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Ausgabe:

1985

Spalte:

231-233

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Schilson, Arno

Titel/Untertitel:

Theologie als Sakramententheologie 1985

Rezensent:

Wiggermann, Karl-Friedrich

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Theologische Literalurzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 3

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Diese Frage, wie sich Kommunikation und Wort Gottes verhalten,
wäre also noch liefergehend in einer soziologisch informierten
Hermeneutik zu klären. Immerhin ist hier schon Wesentliches für
eine sprachanalytisch informierte Homiletik geleistet, die das institutionelle
Umfeld von Kirche und Gottesdienst mit in Blick nimmt,
ohne den handlungstheoretischen Spielraum damit zu blockieren.

Der folgende Großteil des Buches (98-350) bringt die Einzel-
analysc, leider in einer für nicht sozialwissenschaftlich Kundige in
einer wenig lesbaren Form. Die Unterscheidung zwischen einem persönlich
-dialogischen und einem dogmatisch-bezeugenden Predigttyp
scheint mir am wichtigsten zu sein. Hier zeigt sich eine Differenzierung
, die Möglichkeiten der Polarisierung bietet, die uns wenig weiterbringen
würde.

Ein Schlußabschnilt bietet eine „erste Sichtung". Eine Befragung
der Untersuchungsergebnisse von der konkreten Homiletik her, was ja
wohl zu wünschen wäre, wird hier bewußt nicht - ich hoffe: noch
nicht - geboten. Es erfolgt zuerst nur eine Rechtfertigung des hand-
lungsthcorctischen Modells und des sprechakttheoretischen Ansatzes
im Rückblick. Hier kommt es zu der wichtigen Frage, ob der Inhaltsaspekt
genügend zur Geltung genommen sei. Eine dabei getroffene
Feststellung alarmiert mich: „Prediger sagen nichts grundsätzlich
Neues und Hörer erwarten nichts grundsätzlich Neues, sie wissen sich
beide im institutionell gesicherten Traditionszusammenhang des
christlichen Glaubens. Das gilt tendenziell lür Hörer in unterschiedlicher
Weise, eine grundsätzliche Bestreitung des Sachverhalts kommt
jedoch so gut wie nicht vor" (355). Schlimm, wenn das seine Richtigkeit
hat. Unsere Homiletik, einschließlich der Liturgie, müßte dann
einiges unternehmen. Ich möchte annehmen, daß in der Tat Anlaß
besteht, diesen Fragen weiter nachzugehen, weswegen diese Untersuchung
, trotz ihrer Begrenztheit auf Niedersachsen und ihres zeitgeschichtlichen
Abstandes von 10 Jahren, wegen ihrer Gründlichkeit
Interesse finden sollte, gerade auch in den angehenden homiletischen
Perspektiven (355-369). Dort wird t. angefragt, ob Predigt als Einzelrede
durch Gespräche im Gottesdienst ersetzt werden sollte, es gibt
ja schon Erfahrungen dafür. Ebenso ist 2. die Anfrage nach dem Verhältnis
von Stabilisierung und Veränderung am Platze. Daß 3. die
Kommunikation derzeit im wesentlichen gelingt, ist ein erfreuliches
Ergebnis, wobei mit Recht auch die Soziallage, nicht nur die theologische
Einstellung als Faktor geltend gemacht wird. Drei Aspekte, die
am Schluß herausgestellt werden: Textbezug. Predigttypus und
Lebensnähe verdienen in der Tat weitere Aufmerksamkeit in dem
Sinn, daß, wie es die Untersuchung auch will, kein Rezept gegeben
wird, aber der Handlungsspielraum besser bewußt gemacht wird. Der
dritte Band sollte entschlossen diese Aufgaben in Angriff nehmen und
dabei das öfters erwähnte Stichwort „christliche Symbole" einer
detaillierten Reflexion unterziehen.

Bonn Henning Schröcr

Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft

Schilson, Arno: Theologie als Sakramententheologie. Die Mystcrien-
thcologie Odo Casels. Mainz: Grünewald 1982. 354 S. 8" =
Tübinger theologische Studien, 18. Kart. DM 48,-.

Daß und wie Odo Casel in die theologische Diskussion zurückkehrt
, zeigen neben dem o. a. Buch der Artikel „Casel. Odo" von
P. Burkhard Neunhäuser OSB (TRE. Bd. 9, S. 643-647) und der
Nachdruck der von Odo Casel geleiteten Zeitschrift „Jahrbuch für
Liturgiewissenschaft" (15 Bände. 1921-1941); Für diesen Nachdruck
ist ein Registerband erstellt worden, der nicht nur für Liturgiewissen-
schaftler. sondern auch im weiteren Sinne für Theologen und Philologen
hilfreich ist.

P. Odo Casel (1886-1948), Benediktiner aus Maria Laach, hat seine
Theologie nie gelehrt, er hat sie gelebt. Er war ein Meister der kleinen

Form - auch als Rezensent. Seine Mysterientheologie entfaltete er
nicht auf dem Katheder, sondern in zahlreichen schriftlichen Voten
und - in der Liturgie selbst. Er war der große Einsame in der katholischen
Theologie der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, aber er war
getragen von den Mitbrüdern in Maria Laach und dann in seiner
fruchtbaren Schafiensperiode von den Benediktinerinnen im Kloster
Herstelle an der Weser. Dort war sein Ort praktizierter Theologie - im
Wirken des Priesters und Spirituals; dort war für Odo Casel die
höchstmögliche Kongruenz von Denk- und Lebensform. Konsequent
und doch nicht verbissen, verdächtigt und immer neu ansetzend ging
er seinen Weg.

Sein Wirken begann in den 20er Jahren - in einer Zeit theologischen
Aufbruchs in der katholischen und evangelischen Kirche. Odo
Casel entfaltete seine Theologie für seine Zeitgenossen als neu entdeckten
liturgischen Grund.

Diesem Denk- und Lebensweg folgt der Dogmatiker Arno Schilson
in seiner hier anzuzeigenden Tübinger Habilitationsschrift; inzwischen
ist der Vf. Professor für Dogmatik in Mainz. Seine große
Arbeit ist liturgiewissenschaftlich höchst bedeutsam.

Schilson führt den Leser nicht in eine enge Systematik, sondern in
liturgische Erfahrungshorizonte. Nach einem Einleitungskapitel
(S. 19-42) folgt das 2. Kapitel: „Zum Sclbstverständnis der Mystc-
ricntheologic (Hcrmcneutische Anweisungen)" (S. 43-131); das
3. Kapitel ist zwar das bei weitem kürzeste, aber für den Liturgiewissenschaftler
die „lebendige Mitte": „Das Zentrum: Sakramentale
Begründung des christlichen Lebens" (S. 132-147); danach entwik-
kelt der Vf. die dogmatische Ortsbestimmung: „Die Ausgestaltung:
Theologie als Sakramententheologie" (S. 148-313); das 5. Kapitel
bietet als „Rückblick und Ausblick" (S. 314-322) gleichermaßen eine
zusammenfassende Würdigung und Kritik" und „weiterfuhrende Perspektiven
und Aufgaben".

Zunächst begründet der Vf. seinen Ansatz: „Für Casel ist die Sakramententheologie
nicht ein theologischer Traktat neben anderen, sondern
jenes Zentrum des theologischen Nachdenkens, in dem alle
Themen der Theologie wie in einem Brennpunkt zusammengefaßt
sind. Im Sakrament als symbolischer Handlung der Kirche treffen sich
Gott und Mensch, Christus und Kirche, Geist bzw. Pneuma und Welt.
Natur und Gnade. Ursprung und Ziel von Schöpfung und Geschichte.
Nirgends sonst im christlichen Glaubenslcben sind die verschiedenen
Inhalte des theologischen Denkens so deutlich in ihrem wechselseitigen
unlöslichen Zusammenhang zu erkennen und zu beschreiben
wie im praktisch-symbolischen Vollzug der Sakramente und deren
theoretisch-explikativer Beschreibung" (S. 23).

Der Vf. zitiert am Schluß des 2. Kapitels zweimal einen die
„Lebenstheologie" kennzeichnenden Satz Casels: „Christus hat die
Sakramente nicht eingesetzt, damit der Mensch ein neues Objekt
dialektischer Spekulation habe, sondern damit er aus ihnen lebe"
(S. 123 und S. 131). Casel ist Theologe und Historiker zugleich; er
sieht Welt und Umwelt des Urchristentums und der Alten Kirche
nicht als Schale an, deren Kern es freizulegen gilt, sondern bei ihm
„gewinnt die Antike normative Geltung lür alle weiteren Gestaltungen
des Christentums" (S. 106). Gegen eine Ethisierung des
Christentums bei Harnack betont Casel: Theologie und kirchliche
Praxis war, ist und bleibt an den Kult verwiesen; es handelt sich „um
eine wechselseitige Begegnung und Verschmelzung von Antike und
Christentum, die dem Christentum nichts nimmt, das Denken der
Antike jedoch einzigartig aufwertet" (S. I 1 7). Christus ist lebendig im
lebendigen Vollzug der Liturgie: das Kultmysterium ist die adäquate
Form christlichen Denkens und Handelns.

Schilson spricht von „radikaler Christozentrik" (S. 140). Sie
bestimmt das Handeln am Altar als Mysterium, als heilige Schau. So
kommt Glaube nicht nur aus dem Hören, sondern auch aus dem
Schauen, ja, dem letzteren wird größeres Gewicht zugemessen. Das
Wort der Verkündigung ist „Bestandteil der Liturgie" (S. 224). es ist
„selbst .Sakrament"" (S. 255).

In immer neuen Ansätzen und in klarer Gcdankenführung gehl