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Ausgabe:

1985

Spalte:

213-214

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Roty, Martine

Titel/Untertitel:

Dictionnaire russe-français des termes en usage dans l'église Russe 1985

Rezensent:

Goltz, Hermann

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213

Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 3

214

wodurch auch denen, die nicht ständig mit der Materie unizugehen
Ilaben. der Gebrauch erleichtert wird. Und auch die zuweilen hinzugefügte
Einordnung als ..Sondergruppe (Sekte)" oder „in der Zuordnung
umstrittene Gemeinde. Grenzfall zwischen Kirche und Sondergruppe
" dürfte hilfreich sein, wenngleich gerade auch hier die Argumente
allzu fragmentarisch bleiben müssen. Informativ und für den
verantwortlichen Gebrauch des Ganzen unerläßlich ist nicht zuletzt
die einleitende Orientierung über Kirche - Freikirche - Sondergruppe
- religiöser Pluralismus - Toleranz usw. Denn um das rechte Verhalten
zueinander soll es ja gehen, gerade in und wegen der Fülle so verschiedener
Angebote und Ansprüche.

Angesichts der Vielfalt des Gebotenen verbietet es sich von selbst,
hier auf Einzelheiten einzugehen. Sicher wären manche Zuordnungen
zu hinterfragen. Einzelangabcn zu korrigieren und Einschätzungen
neu vorzunehmen. Hier wird sicher im Einzelfall immer wieder neu
zu prüfen sein. Ohnehin aber ist hier so gut wie alles im Fluß, so daß
Abschließendes nie festgestellt werden kann.

Schönciche Hubert Kirchner

Rot. Martine: Dietionnaire russe-francais des termes en usagc dans
l'eglise russe. Paris: Institut d'etudes slaves 1980. 160 S. 8°;
deuxieme ed. revue et augmentec 1983. 175 S. 8' = Lexiques de
l'Institut d'etudes slaves. 4. Kart. FF 60.-.

Mit diesem Wörterbüchlein, das speziell den im russisch-orthodoxen
kirchlichen Leben gebräuchlichen Begriffen gewidmet ist.
haben die Autorin und das Pariser Institut für slavische Studien einem
weiten Interessentenkreis, angefangen beim orthodoxen Christen in
der Diaspora über den ökumenisch interessierten Hcterodoxen bis
zum Slavistcn und Konfessionskundler der Orthodoxen Kirchen, ein
bei seiner Knappheit kompaktes und recht präzises Hilfsmittel in die
Hand gegeben. Ein breites Spektrum an kirchenslavischen Begriffen
wird dem Benutzer, zusammen mit der Übersetzung, des öfteren mit
dem griechischen Äquivalent, mit teils knappen, teils ausführlicheren
Erläuterungen und einigen illustrativen Skizzen von der Hand der
Autorin geboten. Bereits die sorgfältige Angabc der Akzente, die - im
Falle der wörtlichen Übernahme - nicht selten von der des griechischen
Grundbegriffes differiert, ist für Laien wie Fachleute hilfreich.
Bei der Übersetzung der Termini ist die Verfasserin bedacht vorgegangen
: Neben der Angabc der sprachlichen Herkunft wird zunächst eine
möglichst wörtliche Übersetzung geboten, sodann des öfteren eine
weitere erklärende. Ebenso findet man differenzierte Angaben, welchen
kirchlichen Termini anderer Konfessionen der vorgestellte
Begriff genau oder etwa entspricht. Nicht unwichtig sind auch die
Hinweise auf die jeweiligen Synonyma. Nützlich fürden Interessenten
sind auch die kleine weiterführende Bibliographie (S. 154-158 [alle
Seitenangaben nach der 2. Auflage]), der Index der griechischen
Begriffe und das Verzeichnis der französischen Termini, die in der
Ubersetzung und als Äquivalente der kirchenslavischen voecs angegeben
sind.

Das thematische Spektrum erstreckt sich von Liturgie und Kunst
über Hierarchie und Mönchtum. Kirchenrecht, Kirchengeschichte
und Begriffe der theologischen Literatur bis hin zu Sektenkundlichcm,
Populären Ausdrücken und Deformationen der kirchenslavischen
Grundformen (z. B. „oktoich" zu „ochtaj" etc.). Gerade letzteres ist
•ur den nichtorthodoxen und nichtrussischen Fachmann von Interesse
; hier zahlt es sich auch besonders aus. daß sich Martine Roty für
die 2. Auflage noch stärker russischerseits (so u. a. von Andre Lossky)
beraten ließ.

Es ist nicht verwunderlich. daß solche zentralen Begriffe wie Liturgie
(S. 61 -66), Ikone(39-42). Ikonostas(42-44). Triod (134-136) etc. mit umfangreichen
Erläuterungen versehen wurden, wobei in der 2. Auflage auch das Vcr-
weissvstem auf die in diesen Erläuterungen zusätzlich gebotenen kirchenslavischen
Termini wesentlich verbessert worden ist. Diese Auflage zeichnet sich,
abgesehen von der erweiterten Bibliographie und der gclälligcren graphischen
Aufmachung mit Hilfe von Ornamenten aus den russischen „Wiegendrucken"

Ivan Fcdorovs. weiter aus durch eine spürbare Vermehrung der erklärten
kirchenslavischen Begriffe wie etwa (in Auswahl) „verigi" (Ketten), „vlas-
janica" (Büßergewand etc.). „golubee. golbec" (das orthodoxe Grabkreuz
mit Bedachung), „zlatostruj" (Sammlung von Texten des hl. Johannes Chryso-
stomus, in Rußland zur privaten, erbaulichen Lektüre bestimmt), „kanty,
kantycki" (populäre christliche Gesänge, im 17.'18. Jh. im polnisch-katholischen
und unierten Bereich sehr verbreitet, von dort nach Rußland gekommen
, wo sie in „bogoglasniki" genannten Sammelbänden vereinigt wurden),
„koncert" (spezielle Chorgesänge sub eommunione). „pogruzenic" (die
Immersion bei der orthodoxen Taufe), „podvig" (die Tat der Asketen, mit
welcher er sein sündiges Selbst überwindet), „ukrop" (populäre Bezeichnung
des Zeon. des heißen Wassers, das dem Blute C hristi in der orthodoxen Liturgie
hinzugclügl wird. Synonym zu „teplota"). „sater" (vier- oder achteckiges
pyramidenförmiges Dach: „satrovyj chram" - Kirche mit entsprechendem
Dach) etc. In der 2. Aullage sind auch Umwandlungen und Erweiterungen von
Artikeln, z. B. „kanon", „triod". zu beobachten; als Hintergrundinformation
gab man dieser Aullage das Stichwort „cerkovnoslavjanskij jazyk" (kirehen-
slavische Sprache) samt Erläuterung bei.

Insgesamt sind auch die Erläuterungen korrekt und informativ. Durch die
thematische Eingrenzung auf die russische Orthodoxie ergeben sich natürlich
auch semantische Beschränkungen, so z. B. bei „slava" Ui('ia). das in der serbischen
Orthodoxie noch eine wesentliche Bedeutung hat. indem es den Feiertag
des Familienhciligen bezeichnet. Trotz der räumlichen Beschränkung des
Wörterbuchs hätte bei der ausführlicheren Erklärung des Abt-Titels „archi-
mandrit" erwähnt werden können, daß dieser heute in der russischen Orthodoxie
selten noch mit klösterlichen Leitungsfunktionen gekoppelt, sondern vielmehr
oll zu einem hierarchischen Rang aufdem Wege zum Bisehofsamt geworden
ist. Der Ehrentitel eines „bogoslov" (Theologe) ist neben Johannes dem
Evangelisten und Gregor von Nazianz. die M. Roty nennt, auch Symcon dem
„neuen Theologen" inderorthodoxen Tradition verliehen worden.

Das vorliegende kleine Wörterbuch ist eine handliche, gute Ergänzung
zu anderen, größeren Speziallexika. In der Bibliographie der
2. Aullage hätte bereits Konrad Onaschs „Liturgie und Kunst der Ostkirche
in Stichworten" (Leipzig 1981) berücksichtigt werden können;
allerdings führt die Verfasserin dort überhaupt nur russische und französische
Werke auf. Dabei fehlt aber bereits in der I. Auflage das vom
Moskauer Patriarchat hcrausgebenc mehrbändige neue Handbuch für
den orthodoxen Kleriker (Nastol'naja kniga svjascennosluzitelja). Da
auch andere Reprints in der Bibliographie angegeben wurden, sei
abschließend der Hinweis erlaubt, daß bereits Ende der fünfziger
Jahre die „Matcrialy" für ein Wörterbuch der allrussischen Sprache
von LI. Sreznevskij (ursprünglich Sanktpeterburg 1893-1912) in
Moskau im Nachdruck erschienen sind.

Halle (Saale) Hermann Goltz

Philosophie, Religionsphilosophie

Girard. Rene: Das Knde der Gewalt. Analyse des Menschheitsverhängnisses
. Aus dem Franz. übers, v. A. Bcrz. Freiburg-Basel-
Wien: Herder 1983. 304 S. 8*. Kart. DM 38.-.

Die Kulturthcorie Rene Girard* ist im deutschen Sprachgebiet bisher
weitgehend unbekannt geblieben. Lediglich einige katholische
Theologen haben hier sein Werk rezipiert (u.a. N. Lohfink und vor
allem R. Schwager). DerGrund ihrer Bezugnahme liegt in folgendem:
Girard kommt bei seinem Versuch, den Zusammenhang zwischen der
Entstehung der Religion und der menschlichen Kultur und Gesellschaft
insgesamt grundhegend neu zu durchdenken, zu einer überraschenden
Neuentdeckung der biblischen Religion in ihrer Einzigartigkeit
gegenüber anderen Religionen.

Erstmals liegt nun ein Werk Girards in deutscher Übersetzung vor:
die beiden Teile dieses Buches behandeln die anthropologische
Grundlegung seiner Theorie sowie seine Deutung der biblischen
Schriften. (Die 1978 erschienene französische Ausgabe enthält noch
einen dritten Teil, in dem sich Girard kritisch mit der Psychoanalyse
beschäftigt.)