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1985

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

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Theologische Literaturzeitung I 10. Jahrgang 1985 Nr. 3

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aus dem Leben selbst herzuleiten, wodurch man die Werke mehr über
die Liebe auf den Nächsten bezogen hätte, statt über das Gesetz auf
Gottes Gebieten.

Die ökumenische Absicht, die M. offenbar auch mit seinem Buch
hat, zeigt sich besonders deutlich in den Urteilen über das, was die
Bekenntnisschriften in den zwischen Lutheranern und Calvinisten
strittigen Fragen sagt. Während die doppelte Prädcstinationslehre
Calvins das theozentrischc Denken der Reformation zu bewahren
sucht, kann die Prädcstinationslehre der FC nach M. die Kirche nicht
:vor einem Abgleiten in eine anthropozentrische Denkform bewahren.
In der Abendmahlslchrc hat die FC einen Sakramentalismus entwik-
kelt, der über die reformatorische Zuordnung von Wort und Sakrament
hinausgeht. Der würdige Sakramentsvollzug wird durch die
rechte Lehre vom Sakrament und den dieser Lehre entsprechenden
Glauben konstituiert. Der rechte Glaube wird zur Bedingung für
einen würdigen Empfang, wozu M. fragt: „Sollte nicht durch das
Evangelium in Wort und Sakrament der Glaube gewirkt werden?"

Im letzten Teil seines Buches sucht M. drei aktuelle Probleme mit
Hilfe des Bekenntnisses zu beleuchten: das Problem wissenschaftlicher
Schriftauslegung, die Zweireichclehre und das Binden und
Lösen der Verkündigung. Zum ersten Problem sagt M., daß die
Kirche immer in ihrem Schriftgebrauch voraussetzen muß, daß die
ganze heilige Schrift einhelliges Zeugnis für die eine göttliche Wahrheit
ist. Bezüglich der Zweireichelehre wird zuerst betont, daß sie
keine Eigengesetzlichkeit des Staates bedeutet. Danach wird aber auch
Luthers eigene Ausdrucksform in „Von weltlicher Obrigkeit" kritisch
beurteilt. Durch die Unterscheidung zwischen Person und Amt ist
nach M. nicht viel gewonnen. Statt dessen meint er, daß Gott
uns durch das Leben selbst verstehen läßt, wie wir uns in verschiedenen
Situationen verhalten sollen.

Am Ende seines Buches hat M. ein ausführliches Glossar hinzugefügt
, in dem theologische Fachausdrückc erklärt werden.

Obgleich die primäre Absicht des Verfassers nicht war, eine historische
Einleitung zu schreiben, und die Arbeit auch eigentlich nichts
Neues in historischer Hinsicht enthält, scheint das Buch doch als eine
kurzgefaßte historische Einleitung zu den Bekenntnisschriften für
Theologiestudenten dienen zu können, wobei auch das Glossar sehr
brauchbar sein mag. Die historischen Angaben sind mit wenigen Ausnahmen
sehr genau und zuverlässig. Zu den Ausnahmen rechne ich
die Angabe S. 38, daß der Meritumgedankc der Reformation ganz
fremd sei, was leicht z.B. durch Apol. IV (BSLK, 198, 227-229)
widerlegt werden kann; weiter die Behauptung, daß die katholische
Kritik des zweiten Artikels in der Augustana, wo die Erbsünde als
Unglaube beschrieben wird, notwendigerweise bedeuten müsse, daß
man katholischerseits mit einer natürlichen Fähigkeit zum Glauben
rechne. Das „Extra Calvinisticum", das ja eigentlich nur bedeutet,
daß die göttliche Natur auch außerhalb der Menschheil Christi gegenwärtig
ist, wird S. 154 fälschlicherweise so wiedergegeben, daß man
die Gottheit auch außerhalb der persönlichen Vereinigung mit der
Menschheit denken müsse, eine Auffassung, die schon in dem Zitat
vom Heidelberger Katechismus, Frage 48, auf gleicher Seite zurückgewiesen
wird. In diesem Zusammenhang geschieht auch eine Verwechslung
von dem genus idiomaticum und dem genus majestaticum,
wenn die Allgegcnwart Christi nach seiner Menschheit auf folgende
Weise ausgelegt wird: „Die menschliche Natur als solche empfängt
nicht die gottheitlichen Eigenschaften. Aber sie ist in der Person so
mit der Gottheit verbunden, daß sie dadurch an dem teilnimmt, was
wesensmäßig der anderen Natur zugehört; wie die Gottheit, obwohl
sie als solche leidensunfähig ist, an dem Leiden teilgenommen hat, da
ja die gottmenschliche Person gelitten hat, so nimmt nun die Menschheit
an der Majestät der Gottheit teil, weil diese Majestät ja der einen
gottmenschlichen Person zu eigen ist." Eine derartige Ubiquitäts-
lehre, die ja ganz und gar zu dem genus idiomaticum zu rechnen sei,
wäre es natürlich leichter mit der reformierten Lehrweise zu vereinen
als die eigentlich lutherische, die ja wirklich voraussetzt, daß die
menschliche Natur als solche die gottheitlichen Eigenschaften

empfangen hat. obwohl diese nicht zu den wesentlichen Eigenschaften
der menschlichen Natur geworden sind.

Zu den kritischen Reflexionen über die Bckennlnisschriften, die
M. von der reformatorischen „Grundentscheidung" aus vornimmt, ist
die Frage zu stellen, ob die Reformatoren es sich wirklich so vorgestellt
haben, daß man von einer Grundentscheidung her eine richtige
Stellungnahme in allen dogmatischen Fragen machen könne. Hinter
der vielmals wiederkehrenden Kritik gegen die Vorstellung von einem
(iesetz, das zufriedengestellt werden muß (s. z. B. S. 143-144), scheint
eine antinomistische Tendenz versteckt zu sein, der man auch in der
Lunder „Motivforschung" begegnet, wo man von einer christlichen
und reformatorischen „Grundentscheidung" her die Dogmatik zu
entwickeln versucht, wobei Nomos und Agape als zwei miteinander
unvereinbare „Grundmotive" dargestellt werden.

Wie M. die Lehre des Bekenntnisses von einer durch den Glauben
wiederhergestellten Freiheit in geistlichen Dingen als ein anthropozentrisches
Denken auffassen kann, ist schwer verständlich. Überhaupt
haben die kritischen Reflexionen des Verfassers wegen der
kurzgefaßten Darstellung nur den Charakter von Randbemerkungen
und Fragezeichen zum Bekenntnis. Sie befinden sich ohne Zweifel oft
auf einer niedrigeren Rellexionsebene als die genauen Überlegungen
des Bekenntnisses selbst und sind in ihrer gegenwärtigen Form nicht
überzeugend. Als Anregungen zum Gespräch und zu eigener Reflexion
können sie jedoch zur Bewahrung vor einem allzu schnellen und
unreflektierten Übernehmen der Ausdrucksformen des Bekenntnisses
in der Gegenwart einen nützlichen Dienst tun.

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