Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1985

Spalte:

274-275

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rost, Leonhard

Titel/Untertitel:

The Succession to the Throne of David 1985

Rezensent:

Wallis, Gerhard

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

273

Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 4

274

Die vom israelitischen König Omri begründete Dynastie nimmt in
mehrfacher Hinsicht eine besondere Stellung ein: Sie war nicht nur
die erste, wenn auch noch so kurzlebige Dynastie im Nordreich Israel,
sondern ihre Könige gehörten auch zu den geschichtlich bedeutendsten
Gestalten auf dem israelitischen Königsthron. Omri, der Gründer
der Dynastie, war nicht durch einen Propheten im Namen Jahwes
zum König designiert worden, war vielleicht sogar fremder Herkunft,
dennoch errang Israel gerade unter seiner Dynastie große Erfolge auf
Politischem und wirtschaftlichem Gebiet, während es andererseits in
dieser Zeit erstmals mit den Assyrern zusammenstieß. So erscheint es
gut begründet und nützlich, wenn S. Timm mit der vorliegenden
Arbeit den Versuch unternimmt, durch eine spezielle Untersuchung
aller mit der Omri-Dynastie verbundenen alttestamentlichen und
außerbiblischen Überlieferungen sowie archäologischen Funde und
Ergebnisse zu einer noch besseren Kenntnis der Geschichte Israels im
9. Jh. v. Chr. beizutragen.

Die Publikation, die die überarbeitete Fassung einer 1978 vom
Fachbereich Ev. Theologie der Ebcrhard-Karls-Universität Tübingen
angenommenen Dissertation darstellt, ist in 4 Teile gegliedert: 1. „Die
schematischen Angaben zu den Königen aus dem Hause Omri in den
Königsbüchern" (S. 13-52). 2. „Die Erzählungen zu den Königen aus
dem Hause Omri in den Königsbüchern" (S. 53-156), 3. „Außerbiblische
Nachrichten zum Reiche Israel unter der Dynastie Omri"
(S. 157-245). 4. „Die Dynastie Omri in neueren Darstellungen der
Geschichte Israels" (S. 246-303). Das Buch wird von einem umfangreichen
Literaturverzeichnis, einem Bibelstellenregister sowie einem
Register der Orts- und Personennamen abgeschlossen. Ein zu der Dissertation
ursprünglich hinzugehöriger weiterer Teil über „Die territoriale
Ausdehnung des Staates Israel zur Zeit der Omridcn" wurde bereits
separat in ZDPV 96, 1980, S. 20-40 veröffentlicht.

Der Vf. bietet in der vorliegenden Monographie eine umfassende,
mit großer Sorgfalt gearbeitete Untersuchung aller mit dem Nordreich
Israel verbundenen Ereignisse unter den die Omri-Dynastie bildenden
Königen Omri. Ahab. Ahasja und Joram. Die einzelnen Überlieferungen
und Texte werden gründlich analysiert und umsichtig ausgewertet
: immer ist das Bemühen des Vf. erkennbar, sich nicht durch
gängige Auffassungen beeinflussen zu lassen und voreilige Schlußfolgerungen
zu vermeiden. Das wird insbesondere bei der Behandlung
der sich an das erzählerische Einzclstück 1 Kön 18,17-40 anschließenden
Frage nach dem Verständnis des auf dem Karmel verehrten
Gottes, bei den Überlegungen über die Stellung und Funktion von
Jesrcel neben Samaria. bei der Erörterung der Frage nach der Existenz
eines Jahwchciligtums in der Hauptstadt Samaria sowie bei den Ausführungen
über die Herkunft der Iscbcl deutlich. Der Vf. erkennt in
dieser ehrgeizigen Gattin des Königs Ahab eine sidonische Königstochter
, da er ihren Vater Etbaal unter Aufnahme der Überlieferung
von I Kön 16.31 als König von Sidon versteht. Ein Jahweheiligtum in
der Hauptstadt Samaria hält er für die Zeit der Dynastie Omri für sehr
wahrscheinlich, obwohl eindeutige Belege dafür fehlen; aber „Eine
antike Residenz, wie es Samaria . .. war, ist kaum ohne Heiligtum des
Nationalgottes vorstellbar" (S. I 56). Diese sich vor allem an Hos 8,5f.
anlehnende Schlußfolgerung könnte m. E. noch dahingehend präzisiert
werden, daß es sich bei diesem Jahwehciligtum um einen hekal
'= Tempel) gehandelt haben muß. da dieses Wort im AT - sofern es
für ein Heiligtum gebraucht wird - ausschließlich dem jeweiligen
Zentral- bzw. Reichsheiligtum vorbehalten ist.1

Für eine Wesensbestimmung des Baal Karmel hält der Vf. noch immer
die Analogie zu anderen Berggöttern wie Baal Hcrmon, Baal
Libanon oder Baal Zaphon bzw. einem .großen' Wettergott am naheliegendsten
und aussagefähigsten (S. 1000- Wie er hier allen neueren
Deutungen mangelnde Übersetzungskraft nachweist, so lenkt er auch
m der Frage nach dem Status und der Bedeutung von Jesrcel zu Recht
wieder in alte Bahnen zurück; unter Verweis auf Parallelen in Ägypten
, Mesopotamien sowie im syro-palästinensischen Raum wird angenommen
, daß sich das Nebeneinander von Jesrcel und Samaria als
Residenzen aus deren Funktion als Sommer- bzw. Winterresidenz erklärt
(S. 148). Für die Richtigkeit dieser These kann über die angeführten
Belege hinaus wohl auch noch die Auffindung eines analogen
zweiten Palastes für den jüdäischen König Jojakim in Bet-Kerem (vgl.
Jer22,13—19 in Verbindung mit Jcrö.l) zwischen Jerusalem und
Bethlehem2 zeugen.

Der Radius der Arbeit ist weit gespannt; so bezieht sie über die mit
der Omri-Dynastie gleichzeitigen außerbiblischen Inschriften und
Texte hinaus auch die lyrischer) Überlieferungen Mcnanders bei Josc-
phus, die einheimischen Texte aus Sidon und Tyrus zur Religion dieser
Städte in klassisch-phönizischer Zeit sowie eine Behandlung des
Problems der Namen und der Zahl der Könige von Damaskus während
der Omri-Dynastie in die Untersuchung ein. Instruktiv in wissenschaftsgeschichtlicher
Hinsicht, doch ohne direkte Verbindung
mit der Erarbeitung der Ergebnisse der Untersuchung ist schließlich
der Schlußteil des Buches, in dem ein Überblick über die Darstellung
der Omriden bei H. Ewald, F. Hitzig, J. Wellhausen. A. Sanda,
R. Kittel und A. Alt gegeben wird. In diesem Zusammenhang hätte
sich - vielleicht in Form eines Anhangs - auch ein kurzer Überblick
über die Ergebnisse der jüngsten, etwas anders angelegten und zumal
den Beitrag der Archäologie berücksichtigenden Paralleluntersuchung
über die Omri-Dynastie von J. M. Miller (The Omride
Dynasty in the Light of Recent Literary and Archaeological Research,
Phil. Diss. Emory University, 1964) empfohlen.

Die Arbeit bietet eine Fülle von Anregungen und neuen Einsichten,
die, übersichtlich dargeboten und gut begründet, weithin überzeugen.
Das gilt gerade auch für das Verständnis der von den Königen der
Omri-Dynastie auf religiösem Gebiet, aber auch im gesamten Bereich
der Innen- und Außenpolitik getroffenen Maßnahmen, tür die eine
negative Verzeichnung durch die dir Redaktion angenommen wird,
ebenso für die Rolle der Isebel im politischen und im religiösen Sektor
sowie für die historische Bedeutung des Elija. Das Buch stellt so einen
für die weitere Forschung wie für eine Gesamtdarstellung der Geschichte
Altisraels sehr förderlichen Beitrag dar. Druckfehler finden
sich kaum (jedoch S. 39.45.91); im Literaturverzeichnis sind nur
wenige einschlägige Titel nicht erfaßt.

Rostock Klaus-Dietrich Schunck

1 Vgl. dazu K.-D. Schunck. Zentralheiligtum. Grenzhciligtum und Reichs-
heiligtum in Israel. Numen 18. 1971. 132-140.

2 Vgl. dazu genauer Y. Aharoni, Excavations at Ramat Rahel. Seasons 1959
and 1960, Rom 1962.

Rost, Leonhard: The Suecession to the Throne of David. Transl. by
M. D. Rutter and D. M.Gunn. With an Introduction by E. Ball.
Sheffield: Almond Press 1982. L, 133 S. 8" = Historie Texts and
Interpreters in Biblical Scholarship, I. Kart. £ 6.95.

Leonhard Rosts 1926 als Habilitationsschrift gedruckte und in der
Sammlung „Das kleine geschichtliche Credo und andere Studien zum
Alten Testament", Heidelberg 1965, S. 119-255, noch einmal abgedruckte
Monographie in ihrer englischen Übersetzung im Detail erneut
zu besprechen, entbehrt im vorliegenden Rahmen der Notwendigkeit
, gehört sie doch seit Jahrzehnten zu dem literarisch-methodischen
und historiographischen Standard der alttestamentlichen
Wissenschaft (Bespr. ThLZ 53, 1929 Sp. 99f von Curt Kühl). So ist es
bemerkenswert, daß J. W. Rogerson (Sheffield) in Zusammenarbeit
mit C. K. Barrett (Durham) und R. Smend (Göttingen) diese Arbeit
als ersten Band in die neu erscheinende Reihe "Historie Texts and
Interpreters in Biblical Scholarship" (in der Übersetzung von
M. D. Rutterund D. M. Gunn)aufgenommen haben.

Um so eher besteht Anlaß, die neu beginnende Reihe zu würdigen.
Sic hat nach dem Willen der Herausgeber das Ziel, die Forschungsergebnisse
der Vergangenheit, die Standardqualität erreicht haben,
der jungen, nachwachsenden, cnglischsprechenden Gelehrtengcncra-
tion noch einmal vor Augen zu führen und einer kritischen Überprü-