-Buchcs sowie zur Biographie des Propheten
in willkommener Weise entgegen. Leo G. Perdue hat unter