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Ausgabe:

1985

Spalte:

266-267

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Rechts- und Wirtschaftsurkunden : historisch-chronologische Texte, Staatsverträge 1985

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

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Theologische Litcraturzcitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 4

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herstammenden Bildnisse der ..nackten Frau" weitestgehend als solche
von Göttinnen zu verstehen sind, in anderen Fällen oft als Kult-
teilnehmcrinnen. Die ..syrische Göttin" hatte ihre Hauptfunktion in
der persönlichen Frömmigkeit. Freilich kann sie mit keiner der aus
der Literatur bekannten Göttinnen gleichgesetzt werden. Sie bildet
vielmehr eine göttliche Nebenfigur mit einem deutlichen Bezug zu
Erotik. Sexualität und Fruchtbarkeit.

Nach der Identifizierung der „syrischen Göttin" selbst führt W. in
Kap. 3 ihre Wirksamkeit vor. Sie habe einen kriegerischen Zug. sei
Mittlerin und Beschützerin des Fürsten, spende Fruchtbarkeit und
Leben, werde um Hilfe bei der Geburt angerufen und garantiere den
Fortbestand der Dynastie. In der Spezifikation waren nach Meinung
des Verfassers „alle existentiellen Bedürfnisse der altoricntalischen
Frau abgedeckt . . . Sicher im privatrcligiösen Bereich, vielleicht aber
auch im öffentlich-kultischen Bereich war für die Frau in der kanaa-
näischen Religion die Möglichkeit gegeben, ihre Bedürfnisse umfassend
zu befriedigen" (S. 199).

Schließlich wendet sich W. in einem vierten Kapitel den Verhältnissen
in Israel zu. Er erörtert die Belege für eine Paredra Jahwes mit
dem Ergebnis, daß keiner deutlich davon redet, auch nicht die aus Ele-
Phantine. Bis zu einem gewissen Ausmaß sei die Göttin zwar durch
die Personifizierung der Weisheit sowie durch feminine Eigenschaften
und Verhaltensweisen Jahwes integriert worden, dennoch aber die
religiöse Erfahrung der israelitischen Frau gegenüber der Verehrerin
der syrisch-kanaanäischen Göttin in geringerem Umfang weiblich
geprägt gewesen. Die strengen Jahweverchrcr hätten die Göttin aus
dem Kult verbannt und den kanaanäischen Glauben vor allem mit
frauenhaften Charakteristika dämonisiert.

W. spricht dann von einer Wiederkehr der verdrängten Göttin und
nennt dafür die Vorstellung vom Volk als Braut Jahwes, die er als
Anthropologisierung der Göttin und Mythisierung der Frau bezeichnet
, ferner geschichtliche oder literarische Frauengestaltcn im Alten
Testament, welche an die Göttin oder deren Eigenschaften erinnerten.
Die oben genannte Metapher und die herausragenden Frauen wären
dem Verlangen der Israelitin indes nur ungenügend entgegengekommen
. Im Hohenlied endlich seien Erotik und Sexualität desakralisiert.
obgleich an einzelnen Stellen das Wirken der Göttin durchscheine
(4.8:6.40.

Es ist eine nicht geringe Zahl an z. T. unangenehmen und deshalb auffälligen
Druckfehlern zu bemerken. Das Kapitel IV führt die Erörterung bis in die hellenistische
Zeit herab. Dort kann man aber - wie im Buchtitel geschehen - nicht
mehr vom ..alten Israel" reden. Die Ordnung im lübelstellenregister ist schwer
erklärlich. Sie richtet sich wohl nach der Vulgata. hat aber Ps vor Hi. Man
begegnet Ajjul neben Adschul und Sphinx ist einmal als Femininum, einmal als
Maskulinum gebraucht.

Man könnte an vielen Stellen mit W. ins Gespräch kommen, der
um seiner These willen öfter die Dinge generalisiert oder Überlegungen
beiseiteläßt, welche eine zu einseitige Schau in Zweifel ziehen.
Vor allem ist zu fragen, ob man wirklich von einer jahrhundertealten
und bis in die Gegenwart andauernden Diskriminierung der jüdisch-
christlichen Frau sprechen kann. Die Behauptung läßt sich in dieser
Verallgemeinerung nicht aufrechterhalten. Schon deshalb nicht, weil
der Begriff der Diskriminierung und die Idee der Befreiung der Frau
erst im Gefolge der Aufklärung während des vorigen Jahrhunderts
entstanden. Abcrauch sachlich erfaßt man mit ihnen die Verhältnisse
vergangener Zeiten kaum. Daß wir nicht in der Lage sind, neutral von
Gott zu reden, gesteht der Vf. gleichfalls ein (S. 674). Und wenn Jahwe
als Mann vorgestellt wurde, muß man sich angesichts dessen klar
darüber sein, daß es in der kanaanäischen Religionswelt abgesehen
von dem Bezirk, welchem sich W. eigens zuwandte, keine kennzeichnend
männlichen und weiblichen Züge unter den göttlichen Wesen
Sab. Schwerer noch wiegt, daß der Denkansatz des Buches den im
Alten Testament gespiegelten Gegebenheiten nicht gerecht wird. W.
meint, das Gebiet der Sexualität sei nicht im Jahwcglaubcn einbezogen
gewesen, woraus ein entscheidender Mangel resultierte, denn die
Frauen seien in ihrem LebcnsgcTühl unbefriedigt geblieben. Dazu

hätte der Glaube an Jahwe Erotik und Sexualität im Bereich des
Sakralen ohne Kompensation eliminiert und sogar verächtlich
gemacht, so daß die israelitische Frau nur bei der syrischen Göttin Zuflucht
finden konnte.

Dieser schematischen Zeichnung ist zu widersprechen, denn es
wurden - wie auch W. richtig hervorhebt (S. 625) - im Israel der frühgeschichtlichen
und geschichtlichen Zeit, sogar darüber hinaus, mancherlei
vornehmlich der kanaanäischen Glaubenswelt zugehörige
Gottheiten verehrt. Die Forderung nach ausschließlicher Bindung an
Jahwe hatte ihre geschichtlichen Ursachen, wurde weder von Anfang
an noch universell erhoben und gelangte erst relativ spät zu weiterreichender
Geltung. Man darf auch nicht die Erzählungen in ihrem
Gewicht übersehen, in denen sich Frauen um Kindersegen an Jahwe
wenden oder dieser ihnen durch Jahwe verheißen bzw. geschenkt
wird. Der Raum verbietet es, auf Einzelheiten einzugehen. Es bleibt,
daß die Berichte über hervorragende Tüchtigkeit israelitisch-jüdischer
Frauen gegen die durchgehaltene Herabwürdigung sprechen
(siehe dazu die Eingeständnisse W.s S. 675 mit Fn. 1023).

Der Autor hat gründlich gearbeitet und die Belege eingehend und
nicht ohne Sachkenntnis diskutiert. Man fragt sich, ob er viele Leser
finden wird für ein Buch mit 677 Seiten Text und 3294 Fußnoten.

Am Ende äußert W., das Alte Testament habe „eine neue, eigenständige
Perspektive erschlossen" (S. 672). Wie Ct bestätigt, sei die
Geschlechtlichkeit eine rein menschliche Angelegenheit, weil „auch
JHWH seine Männlichkeit nicht beliebig, vor allem nicht in sexueller
Hinsicht entfalten konnte" (S. 673). Damit sei eine menschliche,
nichl-sexistische Gesellschaft noch nicht realisiert, im Alten I esta-
ment jedoch dafür eine wesentliche Voraussetzung angelegt. Und er
schließt seine Ausführungen mit den bemerkenswerten beiden Sätzen
(S. 677): „Heutige Männer tendieren immer noch stark zum Pol der
Dämonisierung einerseits, zur Frau als Verführerin. Vamp, Hexe
usw., und zum Pol der Verklärung andererseits, zur Frau als Jungfrau.
Lady und Madonna. Erst wenn die Männer die Folgen dieser Dämonisierung
bzw. androzentrischen Verklärung aufgebrochen haben, werden
sie - mit Frauen zusammen - an der Verwirklichung von Gal 3,28
arbeiten."

Leipzig Wolfram Hcrrmann

Kaiser. Otto [Hrsg.]: Texte aus der Umwelt des Alten Testaments.

Bd. 1. Lfg. 2: Rechts- und Wirtschaftsurkunden. Historisch-chronologische
Texte. R. Borger, M. Dietrich, E. Edcl.O. Loretz. O. Röss-
ler und E. von Schuler: Staatsverträge. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn 1983.

Zwischenstaatliche Verträge unterschiedlichen Inhalts aus Alt-
vorderasien sind in größerer Anzahl bekannt geworden. Von den etwa
vierzig in Betracht kommenden Texten und Fragmenten wird in
TUAT 1,2 eine Auswahl von acht Dokumenten geboten. Berücksichtigt
werden Texte, die historisch, sprachlich oder inhaltlich in näherer
Beziehung zur Welt des Alten Testaments und zu Palästina stehen
oder geeignet sind, durch einen besonders interessanten inhaltlichen
Aspekt den Einblick in den Anwendungsbereich der Gattung .Staatsverträge
' abzurunden.

Diesen Auswahlprinzipien gemäß bilden drei umfangreiche Texte
den Grundbestand der vorliegenden Sammlung: 1. Der Vertrag
zwischen Ramses II. und Hattuschili III. in akkadischer und hieroglyphischer
Fassung (E. Edel): 2. Die aramäischen Staatsvertragstexte
aus Sfire (O. Rössler); 3. Die 1958 veröffentlichten Vasallenverträge
Asarhaddons mit medischen Fürsten, die für die Interpretation altte-
stamcntlicher Bundesschlußformulare wichtig sind (R. Borger). Hinzu
treten aus Ugarit die akkadische Fassung des Vertrages zwischen
Suppiluliuma I. und Niqmaddu II. von Ugarit sowiedie Vereinbarung
zwischen Initcschub von Karkemisch und Ammistamru II. von Ugarit
über wechselseitige Zahlungsleistungen bei der Ermordung von
Untertanen im jeweiligen Staatsgebiet des Vertragspartners (E. von