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Ausgabe:

1985

Spalte:

228-229

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Funke, Dieter

Titel/Untertitel:

Verkuendigung zwischen Tradition und Interaktion 1985

Rezensent:

Stollberg, Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 3

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durch den HandlungsbegriiT gestellte Problematik bezogen sind und
daß dabei die theologische Ethik der philosophischen den HandlungsbegriiT
streitig machen muß" (S. 9). Dieser HandlungsbegrifT wird auf
seine moralische und seine ethische Dimension hin untersucht: bei
ersterer liegt der Handlungsgrund in der Handlung, die um ihrer selbst
willen vollzogen wird, bei letzterer liegt der eigentliche Grund des
Handelns in der Identität des Handelnden. Aus dieser Unterscheidung
gewinnt der Vf. eine ganze Reihe von Forderungen für eine sachgemäße
theologische Ethik. Sie ist „dem Modus ihrer Verbindlichkeit
nach weder Norm- noch Wert- noch Pflicht- noch Gebotsethik,
sondern Paränese" (S. 47), denn Paräncse ist „das ethische Gegenstück
zum kategorischen Imperativ als der Sprachform der Moral".
Ihr Proprium ist Christus als Grund der christlichen Identität, und es
geht in ihr um die ethischen Implikationen des christlichen Glaubens.
Sie beantwortet die Frage nach dem „leben können" und dem „tun
sollen" nicht mit dem Aufstellen von Normen, sondern verweist auf
„das aktuelle Verstehen des im Selbst-Wissen Gewußten bzw. des im
Glauben Geglaubten im Hinblick auf gegebene Handlungsalternativen
" (S. 60).

Die Studie erhält ihr Profil durch den Widerspruch gegen das
Programm einer „ethischen Theologie" und die Konzeption des
„Handbuchs christlicher Ethik", denen der Vf. vorwirft, daß sie unter
dem Zwang der Universalisierbarkeit die ethischen Aussagen auf die
Ebene des moralischen Handelns fixieren und dabei die Relevanz der
Identität für die ethische Dimension des Handelns verfehlen. Freilich
kommt der Vf. durch seine Tendenz, ethische und theologische
Dimension miteinander zu identifizieren (S. 21, 30ff), wieder in die
Nähe der von ihm bekämpften Position.

Leipzig Joachim Wiebering

Praktische Theologie: Allgemeines

Lies, Lothar: Ignatius von Loyola. Theologie - Struktur - Dynamik
der Exerzitien. Innsbruck: Tyrolia 1983. I42S. 8'. Kart. ÖS
178.-.

Der Autor des vorliegenden Buches ist Jesuit, seit 1983 Ordentlicher
Professor für Ökumenische Theologie und Dogmatik an der
Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Innsbruck. Die
Kapitel dieses Buches waren ursprünglich selbständige Vorträge, die
auf Tagungen für Exerzitienleiter und auf Ordenstagungen gehalten
wurden. Am Schluß des Anmerkungsteiles finden sich nähere Angaben
über die Erstveröffentlichung der einzelnen Teile (S. 142).

Einen knappen, aber überaus präzisen Überblick über die Eigenart
des Exerzitienbuches des hl. Ignatius von Loyola, über dessen Theologie
, Struktur und Dynamik (vgl. den Untertitel!) bietet das (hier erstmals
veröffentlichte) erste Kapitel. Daß dieses Buch zu geistlichen
Übungen führen will, wird ebenso eindringlich unterstrichen wie der
Umstand, daß es in diesem Prozeß um eine Chrislusbegegnung, verbunden
mit einer Entscheidung im Ordnen des eigenen Lebens geht.

Die weiteren Kapitel greifen einzelne Themen auf, die im Exerzitienbuch
anklingen. Dabei wird nicht ein Kommentar oder eine Textinterpretation
im engeren Sinn gegeben. Wohl aber bildet ein Abschnitt
der „Geistlichen Übungen" den Impuls lür die folgende theologische
Reflexion. So stellt sich das 2. Kapitel als „Gnadentheologischer
Durchblick" vor. Lies versucht dabei, das Exerzitiengeschc-
hen auf dem Hintergrund einer einheitlichen Gnadenkonzeption zu
sehen; zugleich war es ihm ein Anliegen, von Ignatius her auch der
Gnadentheologie neue Impulse zu geben. Von der gelebten Gnadenerfahrung
der Exerzitien könnte eine integrierende Kraft ausgehen.

Das dritte Kapitel versteht sich als „anthropologischer Durchblick
". Die beiden Teile dieses Kapitels gehen auf ursprünglich zwei
selbständige Referate zurück. Im ersten Abschnitt greift der Autor die
Frage nach dem Finden des Willens Gottes auf, ein zentrales Thema

der Exerzitien. Dieses Problem sieht er im Horizont der Suche des
Menschen nach dem Sinn seines Daseins. Der zweite Abschnitt ist
eine Konkretisierung dieser Suche nach dem Weg, den Gott weist, in
einem besonderen Bereich des menschlichen Lebens, nämlich des
Verhältnisses zum Besitz. Lies hat diese Überlegungen im besonderen
auf die Situation der Ordensleute zugeschnitten, die sich durch ein
Gelübde zur Armut verpflichtet haben.

Mit der grundsätzlichen Frage nach der religiösen Erfahrung in den
Exerzitien, nach dem Verhältnis von Dogma und Religiosität beschäftigt
sich das vierte Kapitel, das der Autor als Christologischen Durchblick
versteht. Auf dem Hintergrund der dogmatischen Aussagen der
altkirchlichen Konzilien erarbeitet Lies Kennzeichen authentischer
Christuserfahrung.

Das fünfte und sechste Kapitel sind als „Eucharistischer Durchblick
" bzw. als „Spiritueller Durchblick" deklariert. Die Untersuchungen
von Lies über Eulogia als Sinngestalt der Eucharistie
kommen in diesen beiden Abschnitten als Strukturelemenle zum Tragen
. Die Abendmahlsbetrachtung des Exerzitienbuches wird anhand
des Eulogiemodells entfaltet. Ahnlich wird im Spirituellen Durchblick
des letzten Kapitels die das Exerzitienbuch abschließende
„Betrachtung zur Erlangung der Liebe" mit Hilfe der eucharistischer)
Eulogie entfaltet.

Die vorliegenden Untersuchungen von Lothar Lies zeigen die vielfältigen
Impulse auf, die aus der Spiritualität des Exerzitienbuches in
mannigfache Bereiche der Theologie und des religiösen Lebens ausgehen
können. Der Titel des Buches läßt - leider-erwarten, daß hier
ein geschlossener theologische.' Kommentar zum Exerzitienbuch
geboten wird. Diese Hoffnung wird nicht erfüllt. Aber das Gebotene
ist lesenswert: verschiedene Durchblicke theologischer Natur, die
vom Urimpuls des hl. Ignatius ihre Lebendigkeit beziehen.

Wien Josef Weismayer

Funke, Dieter: Verkündigung zwischen Tradition und Interaktion.

Praktisch-theologische Studien zur Themenzentrierten Interaktion
(TZ1) nach Ruth C. Cohn. Mit einem Vorwort von H. Steinkamp.
Frankfurt/M.-Bern-New York-Nancy: Lang 1984. XVIII. 531 S.
8' = Erfahrung und Theologie. Schriften zur praktischen Theologie.
8.sfr84.-.

Das Vorwort - von Hermann Sleinkamp, dem Betreuer dieser
Münsteraner Dissertation - liefert die Rezension gleich mit, auch
wenn die Schwächen dieser Veröffentlichung wohlwollend ins Positive
gewendet werden. Es spricht von ..wissenschaftstheoretischer
Sclbstrcllcxion". „Selbst eines der wichtigsten Ergebnisse der Arbeit"
sei die Erkenntnis, „daß die vorliegende Untersuchung eindeutig der
praktisch-theologischen Grundlagenforschung zuzuordnen ist", denn
die Arbeit sei weder eine Variante des alten Themas .Tradition und
Interaktion' noch eine praktische Hilfe für die Anwendung der TZ1
für kirchliche Handlungsfelder. Es gehe um eine „Bereicherung der
Forschung". „Dieter Funkes Buch wird also diejenigen enttäuschen,
die von der Praktischen Theologie Rezeptwissen erwarten", meint der
Verfasser des Vorworts, und er täuscht sich selbst, insofern das Buch
auch diejenigen enttäuscht, die nicht Rezeptwissen, wohl aber einen
TZI-gercchlen Umgang mit der Arbeitsweise von Ruth C. Cohn von
einem Autor verlangen, der, wie er selbst schreibt, an vielen TZI-
Kursen teilgenommen und lebendiges Lernen am eigenen Leibe erfahren
hat.

Liest man schließlich am Ende von 506 Seiten: „Von daher läßt
sich das Modell Verkündigung als Symbol- und Themenzenirierie
Interaktion nur als grundlegendes Paradigma verstehen, in welchem
die einzelnen Handlungsfeldcr von Verkündigung mit Hilfe der hier
aufgezeigten Grundstruktur je neu zu konzipieren sind", so fragt man
sich wohl nicht ganz zu Unrecht, ob hier vielleicht ein gelungenes
Beispiel für Wissenschaft im Dienste psychoanalytisch verstandener
Abwehr vorliege. Dies gilt auch dann, wenn, wie im vorliegenden