Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1985

Spalte:

212-213

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Eggenberger, Oswald

Titel/Untertitel:

Die Kirchen, Sondergruppen und religiösen Vereinigungen 1985

Rezensent:

Kirchner, Hubert

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

211

Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 3

212

Lorbers sehen. Neben dem sich eng an Lorber anschließenden Gottfried
Mayerhofer werden bisher kaum bekannte Informationen über
Leopold Engel und Georg Riehlc, der besonders in Sachsen zahlreiche
Anhänger fand, geboten. Einblicke in Werk und Anliegen von Bertha
Dudde, Anita Wolf, Frieda Maria Lämmle, Johannes Widmann und
dem Lichtkreis Christi runden das Bild ausführlich ab. Diese Passagen
, wie überhaupt das Bemühen um eine positiv-kritische Würdigung
des Werkes und der Nachwirkungen Lorbers sind ein besonderes
Kennzeichen der 12. Auflage.

Berücksichtigung findet in der vorliegenden Auflage nun auch das
Problem der „Neuoffenbarungen im katholischen Raum". Im Mittelpunkt
stehen dabei Michel Co Min („Papst Clemens XV.") und seine
Anhänger. Neu in dieser Auflage ist ferner ein Beitrag über den Spiritismus
. Der sehr informative geschichtliche Abriß dieser seit der Mitte
des 19. Jahrhunderts so wirkungsträchtigen, im kirchlichen Raum
meist nur in Form einer Karikatur bekannten Bewegung wird in eine
treffende Charakteristik des Umfeldes gestellt. Leider fehlen hier, wie
auch an manchen anderen Stellen, Zitatennachwcise (Lessing. Ober-
lin, Brentano, Feuerbach, Marx). Hutten geht es um den „seriösen
Spiritismus" (S. 724). Er arbeitet die Unterschiede, aber auch mögliche
Gemeinsamkeiten mit der christlichen Botschaft heraus. Bemerkenswert
, aber ebenso umstritten bleibt die im einzelnen ausführlich
begründete These, welche Spiritismus und Aufklärung in eine enge
innere Beziehung bringt: „Gemeinsam mit der Aufklärung ist dem
Spiritismus auch der Erkenntnisdrang, der die Welt in allen ihren
Räumen erhellen will - mit dem Unterschied, daß sich sein Augenmerk
nicht auf die diesseitige, sondern auf die jenseitige Welt richtet;
aber es geht dort nach den Kundgaben der Geister genauso vernünftig,
gerecht und geordnet zu, wie es die Aufklärer in der diesseitigen Welt
anstrebten. Gemeinsam ist beiden schließlich die Kritik an den Kirchen
und ihren rückständigen Glaubenslehren . . . Man kann also
alles in allem sagen: Es besteht eine enge Geistesverwandtschaft zwischen
Spiritismus und Vcrnunftreligion." (S. 740)

Organisch schließen sich an die Ausführungen über den Spiritismus
Informationen über einige „Christlich-spiritualistische Vereinigungen
" an. Behandelt werden Johannes Greber und sein Werk, die mit
Blick auf ihre Ausstrahlungskraft sehr bedeutsame Geistige Loge
Zürich und die Urchristliche Kirche. Andere Gemeinschaften, die in
den letzten Jahren ebenfalls Aufsehen erregten, wie z. B. das Heim-
holungswerk Christi, finden nur Erwähnung.

Unter den Novitäten dieser Ausgabe ist schließlich die ausführliche
Berücksichtigung der UFO-Bewegung hervorzuheben, die wohl zu
den bizarresten und fragwürdigsten Erscheinungen in dem gewiß an
Kuriositäten reichen Spektrum neuzeitlicher religiös-weltanschaulicher
Gruppierungen gehört. Von Hutten wird sie, trotz mancherlei
kritischer Anfragen, durchaus ernst genommen. Am Schluß des Werkes
steht eine gegenüber der I I. Auflage neu geschriebene und anders
plazierte Darstellung der Baha'i-Rcligion. Jüngste Forschungsergebnisse
fanden auch hier Aufnahme. Das Gebiet der Neureligioncn bzw.
„Jugendreligionen" klammert Hutten aus.

Die so getroffene Auswahl repräsentiert nicht nur einen zentralen
Ausschnitt religiöser Zeitgeschichte und aktueller Wirklichkeit, sondern
auch das theologische Vermächtnis Kurt Huttens. Anders als bei
der I.Auflage im Jahre 1950 liegen heute im deutschsprachigen
Raum mehrere umfangreiche Standardwerke auf dem Gebiet der religiösen
Gemeinschaften und Bewegungen vor. Sic machen den „Hutten
" in seiner unverwechselbaren Prägung nicht überflüssig. Er wird
eine Fundgrube für die Forschung bleiben und die theologische Diskussion
über die breitgefächerten Anfragen religiöser Protestbewegungen
an die Kirchen anhaltend befruchten.

Halle (Saale) Helmut Obsl

Eggenberger, Oswald: Die Kirchen, Sondergruppen und religiöse Vereinigungen
. Ein Handbuch. 3., Überarb. Aufl. Zürich: Theologischer
Verlag 1983.278 S.8geb. sfr32.-.

Der „Eggenberger" bedarf eigentlich kaum noch einer ausführlichen
Vorstellung. 1969 zum erstenmal erschienen, hat sich das Buch
schnell einen spezifischen Platz in der Standardlitcratur erobert,
neben dem „Hutten" etwa, oder dem „Reiler". Da es aber in der
ThLZ noch nicht besprochen worden ist und die jetzige 3„ neubearb.
Aufl. auch einige wesentliche Neuerungen bringt, sei es etwas ausführlicher
präsentiert.

Sein eigenes Profil besitzt das Handbuch dadurch, daß es für eine
schnelle Orientierung sorgt, fast in der Art eines Lexikons. In zumeist
nur ganz knappen Artikeln werden jeweils lediglich die wichtigsten
Daten, Fakten und Namen geboten und dazu das spezifische Anliegen
mit wenigen Sätzen skizziert, ergänzt (in Kleindruck) durch einen
Hinweis auf Publikationen (Zeitschriften), ein paar statistische Angaben
und Adressen.

Lexikongemäß ist auch die Fülle des gebotenen Stoffes. Das Buch
„informiert über sämtliche Kirchen. Sondergruppen und religiöse
Vereinigungen im deutschsprachigen Europa" (S. 15). Damit ist der
Radius sehr viel weiter gezogen als in allen anderen entsprechenden
Handbüchern. Konfessionskunden o. ä. Es geht nicht nur um die
Fülle der religiösen Gemeinschaften „neben den Kirchen" („Sekten")
oder um „Freikirchen" oder um außereuropäische Religionen, die
erst neuerdings auch in den traditionell christlichen Ländern Vereinigungen
gebildet haben. Auch die großen christlichen Konfessionen
und Kirchen und ihre Zusammenschlüsse werden vorgestellt bis hin
zum Ökumenischen Rat der Kirchen. Dabei wird wirklich versucht,
den jeweils neuesten Stand zu bieten. Und die regelmäßig an den
Anfang gestellte Jahreszahl der Gründung zeigt, in welcher Bewegung
die Landschaft ist, wie viele Gruppen, Kreise, Gemeinden und Bewegungen
erst jüngst entstanden sind.

Bei einem so breit gefächerten Programm spielt die Gliederung eine
besondere Rolle. Das Aufbauschema ist nun aber nicht das eines Lexikons
. Nur innerhalb eines Kapitels (Pfingstbewegung) ist eine alphabetische
Reihenfolge der vielen Versammlungen und Gemeinden
gewählt. War schon vorher eine grobe sachliche Gliederung vorgenommen
worden, so teilt die jetzige 3. Auflage den Stoff in 17 Kapitel:
Katholische und Orthodoxe Kirchen; ursprünglich aus der Reformation
hervorgegangene Kirchen: Freikirchen täuferischer (menno-
nistischer), baptistischer und darbystischer Herkunft: Freikirchen
pietistischer und methodistischer Herkunft incl. neupietistische und
cvangclikale Gemeinden: Pfingstbewegung; Endzeitgemeinden; Apostelgemeinden
, Mormonentum; Neugeisl und Christliche Wissenschaft
; Messias-Gemeinden; Religiöse Vereinigungen aufgrund
besonderer Erkenntnisse aus dem Innern des Herzens oder aus einer
jenseitigen Welt; Freireligiöse und freigeistige Vereinigungen:
Jüdische Gemeinden; Islamische und aus dem Islam hervorgegangene
Vereinigungen: Buddhistische Vereinigungen; Vereinigungen und
Herkunft aus dem Hinduismus und Sikhismus; Verschiedene Vereinigungen
. Das ist ein ziemlich engmaschiger Raster, zumal Schlagworte
und Klischeebegriffe vermieden werden, die sachlich herzlich wenig
sagen („Jugendrcligionen"). Trotzdem dürfte es noch immer nicht
ganz leicht sein, jeweils die richtige Zuordnung vorzunehmen. Und
um eine gesuchte Gemeinschart zu finden, ist auch dieses Netz noch
viel zu weitmaschig. Dazu bedarf es dann schon des Registers am
Schluß des Buches, das aber in der Tat verläßliche Auskunft gibt. In
Fettdruck sind die einzelnen Kirchen, Gemeinden, Versammlungen,
Bünde usw. ausführlich hervorgehoben, die einen eigenen Artikel
erhalten haben: 373!

Gut ist, daß jedem dieser Kapitel eine allgemeine Einleitung vorangestellt
ist. Auch sie kann freilich nur einen lockeren Rahmen herstellen
, aber dieser ist wichtig genug, um die geschichtlichen und
bekenntnismäßigen Zusammenhänge durchschaubar zu machen.

Zu begrüßen ist ferner der kurze Anhang mit Worterklärungen.