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Ausgabe:

1985

Spalte:

221

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Wirklichkeit und Wahrheit der Religion 1985

Rezensent:

Greschat, Martin

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221

Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 3

222

graphischen Nachweise in runden und eckigen Klammern sogleich in
den laufenden Text eingefügt worden sind (ein Lob der Drucktechnik,
die diesen komplizierten Text fast ohne Fehler gemeistert hat!). R. legt
seine Ehre dafür ein, daß auch die Übersetzungen oder Zweitpublikationen
eines Beitrages nachgewiesen werden. Bedauert werden muß,
daß es keine Indices gibt (auch kein Namensregister). Die Dokumentation
würde zu einem leichthandhabbaren Nachschlagewerk werden
.

Leipzig Siegfried Wagner

Systematische Theologie: Allgemeines

Rade, Martin: Ausgewählte Schriften. Bd. I: Wirklichkeit und Wahrheit
der Religion. Mit einer Einleitung hrsg. v. Ch. Schwöbcl.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1983. 147 S. 8".
Kart. DM 56.-.

Nachdem Christoph Schwöbel zunächst in einer eindrücklichen
Dissertation die Grundthemen der Theologie Martin Rades nachgezeichnet
hatte1, danach von ihm durch die Edition des Briefwechsels
Rades mit Karl Barth in den Jahren 1908 bis I9402 die im besten
Sinne liberale Persönlichkeil des Herausgebers der „Christlichen
Welt" dokumentiert worden war, hat er nun den ersten Band einer auf
drei Bände berechneten Auswahl aus dessen Schriften herausgegeben.
Das Thema des vorliegenden Bandes ist das Religionsproblem.
Abgedruckt wurden die folgenden Veröffentlichungen Rades: „Die
Religion im modernen Geistesleben" (1898), „Die Wahrheit der
Christlichen Religion" (1900) sowie „Heidenmission, die Antwort des
Glaubens auf die Religionsgeschichte" (1908).

Eine kluge Einleitung, die vor allem auf die Lebendigkeit und Vielfalt
einer insgesamt eher diffusen als deutlich zu umreißenden Religiosität
um die Jahrhundertwende abhebt (12-15), markiert den Hintergrund
von Rades Position. Hierbei geht es, ausgehend zwar von
Ritschis Ansatz, jedoch in der Fragestellung und Konkretion erheblich
über ihn hinausführend, um die Auseinandersetzung mit den
Ergebnissen der Religionsgeschichte, sowie mit Troeltsch und Herrmann
. Ohne mit seinen Entwürfen die systematische Klarheit und
gedankliche Schärfe dieser Gelehrten zu erreichen, zeichnen sich
Rades Arbeiten durch eine ungemein lebendige Zuwendung zu
aktuellen, die Zeit bewegenden Fragestellungen einerseits aus und
andererseits durch das Bemühen, diese Thematik in die Gemeinden
hinein, d. h. in deren Lebens-, Denk- und Glaubenshorizont zu vermitteln
. Darin lag in der Tat die in besonderem Maße ansprechende
und anregende Bedeutung dieses Theologen (26).

Vielleicht wäre diese Besonderheit noch präziser zum Ausdruck
gekommen, wenn der Hg. sich nicht allein auf den Abdruck der
genannten Schriften beschränkt hätte sondern darüber hinaus entsprechende
Texte aus dem Briefwechsel oder auch diesbezügliche
Artikel aus der „Christlichen Welt" dem Band beigegeben hätte. Der
im besten Sinn dialogische Charakter dieser theologischen Arbeiten
mit ihrer sehr viel stärker missionarischen als apologetischen Zielsetzung
hätte dadurch vermutlich noch an Profil gewonnen. Immerhin
belegt gerade der letzte Beitrag des Bandes dieses theologische Interesse
Rades sehr schön.

Es bleibt zu hoffen, daß dieses Buch, dessen Aussagen aufden ersten
Blick vielleicht etwas abständig wirken mögen, im Blick auf die hier
formulierten Anstöße und Herausforderungen viele wache und aufgeschlossene
Leser findet.

Gießen Martin Greschat

' Martin Rade. Das Verhältnis von Geschichte, Religion und Moral als
Grundproblem seiner Theologie. Gütersloh: Gütersloher Vcrlagshaus Gerd
Mohn 1980. 312 S.

2 Karl Barth - Marlin Rade. Ein Briefwechsel. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn 1981.292 S.

Mildenberger, Friedrich: Theologie der Lutherischen Bekenntnisschriften
. Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammcr 1983.
211 S.gr. 8° Kart. DM 34,-.

Prof. Mildenbergers Absicht mit der vorliegenden Arbeit ist nicht,
eine aus den Bekenntnissen gewonnene Dogmatik darzustellen, wie
Leonhard Hutter es in seinem Compcndium Locorum Thcologico-
rum 1610 und, Mildenberger zufolge, auch Brunstäd in seiner
bekannten „Theologie der Bekenntnisschriften" getan haben. Die
Absicht ist auch nicht, historisch in die Sammlung der lutherischen
Bekenntnisschriften einzuführen, so sehr auch historische Zusammenhänge
mit beachtet werden. Statt dessen ist die Zielsetzung, das
Bekenntnis im Zusammenhang von Evangelium und Schrift zu verstehen
. Die Darstellung sucht „die Grundentscheidungen" des Bekenntnisses
zu verdeutlichen und in ihren Konsequenzen aufzuzeigen. Die
Zielsetzung ist damit auch, das Bekenntnis in seiner Bedeutung für die
Verkündigung näher zu erfassen. Von den „Grundentscheidungen"
aus wird auch das Bekenntnis selbst kritisch untersucht, wobei gewisse
Aussagen und Stellungnahmen der Bekenntnisschriften als nicht ganz
adäquate Ausdrücke für die Grundentscheidungen aufgefaßt werden
.

Die reformatorische Grundentscheidung ist nach Mildenberger:
Gott allein wirkt unser Heil. Die Grundentscheidung der alten Kirche
ist: Welt und Heil sind die Gaben desselben Gottes. Diese beiden Entscheidungen
gehören zusammen, denn wo der soteriologischc Dissens
besteht, gibt es nicht einen wirklichen Konsens im Glauben an den
dreicinigen Gott.

Wenn die reformatorische Grundentscheidung kritisch eingesetzt
wird, um die Bekenntnistexte zu interpretieren, zeigt es sich, daß die
theozentrische Position der Reformation am allerbesten in den
Lutherschriften des Bekenntnisses zum Ausdruck kommt. In den
Schmalkaldischen Artikeln wird die Systematik des reformatorischen
Bekenntnisses von der reformatorischen Grundentscheidung aus entfaltet
, was diesem Dokument einen besonderen Wert gibt. Auch von
den drei ersten Katechismusstücken wird gesagt, daß sie gemeinsam
zu dem theozentrischen Denken, das für die Reformation kennzeichnend
ist, leiten. Dagegen wird die Konkordienformcl negativ beurteilt.
Obwohl man in dieser versucht, im Sinne Luthers zu entscheiden, und
der Reformator auch ausführlich zitiert wird, ist es nach M. den Verfassern
der Konkordienformcl nicht ganz gelungen, das anthropozentrische
Denken abzuweisen. Immer wieder rückt der Mensch in
den Mittelpunkt, und statt Gottes Wirksamkeit am Menschen werden
menschliche Zustände und Bestimmungen beschrieben.

Die Terminologie Substanz - Akzidenz im ersten Artikel der
Konkordienformcl ist, Mildenberger zufolge, nicht nur für die öffentliche
Predigt, sondern auch für die theologische Schulterminologie
unangemessen, weil sie dazu angetan ist, die Sünde zu verharmlosen,
obwohl die FC auf keinen Fall dies tun will. Ist erst einmal diese
Unterscheidung angewandt, muß ja die Erbsünde als Akzidenz
bezeichnet werden.

Im zweiten Artikel findet Mildenberger ein synergistisches
Konzept. Man läßt den Synergismus, den man mit großem Pathos
ausgetrieben hat, zur Hintertür wieder hinein, indem man lehrt, daß
der Mensch die Predigt hören muß, um bekehrt zu werden, und daß es
in seiner eigenen Kraft steht, dies zu tun. Die Argumentation läuft
nach M. auf einen Synergismus hinaus, der der tridentinischen
Lösung gleicht wie ein Ei dem anderen. Auch in der Auffassung, daß
der Mensch, wenn er seine Wiedergeburt hinter sich hat, auch in geistlichen
Dingen wieder frei ist, findet M. ein anthropozentrisches
Denken.

Sowohl im dritten wie auch im vierten Artikel beherrscht der
Gedanke der Gott geschuldeten Leistung die theologischen Überlegungen
, wodurch das Evangelium dem Gesetz ein- und untergeordnet
wird. Es wäre M. zufolge besser, die Notwendigkeit der guten Werke