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Ausgabe:

1985

Spalte:

272-274

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Timm, Stefan

Titel/Untertitel:

Die Dynastie Omri 1985

Rezensent:

Schunck, Klaus-Dietrich

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271

Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 4

272

Altes Testament

Cazelles, Henri: Alttestamentliche Christologie. Zur Geschichte der
Messiasidee. Übertragen von M. U. v. Balthasar u. C. Capol. Einsiedeln
: Johannes Verlag 1983. 198 S. gr. 8° = Theologia Romanica,
XIII. Kart. DM 34,-.

Als 1981 einer Festschrift anläßlich der 25jährigen Zugehörigkeit
von H. Cazelles zum Lehrkörper des Institut Catholique in Paris der
Titel «De la Törah au Messie» gegeben wurde, haben die Herausgeber
dabei gewiß auch das 3 Jahre zuvor erschienene Buch von H. Cazelles
«Le Messie de la Bible» vor Augen gehabt. Um eine Übertragung dieses
Buches ins Deutsche, von Hans Urs von Balthasar und Cornelia
Capol besorgt, handelt es sich bei der vorliegenden Publikation, wobei
der Untertitel der Originalausgabe nun zum Haupttitel erhoben
wurde.

Der Titel „Alttestamentliche Christologie" erscheint auf den ersten
Blick provokatorisch. Der Vf. erläutert ihn jedoch sogleich in der Einleitung
, indem er darauf hinweist, daß das aus dem Griechischen abgeleitete
Wort Christus dieselbe Bedeutung hat wie das aus dem Hebräischen
hergeleitete Wort Messias, nämlich .Gesalbter', und er deshalb
unter einer Christologie des AT nichts anderes als eine Darstellung
der Aussagen des AT über den Messias verstehen will.

Diese Ausführungen über den alttestamentlichen Messias werden
dann freilich in einen weiteren Rahmen eingestellt und in diesem gewertet
. So beschäftigt sich ein Kap. allgemein mit dem altorientalischen
Königtum, seiner Ideologie und seinen Riten, wobei vor allem
Ägypten und Mesopotamien, aber auch der hethitische Kulturbereich
sowie Ugarit zur Sprache kommen. Andererseits läuft die
Arbeit, die schon in der Einleitung auf die Bedeutung des Messianis-
mus zur Zeit des NT hinweist, in ihrem letzten Kap. über deutero-
kanonische und apokalyptische Schriften sowie die Texte von Qum-'
ran in einen Blick auf das NT und den Messias Jesus aus. Dem Vf.
gelingt es auf diese Weise, in gedrängter Form einen guten Überblick
über die Entwicklung der Messiasidee, angefangen bei der mythologischen
Gottmenschlichkeit ägyptischer Könige, zu vermitteln.

Das Buch ist nach der „Einleitung" in 9 Kapitel gegliedert; auf sie
folgt nach einem die einzelnen Entwicklungsetappen noch einmal
kurz zusammenfassenden „Schluß" noch ein „Exkurs", der sehr übersichtlich
über die verschiedenen Definitionen des Messianismus, wie
sie seit etwa 100 Jahren vertreten wurden, informiert. Damit wird
zugleich eine bibliographische Übersicht zum Thema vermittelt, die
noch durch einen darauf folgenden Nachtrag neuerer Veröffentlichungen
ergänzt wird. Eine kurze chronologische Übersicht in Form
einer Tabelle schließt die Publikation ab.

Die chronologisch angelegte Arbeit geht von der Annahme aus, daß
der Ausdruck .Messias' Bezeichnung für ein Wesen ist, das in einem
religiösen Zusammenhang von einer Gemeinschaft als der künftige
Retter erwartet wird. Ihr Ziel ist es, auf diesem Hintergrund zu zeigen,
daßsich die Bibel ihr eigenes Messiasmodell geschaffen hat und dieses
durch alle Epochen der israelitisch-jüdischen Geschichte zu verfolgen
.

Die Arbeit setzt in einem 1. Kap. mit Ausführungen über „Das
Wort .Messias' und seine Verwendung in der hebräischen Bibel" ein.
Der Vf. zeigt hier, wie sieh das 38mal im AT begegnende Wort
.Messias' auf die einzelnen Schriften komplexe des AT verteilt, wobei
sich ergibt, daß „Die Texte, die uns den ursprünglichen Sinn des
Wortes wiedergeben,. . . sicherlich die der Samuelbücher, die von den
Anfängen der Monarchie handeln", sind (S. 18). Aus diesen aber wird
deutlich, daß .Messias' ein Königstitel ist. der den König in einen
unmittelbaren Bezug zur Gottheit setzt; der Messias ist eine Person,
die an der Heiligkeit Gottes teilhat.

Diese grundlegende Auffassung wird nach C. auch von den vorexili-
schen Propheten beibehalten; das Fehlen des Wortes .Messias' bei diesen
(das einzige Vorkommen in Hab 3,13 betrifft einen liturgischen
Text) erklärt er aus ihrer Verwerfung der monarchischen Institution

nach David. Doch: Warum wenden die Propheten den Titel auch
nicht auf David an? Und warum vertreten sie in Jes9,l-6: 1 1,1-5:
Mi 5,1-4a und Jer 23,5-6 eine messianische Lehre, die mit der davidischen
Dynastie verbunden wird, wenn diese doch verworfen wurde?
Der Vf. verbaut sich hier wohl doch dadurch den Weg, daß er nicht
mit einer eschatologischen Erwartung bei diesen Propheten rechnet.
Könnte aber nicht gerade in dem neuen eschatologischen Charakter
des erwarteten Davididen der Grund für die Vermeidung des Mcssias-
titels liegen? Erst das späte Judentum übertrug dann ja den Messiastitel
auf diese eschatologische Gestalt des AT.

Dieselbe Begrenzung der Messiasaussage auf die davidischc Dynastie
stellt der Vf. danach auch für die nachexilische Prophetic und die
Psalmen dieser Zeit fest, obwohl daneben jetzt eine Verlagerung des
Titels auf einen „aaronitischen Messias", also einen Priester aus dem
Geschlecht Aarons, erkennbar wird. Die Verbindung des Messiastitels
mit einem ausländischen König wie Kyros II. (Jes 45,1) wird dagegen
aus der besonderen Situation nach dem Sturz der Monarchie erklärt
.

Erst für die Zeit nach dem Exil nimmt C. ein Aufkommen der
eschatologischen Erwartung an. „Nun wandelt sieh die Prophetie in
Eschatologie. Die messianische Hoffnung wird zu einer unscharf um-
rissenen endzeitlichen Erwartung" (S. 188). Hier wird deutlich, daß
der Vf. die Eschatologie nur auf das Weltende bezieht und mit .Endzeit
' bzw. .den letzten Zeiten' gleichsetzt. Ob jedoch diese Beschränkung
der Eschatologie auf das Weltende, worin der Vf. durchaus zahlreiche
Vorgänger hat, richtig ist, ist eine bis heute nicht entschiedene
Frage der Definition. Auf jeden Fall ist er mit der Behauptung im
Recht, daß die Makkabäerzeit die eschatologische Erwartung bis zu
ihrem Siedepunkt steigerte; nach ihrem enttäuschenden Ausgang
nahm die Hoffnung auf den endzeitlichen Messias in verschiedenen
Gruppen phantastische Formen an.

Die Darstellung läuft in die Feststellung aus, daß der Untergang des
Tempels 70 n. Chr. dem priesterlichen Messianismus ein Ende setzte,
während der davidische eschatologische Messianismus einerseits von
den Pharisäern weitergeführt wurde und andererseits in Jesus von
Nazareth seine Erfüllung fand. Hier resümiert der Vf.: „Aber -.ein
Reich, das zwar in dieser Welt ist, ist nicht von dieser Welt" (S. 189).
Sprengt er damit aber nicht die von ihm zuvor angenommene Begrenzung
der Eschatologie? Hier wird doch vorausgesetzt, daß das Wirken
Jesu als eschatologischer Messias einer neuen und letztgültigen Heilsordnung
der Menschheit inmitten dieser Welt gilt. Sollte dieses weiter
greifende, von der Zeit unabhängige Eschatologievcrständnis aber erst
bei Jesus aufgetreten sein? Man möchte eher annehmen, daß er auf
eine ältere, schon von den Propheten entwickelte Auflassung zurück-
griff.

Das Buch bringt eine in sich geschlossene, kenntnisreiche Darstellung
, die ein anregender und nützlicher Beitrag zum Problem des alt-
testamentlichen Messianismus ist; infolge der engen Verflechtung mit
dem noch offenen Eschatologicproblem kann es freilich noch keine
endgültige Lösung bieten. In Einzelheiten wird man gelegentlich auch
anderer Meinung sein; so erseheint es fraglich, ob Jes 61,1 für die Salbung
eines Priesters in Anspruch genommen werden kann (S. 188)
und ob in Jes 9,6 für den davidischen König nur 4 Namen anzunehmen
sind (S. 86). Ferner vermißt man ein genaueres Eingehen auf
Sach 9,9-10.

Die Übersetzung ins Deutsehe ist durchweg sehr gut: nur .überbordet
' (S. 7) und .Wahrsprüchc' (S. 75) fallen als ungeläufige, wohl zu
enge Übersetzungen auf. S. 18 ist Hab 3,13 (statt Hag 3,13) zu lesen.

Rostock Klaus-Dietrich Schunck

Timm. Stefan: Die Dynastie Omri. Quellen und Untersuchungen zur
Geschichte Israels im 9. Jahrhundert v.Chr. Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1982. 359 S. gr. 8' = Forschungen zur Religion
und Literatur des Alten und Neuen Testaments. 124. Lw.
DM 76,-.