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Ausgabe:

1985

Spalte:

236-238

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Gaede, Käte

Titel/Untertitel:

Russische Orthodoxe Kirche in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts 1985

Rezensent:

Gaede, Käte

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 3

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und pietistischc Gruppen angesichts der sich in der Diskussion der
Lima-Papiere abzeichnenden neuen Frontlinien verstärkte Beachtung
seitens der „alten Kirchen". Allerdings, dies muß - um Mißverständnissen
vorzubeugen - ausdrücklich hervorgehoben werden, beschränkt
sich das vorliegende Lexikon keinesfalls auf die „etablierte
Ökumene". Die „Gegenökumene" und der Antiökumenismus treten
durchaus in den Blick. (Ein Mangel im einzelnen ist, daß man über
Erzbischof M. Lefebvre und seine Bewegung nichts erfahrt. Sie
gehören unbedingt in das breite Spektrum neuer antiökumenisch
relevanter Persönlichkeiten und Gruppen.)

Für die Information über Persönlichkeiten allgemein gilt: „Grundsätzlich
sind von lebenden, im ökumenischen Raum beachtenswerten
Persönlichkeiten nur solche aufgenommen worden, deren Lebenswerk
im wesentlichen abgeschlossen vorliegt" (Vorwort). Mancher
Beitrag dürfte freilich in Zukunft kürzer sein und anders akzentuiert
werden, doch muß zunächst vom gegenwärtigen Erkenntnissland ausgegangen
und das Urteil der Geschichte abgewartet werden.

Das wachsende Engagement von Kirchen und Christen in aller
Welt angesichts der Fragen unserer Zeit schlägt sich, die ökumenische
Diskussion widerspiegelnd, in einer beachtlichen Zahl von Stichwörtern
nieder, die für theologische Nachschlagewerke relativ neu
sind (Abrüstung, Atomwaffen. Friedensdienst. Prager Christliche
Friedenskonferenz, Kriegsdienstverweigerung. Pazifismus usw.).
Auch das zunehmend in christlichen Kreisen diskutierte Thema
„Umwelt"(Sp. 1182-1186)findet Beachtung.

Neben sehr guten, recht ausführlichen, mit Karten ausgestatteten
Übersichten zur allgemeinen, religiösen, kirchlichen usw. Situation in
den einzelnen Erdteilen werden auch Kurzinformationen mit statistischen
Rahmendaten über die religiöse und kirchliche Lage in den
Ländern der Erde gegeben. Über den vielfach festzustellenden
Annäherungswert der genannten Zahlen ist sich freilich auch der
Autor (K. Schmidt) im klaren. Der Orientierungswert der Zahlenangabe
bleibt unbestritten. Überraschend ist, daß man in diesem für
den deutschen Sprachraum bestimmten Lexikon unter den Länder-
kurzinformationen sowohl die BRD als auch die DDR ausgelassen
hat. Wer sich über die religiöse und kirchliche Situation in der DDR
annähernd informieren möchte, muß unter verschiedenen Stichwörtern
nachschlagen, erfahrt dabei meist aber nur sehr Allgemeines.
Als Beispiel sei auf die 5 Zeilen umfassende Erwähnung der Reformierten
in der DDR (Reformierte Kirchen. Sp. 1022) verwiesen. Der
„Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der DDR (AGCK)" ist
ein kurzer Beitrag (Sp. 82) gewidmet, der allerdings nicht ganz auf
dem neuesten Stand ist. (Das Apostclamt Jesu Christi fehlt unter den
Gemeinschaften mit Beobachterstatus). Wahrscheinlich wäre es dem
ökumenischen Sachanliegen des Werkes dienlich gewesen, stärker
auswärtige Fachleute mit heranzuziehen. Aus der DDR ist neben
U. Kühn (Leipzig/Wien) M. Scns mit dem umfangreichen und gediegenen
Beitrag „Ökumenischer Rat der Kirchen (ORK)" (Sp. 890 bis
901 (vertreten.

Bei einem Werk wie dem vorliegenden bleiben naturgemäß im
einzelnen Wünsche offen, lassen sich aus der jeweiligen Position wie
aus der unterschiedlichen Einschätzung der Sachlage Stichwörter
nennen, die nicht berücksichtigt wurden, lassen sich andere namhaft
machen, welche verzichtbar erscheinen, gibt es Unterschiede in der
Qualität der einzelnen Beiträge, lassen sich Umfang und Treffsicherheit
der Literaturhinweise von Fall zu Fall kritisch diskutieren,
kommt es gelegentlich zu einer gewissen Häufung von Druckfehlern
(Sp. 1156 z. B.). Sich hier in Details zu verlieren, kann nicht Sinn
dieser Rezension sein, würde vor allem aber der hervorragenden
Gesamtleistung der Herausgeber und der insgesamt beachtlichen
Qualität des Ökumene-Lexikons nicht gerecht. Der hohe Gebrauchswert
dieses Standardwerks reicht weit über den eines Nachschlagewerks
für theologische Fachwissenschaftler, kirchliehe Mitarbeiter
und Theologiestudenten hinaus. Es kann in einer Zeit, in der
Ökumene wieder nüchterner, vielleicht auch distanzierter gesehen
wird als noch vor Jahren, einen guten Dienst zur Versachlichung des

nach wie vor unverzichtbaren Dialogs zwischen Christen unterschiedlicher
Prägung leisten und den begonnenen Dialog mit den Religionen
und neuen religiösen Bewegungen, mit den Vertretern aller Weltanschauungen
sachgerecht fördern.

Halle (Saale) Helmut Obst

Referate über theologische
Dissertationen in Maschinenschrift

Gaede, Kätc: Russische Orthodoxe Kirche in Deutschland in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dissertation B. Berlin/DDR
1984,360 S.

Ökumenisch Interessierten und aktiv Tätigen sind die heute in der
DDR vorhandenen Kirchen bekannt, in denen sich Geistliche der
Russischen Orthodoxen Kirche mit Gcmeindcgliedern meist zu regelmäßigen
Gottesdiensten zusammenfinden. Die vorliegende Dissertation
zeigt die Gründungsgeschichte nicht nur dieser, sondern aller
bislang auf dem Territorium der heutigen DDR und BRD vorhandenen
russischen orthodoxen Kirchen und Kapellen auf und stellt
darüber hinaus das gemeindliche Leben sowie die Existenzbedingungen
in unserem Jahrhundert bis zum Ende des zweiten Weltkrieges
dar.

Erste Gemeinden beziehungsweise Gottesdienststätten der
Russischen Orthodoxen Kirche hat es in Deutschland vor mehr als
250 Jahren gegeben. Die unterschiedlichen Anlässe für ihre Errichtung
haben in den üblich gewordenen Benennungen ihren Niederschlag
gefunden: Es entstanden Hof-. Grabes-, Botschafts- und Kurkirchen
sowie -kapellcn, hervorgerufen durch familiäre Bindungen
zwischen den Herrscherhäusern oder auf Grund von diplomatischen
Beziehungen. Bisherige, hauptsächlich der Gründungs- und Bauge-
schichtc gewidmete Darstellungen ergänzend, nennt Vfn. im ersten
Abschnitt der Arbeit auch nur kurzzeitig existierende Gottesdienststätten
und zeichnet die Wirksamkeit einzelner, meist längerzeitig in
Deutschland aufhältlicher Priester auf. Sic haben durch rege gemeindliche
und vor allem publizistische Tätigkeit in der Diaspora auch
interessierten Nichtorthodoxen das Verstehen der orthodoxen
Glaubenswelt eröffnet und Theologen in der Heimat zur Beschäftigung
mit den .westlichen' christlichen Konfessionen angeregt. Die
Bedeutung des am meisten bekannten Berliner Botschaftsgeistlichen
Propst Maltzew erfährt eine neue Akzentuierung. Denn die von ihm
initiierte Bruderschaft, .Bratstvo'. wird nicht nur mit ihren Aktivitäten
hinsichtlich des Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts zunehmenden
Baus von Kurkirchen erwähnt, sondern ihre Beziehung zu
analogen Entwicklungen der russischen Kirche hergestellt, die sich
sozialen und charitativen Aufgaben sowie der geistlichen Betreuung
der Gläubigen widmeten. Vfn. weist nach, daß zu Beginn des ersten
Weltkrieges zunächst das fast zweihundertjährige Bestehen russischorthodoxer
Gemeinden in Deutschland endet. Kontinuität und
Diskontinuität der nach 1918 sich neu konstituierenden Gemeinden
gegenüber jenen .Anfängen' kommen im zweiten und dritten Abschnitt
der Arbeit zur Sprache. Dabei besteht das Hauptanliegen
darin, Leben und Aktivitäten von diesem Zeitpunkt an bis 1945 darzustellen
. Die Arbeit basiert im wesentlichen auf bislang unveröffentlichtem
Material aus staatlichen, städtischen. Gemeinde- und Privatarchiven
der DDR. BRD sowie Westberlins und der Schwei/, außerdem
auf zum Teil nur noch schwer auffindbaren gedruckten Quellen.
Eine entsprechende Übersicht im Anhang läßt deutlich werden,
welches Material darüber hinaus nicht zugänglich beziehungsweise
durch Kriegseinwirkungen verlorengegangen ist.

Im zweiten Abschnitt werden die Voraussetzungen für die Konstituierung
neuer Gemeinden nach dem ersten Weltkrieg dargestellt, die
komplizierten Existenzbedingungen der Emigranten aufgezeigt und
daraus resultierende inncrkirchliche Konflikte und deren kirchen-